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THERAVADA
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Mitgefühl ist die Essenz der Unterweisung Buddhas, egal welche Schule das auch ist. Das Mahayana hat das Bodhisattva-Ideal entwickelt, aber es bestand bereits im Hinayana. Der Unterschied, der in diesen beiden Strömungen entstanden ist, bezieht sich auf das Nirvana, auf das letztliche Ziel der Praxis. Für die Theravada-Mönche ist es erforderlich, sich von allen Bindungen zu lösen, die dazu führen, daß wir uns auf dieser Erde reinkarnieren, und sich so völlig zu befreien. Und sie helfen den anderen, diese Bindungen ebenfalls abzuschneiden, um die Transmigration zu beenden. Aber das Ziel, sich hier nicht wieder zu inkarnieren,
enthält ein wenig ein Gefühl von Flucht und von Angst vor dieser
Welt der Erscheinungsformen und den Wunsch, das Nirvana, die Welt, die
darüber hinausgeht, zu erreichen. Dabei läßt man alle
Wesen, die leiden und die das Erwachen nicht erlangt haben, hinter sich. Der Mahayana-Bodhisattva tritt nach seinem Leben nicht - wie der Arhat des Hinayana - in das Nirvana ein, sondern bleibt auf der Erde. Er verschiebt die letztliche Befreiung an das Ende der Zeiten. Er verhält sich ein wenig wie der Kapitän eines Schiffes, der als letzter das sinkende Schiff verläßt. Das ist der Unterschied. Natürlich ist in beiden Strömungen Mitgefühl grundlegend. Aber im Mahayana geht man damit so weit, daß man auf die eigene Befreiung verzichtet. In diesem Verzicht liegt die Verwirklichung des Nirvana hier und jetzt. Denn wirkliche Befreiung liegt darin, sich sogar von dem Gedanken zu befreien, sich selbst retten zu wollen. Daher gibt es keinen Unterschied zwischen Hinayana und Mahayana, aber das Mahayana geht bis ans Ende. Im Mahayana erwartet man das Nirvana nicht nach seinem Tode, sondern hier und jetzt in einer Praxis, die keine Trennung schafft zwischen der Übung und der Befreiung. Denn es gibt keine andere Befreiung, als von seinem Egoismus befreit zu werden. Und der Wunsch nach dem letzten Heil kann die letzte Zuflucht des Egoismus sein. Dann stellt das Mahayana eine Revolution im Buddhismus da, denn schließlich ist das Hinayana die ältere Schule. Buddha sprach im Laufe seiner Unterweisung unterschiedliche Gruppen an: Im Mahayana sagt man, daß die Unterweisung, die an die Schüler gegangen ist, die das Theravada bilden, der Geisteshaltung der Zuhörer entsprach, die damals die Unterweisung Buddhas hörten, daß diese Unterweisung aber eine tiefere Lehre enthielt, die sich erst in der Folge entwickelt hat. Das ist interessant: Es zeigt, daß in der buddhistischen Tradition die Unterweisung nicht festgelegt ist. Sie ist keine Offenbarung für immer und ewig. Es gibt eine grundlegende Unterweisung, eine von Buddha unterwiesene Praxis. Die hat sich wie ein Samenkorn entwickelt, aus dem etwas herauswächst. Der große Baum des Mahayana ist in der Essenz nicht anders als der etwas kleinere Baum des Theravada. Ich praktiziere Zazen, ohne darüber nachzudenken, ob ich dem Mahayana oder Hinayana angehöre. Da hast du völlig recht. In der wahren Tradition der Unterweisung des Zen, wie sie von Meister Dogen weitergegeben wurde, ist es wichtig, kein Sektierertum zu entwickeln und zu sehen, daß wir alle die Unterweisung Buddhas praktizieren. Die Unterweisung des Theravada hat viele Verdienste, und es ist wichtig, sie zu studieren. Im Theravada befaßt man sich sehr mit der Ethik, und meiner Meinung nach ist die Ethik sehr wichtig. Auch erinnert man immer wieder an die Vier Edlen Wahrheiten, die grundlegende Unterweisung Buddhas. Ich glaube, daß die Vier Edlen Wahrheiten sehr wichtig sind, denn wenn man sich des Leidens, seiner Ursachen und der Möglichkeit, es zu lösen, nicht bewußt wird, verliert man völlig die Motivation zu praktizieren. Es ist also sehr wichtig, zur Grundlage der Theravada-Unterweisung zurückzukehren. Aber man sollte die Unterweisung nicht begrenzen, keinen sektiererischen Geist entwickeln. Die Unterweisung Buddhas ist sehr weit, sie wendet sich an sehr unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Es ist nicht nötig, nur einen Aspekt zu sehen, sondern man sollte die unterschiedlichen Aspekte aufnehmen und in der Lage sein, sie weiterzugeben, um so den Menschen in ihren Schwierigkeiten besser helfen zu können.
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