BuddhaWeg-Sangha

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Verblendung
und das KZ Weimar-Buchenwald

 

Die Lehre Buddhas, das Dharma, hat sich von Indien aus in mehr als zweitausend Jahren zunächst in Asien verbreitet, im letzten Jahrhundert hat sie auch Europa erreicht. Im Laufe der Wanderung durch verschiedene Kulturen und Jahrhunderte sah sie sich immer wieder mit anderen Fragestellungen konfrontiert. Die Antworten, die die jeweils Lehrenden auf diese Fragen gaben, haben das Gesicht des Buddhismus in den jeweiligen Kulturen geprägt, haben chinesischen, tibetischen, vietnamesischen, koreanischen, japanischen Buddhismus entstehen lassen. - Auch für den Buddhismus selbst gilt die Lehre Buddhas vom bedingten Entstehen, von der wechselseitigen Abhängigkeit.

Das Bemühen Meister Deshimarus war es, die Buddha-Lehre, wie sie in der Tradition des Zen unterwiesen wird, von den kulturellen Prägungen zu befreien, die sie in Japan angenommen hatte. Ihm ging es darum, ein möglichst ursprüngliches Zen zu unterweisen. – Ich habe bereits von shikantaza, mushotoku und hishiryo gesprochen. – Dabei ging er zurück auf Meister Dogen, der das Zen von China nach Japan gebracht hatte. Dogen seinerseits wies immer wieder darauf hin, dass das Zen, das er unterweise, das wirkliche Dharma Buddhas sei.

Wir bemühen uns auf der einen Seite, der uns überlieferten Praxis treu zu bleiben, sie nicht zu verwässern, auf der anderen Seite leben wir in einer europäischen Kultur, die andere Fragen stellt als die asiatischen Kulturen und daher auch andere Antworten gebe muss.

Historische Entwicklungen werden in unserem Kulturkreis üblicherweise von der Geschichtswissenschaft untersucht, die sich vor allem für die Interessenlagen und Machtverhältnisse interessiert, die zu bestimmten Ereignissen, seien sie national oder international, geführt haben. Es ist nicht Aufgabe des Buddhismus, eine eigene Geschichtsschreibung zu entwickeln, aber die Lehre Buddhas enthält Elemente, die es uns ermöglichen, Ereignisse der Vergangenheit besser zu verstehen.

Aus buddhistischer Sicht wird menschliches Handeln sehr stark von den drei Giften - Gier, Hass und Verblendung - beeinflusst. Aber auch die Gegengifte – Großzügigkeit, Anteilnahme und Weisheit – sind wirksam. Ihre Wirkung entfalten Gifte und Gegengifte sowohl in Gedanken als auch in Worten und Taten.

Das grundlegendste der drei Gifte ist die Verblendung. Verblendung entsteht, weil wir das für wirklich halten, was wir mit unseren Sinnen, zu denen auch das Bewusstsein zählt, wahrnehmen. Aufgrund unserer Wahrnehmung schaffen wir Trennungen und Gegensätze. Wir stellen unser Ich den anderen gegenüber, trennen Subjekt und Objekt und schreiben diesen getrennt wahrgenommenen Objekten eine dauerhafte und selbständige Substanz. – Wir wissen zwar inzwischen, dass unsere Wahrnehmung, die Sonne drehe sich um die Erde, falsch ist, zu einem grundlegenden, existentiellen Zweifel an der Richtigkeit unserer Wahrnehmungen hat dies aber nicht geführt.

Weil wir uns selbst und andere als getrennt sehen, entwickeln wir Gier – wir wollen etwas für uns selbst haben – und Hass – wir wollen etwas auf keinen Fall haben. In milderen Formen wirken diese Gifte als Hinneigung und Ablehnung.

Die Wahrnehmung von Getrenntheit begünstigt es, dass man die Unterschiede hervorhebt, dass die Wahrnehmung von Andersartigkeit das eigene Handeln bestimmt. Zu welchen Konsequenzen dies führen kann, lässt sich hier in Buchenwald sehen.

