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ZUHÖREN
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Ich bin rund um die Uhr mit
Menschen auf beschäftigt, die sich sehr benachteiligt fühlen
und auch benachteiligt werden und deren Verhalten dann oft sehr aggressiv
ist. Meine Hauptaufgabe ist das Zuhören. Ich höre hunderte von
Geschichten und versuche, gemeinsame Lösungen bei Problemen zu finden.
Wenn ich nach Hause komme, ist es oft so, dass ich mich fühle wie
trübes, aufgewirbeltes Wasser, also wie Wasser mit Sand durchgewirbelt.
Wenn ich Zazen mache oder mich ausruhe, setzt der Sand sich ab, und das
Wasser ist wieder klar. Aber mein Gefühl ist, dass das, was sich
absetzt, immer mehr wird. Wie kann ich mich davon reinigen? Wenn ich Zazen
mache, bin ich danach klar, aber die Klarheit ist manchmal nach kurzer
Zeit wieder weg, und ich merke, dass das, was sich ansammelt, immer mehr
zunimmt.
Das ist eine schwierige Frage. Es gibt zwei Methoden. Die erste ist das, was sich am Boden gebildet hat, wegzuwerfen. - Ist es möglich, das völlig wegzuwerfen? - Das ist schwierig. Wenn das trübe Wasser in einem Glas wäre, in dem die Ablagerungen immer mehr werden, könnte man alles wegschütten, die Ablagerungen und das Wasser. Die andere Möglichkeit ist, den Sand als Leerheit zu betrachten, ohne Substanz: Es gibt Sand, aber er stört dich nicht. Er hat keine Substanz - wie alle Phänomene des Lebens. Nicht nur die Geschichten, die du den ganzen Tag über hörst, alles, was wir von morgens bis abends erleben, ist wie Sand, alle Phänomene, die durch unsere Sinnesorgane eindringen. Indem man ihre Leerheit beobachtet, kann man sie vorbei ziehen lassen und behält sie nicht bei sich. Es ist wie bei einem Kind, das weint, weil es etwas verloren hat. Da sagt die Mutter: „Ach, das macht doch nichts, das geht vorbei.“ Das ist die andere Lösung. Im Zen empfiehlt man eher, das Shiki soku ze ku des Hannya Shingyo zu praktizieren. Tief verwirklichen, dass es Leerheit ist. Selbst wenn Sand da ist, stört er mich nicht. Im Leben gibt es immer Sand. Im Leben gibt es niemals nichts, es gibt immer Phänomene. Die Frage ist: Welche Wichtigkeit misst man den Phänomenen bei? Welchen Wert gibt man ihnen? Hängt man sich an sie oder nicht? Ich glaube, in deinem Fall geht es noch um etwas anderes. Letztendlich empfängst du den Ausdruck des Leidens der anderen, aber du hast nicht die Macht, diese Leiden an den Wurzeln zu packen. Also bleibt es unbefriedigend. Natürlich hörst du ihnen zu und versuchst Lösungen zu finden, aber die Wurzel wird nicht angepackt. Vielleicht ist dort das Problem. Entweder du begnügst dich damit, oder für diese Menschen muss etwas anderes getan werden. Begnügt man sich damit als Bodhisattva? Schwierig. Es kann nicht ausreichen, nur dem Leiden anderer zuzuhören. Aber es ist gut, das zu tun! Kannon hört dem Leiden der Welt zu. Das ist schon viel. Aber der Bodhisattva hofft, weiter zu gehen und die Wurzel der Leiden zu aufzulösen. Buddha wollte dies tun. Es reichte ihm nicht, sich die Klagen anzuhören. Er hat den Weg gefunden, wie man die Wurzel des Leidens abschneiden kann. In deinem Fall ist das Problem, dass die Leute nicht kommen, um die Wurzel ihrer Leiden anzupacken. Sie suchen keinen Weg, um das Leiden völlig aufzulösen. Ich gehe davon aus, dass ihre Leiden auch einen politischen Aspekt haben. Es geht um Menschen, die einen benachteiligten Stand in der Gesellschaft haben. Da geht es nicht nur um spirituelle Probleme. Das bleibt in dir. Du siehst, dass du machst, was du kannst, es aber nicht ausreicht. Wenn du dich besser fühlen willst, kannst du dir sagen: „Letztlich ist das nichts.“ Oder du kannst deine Grenzen akzeptieren und sagen: „Ich tue, was ich kann. Im Moment kann ich nicht mehr tun. Es bringt nichts, mich zu quälen oder unzufrieden zu sein.“ Oder du sagst: „Es gibt noch etwas anderes zu tun.“ und du trittst auf politischer oder gesellschaftlicher Ebene in Aktion, um etwas in Gang zu bringen, damit diese Probleme gelöst werden. Vielleicht kommt dann bei einigen von ihnen doch ein Moment, wo du ihnen vorschlagen kannst, ins Dojo zu kommen. Vor allem bei Menschen, denen du öfters begegnest. Ich habe schon einen Buddha in meinen Raum gestellt. Bezüglich des Leidens gibt es immer zwei Ebenen. Kannon handelt immer auf beiden Ebenen. Das Leiden ganz konkret zu lösen, heißt zu versuchen, die Ungerechtigkeiten aufzuheben, armen Leuten die Mittel zu geben, damit sie mehr bekommen. Das ist der konkrete, materielle Aspekt der Hilfe. Der andere, tiefere Aspekt besteht darin, den Menschen zu helfen, ihre Sichtweise auf die Dinge zu ändern. Das klingt widersprüchlich, denn wenn man seine Sichtweise ändert, heißt das auch, mit dem zufrieden zu sein, was man hat. Das kann jeder für sich selbst entscheiden. Es ist ein spiritueller Weg. Wenn du natürlich mit Armen zu tun hast, geht es nicht, ihnen zu sagen: „Ihr müsst euch mit dem begnügen, was ihr habt.“ Das ist heikel. Ich hoffe, ich habe dir zwei, drei mögliche Perspektiven aufzeigen
können. Ich glaube nicht, dass es eine einzige Lösung gibt.
Wenn du ein bisschen ruhiger werden willst und nicht so sehr von dem
Sand, der sich im Laufe des Tages angehäuft hat, beeinträchtigt
sein willst, versuche jedes Mal, so gut zu sein, wie du kannst, und
auch zu akzeptieren, dass du nicht allmächtig bist, und dass du
Grenzen hast. |
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