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SELBST

 

Wo ist der Unterschied zwischen dem Selbst und dem Ich?

Im Allgemeinen meint man mit ‚Selbst’ das wahre Ich. Man betrachtet das Ich als illusorisches Gebilde, als Ego, als Objekt der Anhaftung, eine Art geistiges Erzeugnis, eine Vorstellung, die man sich von sich selbst macht. Wenn man vom Selbst spricht, meint man meistens das tiefe Ego. Das Selbst ist das Ich, das keine Trennungen schafft zwischen einem selbst und den andere.

Im Französischen schreibt man ‚le Soi’, das Selbst, mit einem großen ‚S’, weil es der weite Geist ist, der mich und die anderen umfasst und keine Trennung mehr dazwischen erzeugt. Meister Deshimaru machte folgenden Unterschied: „Es gibt ein gutes Ego. Was man aber aufgeben muss, ist dieses ichbezogene, egozentrische Ego.“ Das gute Ego will den Weg praktizieren und den anderen helfen. Am Anfang des Kapitels Hotsu bodaishin im Shobogenzo sagt Meister Dogen: „Es gibt verschiedene Arten von Geist.“ Er beschreibt die verschiedenen Arten, unter anderem Citta, den Geist, der unterscheidet. Im Buddhismus wird dieser unter-scheidende Geist oft als schlecht angesehen. Aber Dogen sagt, dank des Geists, der unter-scheidet, der erkennt, was richtig und was falsch ist, entsteht der Wunsch, den Weg und das Erwachen zu praktizieren.

Du hast einmal gesagt, dass es das Ich ist, das uns voneinander unterscheidet. Ich bin anders als du, ich bin eine Frau, habe eine andere Haarfarbe, ein anderes Alter, usw. So habe ich eigentlich das Ich verstanden.

Das stimmt. Für jeden ist die Existenz dieses Ichs notwendig. Wenn man sich seiner selbst nicht bewusst ist, wird man ein bisschen verrückt. Wir müssen dieses Bewusstsein unserer eigenen Identität und der Unterscheidung zu den anderen haben. Dies ist Grundlage psy-chischer Gesundheit. Wenn wir sie nicht haben, werden wir geisteskrank. Es ist schon wichtig, eine persönliche Identität zu entwickeln und ein Ego, ein Ich zu haben. Allerdings strengen wir uns dermaßen an, dieses Ich zu konstruieren, und übertreiben oft dabei, so dass es zu einem Problem wird. Die Wichtigkeit dieses Ichs wird überbewertet. Man dreht sich derart um dieses eigentlich normale Ich und wird egozentrisch, dass es zu einer Leidensursache für einen selbst und für die anderen wird. Das Ich ist eben nur ein geistiges Konstrukt und hat keine beständige, feste Substanz.

Dies zu verstehen ist die Grundlage des Buddhismus. Aber das heißt nicht, dass das Ich als geistiges Konstrukt nicht existieren darf. Es muss existieren, aber man muss in der Lage sein, es zu relativieren und es nicht als das Wichtigste auf der Welt betrachten, wie es die meisten Leute tun. Dies ist gemeint, wenn man davon spricht, das Ego aufzugeben. Es geht um die übertrieben starke Anhaftung an dieses Ego. Man sollte in der Lage sein, zu verstehen, dass das Ego nicht ohne die anderen existieren kann. Deswegen sollte man sich darauf konzentrieren, gute Beziehungen zu den anderen aufrechtzuerhalten, Beziehungen, die zum Glück des einen und des anderen beitragen und nicht egozentrisch sind.

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Bedeutet man selbst werden, wie es in der Unterweisung gesagt wurde, dass es eine Form der kosmischen Identität gibt?

Ja. Die kosmische Identität ist Ku, Leerheit. Sie ist nichts, was man ergreifen kann. Sie ist etwas, das sich nicht in das einschließen lässt, was man normalerweise Identität nennt.

Normalerweise sagt man ‚meine Identität’ mit Bezug auf bestimmte Kriterien: „Ich bin jemand, der so und so ist.“, also anders als die anderen. Unsere Identität baut sich aus Unter-scheidungen und Trennungen auf. Diese Identität ist etwas Konstruiertes, ein geistiges Produkt. Im Grunde, in der Wirklichkeit, hat sie keine feste Substanz.