Der Faschismus hatte sich eine Einheitlichkeit zum Ziel gesetzt, die durch die Ausrottung all dessen erreicht werden sollte, was diese Einheitlichkeit störte. In Buchenwald waren Menschen, zumeist Männer, aus vielen Ländern Europas gefangen, weil sie in einem oder mehreren Punkten als anders wahrgenommen wurden. Vielen von ihnen wurde sogar das Menschsein abgesprochen, sie wurden als ‚'Untermenschen' angesehen. Die Gefangenen wurden schlechter behandelt als die Tiere, die sich die SS hier in ihrem Zoo hielt. Die Vernichtung '‚lebensunwerten Lebens' erfolgte in Buchenwald nicht mit Hilfe von Gaskammern, sondern durch Arbeit.

Ich glaube, uns allen ist dieser Teil der deutschen Geschichte so bewusst, dass er keiner weiteren Erläuterung bedarf.

Aber das Gift der Verblendung, das die Unterschiede hervortreten und handlungsleitend werden lässt, wirkte nicht nur auf Seiten der SS, sondern auch auf Seiten der Gefangenen. Wenn wir tatsächlich die WIRKLICHKEIT sehen wollen, wie Buddha es anregt, müssen wir uns auch diese Seite der Wirklichkeit ansehen. Solidarität gilt oft nur dort, wo man sich nahe steht. So gab es auch unter den Gefangenen selbst eine Hierarchie. Vereinfacht gesprochen: Je höher die Position innerhalb dieser Hierarchie war, umso größer war die Chance, eine Arbeit in Innenräumen, z.B. in der Schreibstube, zu bekommen. Dies wiederum erhöhte die Chance zu überleben.

In den ersten Jahren des Lagers Buchenwald besetzten kriminelle Häftlinge – mit Unterstützung der SS – die Position des Lagerältesten sowie viele Positionen als Kapos, Blockälteste. Ihre Brutalität ihren Mithäftlingen gegenüber stützte die Herrschaft der SS. Später dann übernahmen politische Häftlinge, vielfach Mitglieder der KPD, die Funktionen, die zuvor von Kriminellen eingenommen worden waren. Der Grund: Die Gefangenen wurden in der Industrie, vor allem der Rüstungsindustrie, gebraucht. Übermäßige Brutalität gefährdete eine geordnete Produktion. Die jeweils – mit Unterstützung der SS – mächtigste Gruppe bemühte sich, Gefangenen ihrer Gruppe bessere Lebensbedingungen zu verschaffen.

Homosexuelle standen - wegen ihrer sexuellen Orientierung am unteren Ende der Hierarchie, ebenso z.B. Sinti und Roma, damals ‚'Zigeuner' genannt. Ihre Überlebenschancen waren minimal. – Interessant ist, dass die Gedenksteine für diese Gefangenengruppen erst sehr spät aufgestellt wurden.

Noch später, erst vor ein paar Jahren, wurde ein Gedenkstein für eine andere Gefangenengruppe aufgestellt, für die Frauen, die im Lager als Prostituierte benutzt wurden, übrigens sowohl von den Wachmannschaften als auch von Gefangenen. Trotz der Distanzierung vom Faschismus nach dessen Niederlage hat also die Wahrnehmung von Unterschieden und ihre Bewertung das Lager überdauert.

Im Mahayana widmen wir die Verdienste unserer Handlungen allen Wesen. Dies tun wir auch hier während des Sesshins: In den Widmungs-Versen, die wir morgens nach dem Zazen rezitieren, machen wir keinen Unterschied zwischen Tätern und Opfern. Nur indem wir – in Anerkenntnis der Unterschiede zwischen Tätern und Opfern – über die Unterschiede hinausgehen und die Einheit, das Gemeinsame, aller Existenzen sehen, können wir das leben, was ein früher Text des Zen uns zu leben auffordert: Sandokai, die Harmonie von Vielfalt und Einheit.


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