Diese Dimension unseres Lebens ohne feste Substanz zu erfahren, ist unsere wirkliche Iden-tität. Denn darin ist man mit allen Wesen des Universums identisch. Der gemeinsame Punkt zwischen uns und allen Existenzen ist, dass wir ohne Substanz sind. Das ist wirkliche der gemeinsame Punk vom Atom bis zur Galaxie. Berge, Flüsse, Menschen, alle Existenzen existieren nur in wechselseitiger Abhängigkeit voneinander, d.h. sie sind ohne feste, eigene Substanz. Das ist es, was ich meine, wenn ich von einer ‚wirklichen’ Identität spreche. Die wirkliche Identität ist keine Identität.

Wenn man das Wort Identität benutzt, meint man, dass etwas identisch bleibt. Aber in Wirk-lichkeit gibt es nichts, was immer gleich bleibt. Alles ändert sich unablässig. Unsere wirkliche Identität ist, dass wir unbeständig und ohne Substanz sind. Das wirkliche Selbst ist das Nicht-Selbst.

Man selbst zu sein bedeutet, in Harmonie mit der Unbeständigkeit zu sein?

Genau. - Das ist etwas anderes, als wenn man in der Persönlichkeitsentwicklung davon spricht, man selbst zu werden. Dort geht es darum, seine Wünsche zu befriedigen: „Bisher habe ich mich immer so verhalten, wie meine Familie es wollte. Jetzt will ich endlich ich selber sein. Ich will meine eigenen Wünsche befriedigen.“ Das heißt aber eigentlich, dass man sein Ego verwirklichen will. Es ist im Allgemeinen das Ziel von Therapien und von Techni-ken der Persönlichkeitsentwicklungen, das Ego zu stärken.

Zen fängt genau jenseits davon an, indem man realisiert, dass das eine Illusion ist. Seine Zeit damit zu verbringen, so zu werden, wie die anderen es erwarten, ist eine Illusion. Aber sich mit seinen Wünschen identifizieren zu wollen, ist auch eine Illusion. Zen ist also wirklich sich mit dem zu harmonisieren, was man das Dharma, die kosmische Ordnung, nennt, mit der wirklichen, der tiefsten Natur der Existenz – also mit der Unbeständigkeit, der wechselseiti-gen Abhängigkeit, dem Nicht-Selbst. Das impliziert nicht nur ein intellektuelles Verständnis, sondern auch ein wirkliches Loslassen und ein sich mit dieser Dimension Harmonisieren. Wenn man sich damit harmonisiert, resultiert daraus eine große Befreiung, eine wirklich radikale Lösung aller Leidensursachen. Das hat Buddha ‚Nirvana’ genannt, das Verlöschen aller Geistesgifte, das Verlöschen von Gier, Hass und Verblendung.

Wenn es heißt, dass das wahre Leben die Harmonie mit der kosmischen Bewegung ist, was sind dann die Gesetze dieser kosmischen Bewegung?

Oh, es gibt viele Arten von Gesetzen. Aber die grundlegenden Gesetze sind das der Unbestän-digkeit und das der wechselseitigen Abhängigkeit. Es reicht für unser Leben, das zu verstehen. Denn das bedeutet, einen geschmeidigen Geist anzunehmen, der auf nichts verweilt, einen offenen Geist, der mit Empathie funktionieren kann, Empathie mit allen lebenden Wesen, mit denen wir die gleichen Bedingungen teilen. Also weniger egoistisch und viel solidarischer mit den anderen zu sein, mit mehr Mitgefühl, mit mehr Wohlwollen zu sein.

Das ist die natürlichen Haltung der Bodhisattvas, die diese Dimension der Existenz realisiert haben. Sie ist ein Träger von wirklichen Werten, die unserem Leben einen Sinn geben.

Wenn du einen wissenschaftlichen Geist hast, kannst du die kosmischen Gesetze untersuchen. Aber da geht es um eine andere Ebene, z.B. um Gesetze der Meteorologie, Gesetze des Blut-kreislaufs, Gesetze der Biologie. Es gibt viele Gesetze. Aber sie funktionieren alle im selben Prozess von wechselseitiger Abhängigkeit und Unbeständigkeit. Es gibt keine Existenz im Universum, von der kleinsten bis zur größten Einheit, vom Atom und bis zur Galaxie, die nicht den Gesetzen der Unbeständigkeit und der wechselseitigen Abhängigkeit unterworfen ist.

Der menschliche Geist liebt es, die Gesetze zu untersuchen, die die verschiedenen Bereiche der Existenz bestimmen, um in der Lage zu sein, sie zu beherrschen. Um die ökonomische Krise meistern zu können, studiert man z.B. die Gesetze der Ökonomie.

Wenn man von der Lehre Buddhas durchdrungen ist, wird man die Dinge untersuchen wollen, die das dazu beitragen, das Leid zu lösen und Gutes um einen herum zu schaffen. Es ist z.B. gut, Medizin, Psychotherapie oder ähnliches zu studieren; also etwas, was wirklich dahin führt, die Probleme der Menschen zu lösen.

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Wenn Leiden eine Krankheit ist und nicht der Normalzustand des Menschen, warum leidet man dann bei der Suche nach sich selbst?

Ist das bei dir so?

Ja, aber nicht nur bei mir.

Wenn du bei der Suche nach dir selbst leidest, liegt dem ein Irrtum zugrunde. Der Irrtum besteht darin, daß du glaubst, daß du etwas ergreifen kannst, das du selbst bist, während du immer du selbst bist. Es ist verrückt zu leiden, um sich selbst zu finden. In keinem Augenblick kannst du jemand anders als du selbst sein. Selbst wenn du leidest und die Frage stellst, bist du ganz genau du selbst. Du kannst nicht dir selbst entkommen. Du bist immer genau du selbst, aber offenkundig immer wieder anders. Du kannst nicht irgend etwas ergreifen, es festhalten und sagen: "Das bin wirklich ich."

Die einzige Antwort auf deine Frage ist also, daß du zu glauben aufgibst, eines Tages etwas ergreifen zu können, das wirklich du bist. Das ist der Sinn unserer Praxis. Sich selbst kennenzulernen bedeutet zu lernen, sich selbst aufzugeben und sich selbst zu vergessen. Abstand zu nehmen von der Idee, dass man etwas ergreifen kann, dass man man selbst ist. Denn unser wahres Selbst ist nicht faßbar. In wechselseitiger Abhängigkeit mit dem Kosmos ist es völlig unbegrenzt, etwas das man nicht ergreifen kann, etwas das keine Grenzen hat, in denen man es ergreifen und festhalten kann.

Die wahre Natur ist keine Natur, nichts Festgelegtes. Daher kannst du nur leiden, wenn du dieses Ich mit solcher Energie suchst. Viele Leute, die in einer spirituellen Praxis engagiert sind, machen das, und manchmal werden sie sogar darin bestärkt. Das kann eine gute Technik sein: Das Koan Nr. 1 ist: Wer bist du? - Du kannst Monate und Jahre darauf verwenden, eine Antwort zu finden. Aber wenn du wirklich auf den Grund der Frage gehst, wirst du loslassen, dann, wenn du dir bewußt bist, daß du das am Ende nicht ergreifen kannst.

In dem Augenblick, in dem man sich wirklich losläßt, gibt man zugleich die Wurzel des Leidens auf. Wenn du aufhörst, dich mit deinem Ich zu identifizieren, gibt es vielleicht noch Leid, aber kein Ego mehr, das leidet. Dann ist das Leid viel leichter. Es ist nicht mehr tiefes Leid.

Aber es kann auch ein neue Form des Leids auftreten, das Leid, das durch Mitgefühl entsteht, durch Empathie mit den leidenden Wesen. Das ist das Paradoxe auf unserem Weg: Man praktiziert und befreit sich immer mehr von den inneren Ursachen seines Leids, aber man wird aufnahmefähiger für das der anderen. Man ist nicht mehr so in seinem Ich eingeschlossen, man hat mehr Mitgefühl mit den anderen, man hat nicht mehr die Tendenz zu leiden, weil man glaubt, daß man irgendwie zu kurz gekommen ist, sondern man leidet, weil man das Leid anderer sieht. Dieses Leid, das man mitempfindet, wandelt man in eine Energie um, die dazu beiträgt, den anderen zu helfen. Negatives Leid ist unnütz, es muß ein Stimulans werden.

 

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