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Fragen und Antworten

 

MUSHOTOKU

 

Wie passen Lebensziele und absichtsloses Tun zueinander?

Ohne Absichten, mushotoku zu sein, bezieht sich auf die Momente, in denen man Zazen praktiziert. Wenn man Zazen praktiziert muss man sich hier und jetzt völlig auf Zazen konzentrieren. Wenn man Zazen macht und sich dabei denkt, man könne dank Zazen etwas erreichen, ist der Geist geteilt. Man sitzt in Zazen und denkt gleichzeitig an das Satori, an die Erleuchtung oder sonst etwas, das zu einem Ziel wird, zu einem Grund, weshalb man sitzt. Durch diesen dualistischen Geist, den Geist, der geteilt ist zwischen der Praxis hier und jetzt und dem Ziel, das man verfolgt, wird die Praxis zu einem Mittel. Wenn die Praxis zu einem Mittel für etwas wird, kann sie nicht mehr das wahre Erwachen werden. Dann folgt die Praxis dem System des Egos, das mit seiner Gier mittels der Praxis etwas erreichen will. Das verhindert, dass die Praxis eine wahre Praxis des Erwachens, der Befreiung wird.

Ausgehend von Mushotoku, der absichtslosen Praxis, erscheint das tiefe Gelübde des Mit-gefühls des Bodhisattva. Gerade weil es eine Praxis des Erwachens und der Befreiung ist, wird man von den Einschränkungen des Egos befreit und wünscht sich, diese Praxis mit anderen zu teilen. Aus Zazen heraus erscheint der Geist des Mitgefühls ganz natürlich. Dieses Mitgefühl bringt uns dazu, die Gelübde abzulegen und den Wunsch zu haben, anderen zu helfen. Dies ist ein ganz normales Ziel, aber während Zazen sollte man nicht daran denken.

Ein Tenzo auf einem Sesshin hat zum Beispiel die Aufgabe, für die Sangha zu kochen. Aber wenn er kocht, muss er diese Aufgabe, dieses Ziel vergessen. Er sollte sich nur auf die Küche konzentrieren. Das gilt auch für einen Musiker. Ein Musiker versucht, ein Musikstück auf die beste Weise zu interpretieren. Aber wenn er während des Musizierens anfängt, darüber nach-zudenken, wie er am besten spielt, macht er bestimmt Fehler.

Am Anfang ist es normal, ein Ziel zu haben, das unserem Leben eine Richtung und unserem Handeln einen Sinn gibt. Es ermöglicht uns, unsere Energien zu bündeln, um Zazen zu praktizieren, mit den anderen und für die anderen. Aber wenn man praktiziert, muss man das Ziel vergessen und sich nur noch auf die Praxis konzentrieren.

Wenn ihr hier auf dem Sesshin seid, habt ihr zu Beginn das Ziel gehabt, an dem Sesshin teilzunehmen. Aufgrund dieses Ziels habt ihr euch auf den Weg gemacht und seid hierher gekommen. Aber sobald ihr die Schwelle übertretet, müsst ihr das Ziel vergessen, um euch nur noch auf die Praxis konzentrieren zu können. Sonst wird die Ausführung durch das Ziel behindert.

Vom Bogenschießen ist bekannt, dass man daneben schießt, wenn man sich in dem Moment des Schießens daran klammert, unbedingt treffen zu wollen. Das Ziel erzeugt eine Anspannung, eine Dualität im Geist und auch eine Angst zu versagen. Das stört zwangsläufig die Konzentration.

Es ist nötig, ein hohes Ziel zu haben. Meister Deshimaru sagt immer, gewöhnliche Leute hätten eine Menge kleiner Wünsche und Ziele in ihrem Leben, aber der Bodhisattva habe nur einen einzigen großen Wunsch, ein einziges Ziel: allen Wesen zu helfen ihre Leiden aufzulösen.

Auch der Bodhisattva ist nicht ohne Wunsch und Ziel. Er hat ein Ziel, aber um dieses Ziel zu erreichen, muss er das Ziel vergessen. Wenn man das Ziel hat, anderen zu helfen, kann man in dem Moment, in dem man mit einer Person zusammen ist, nicht ständig darüber nachdenken, dass man ihr helfen will. Das würde stören. Die Menschen merken es auch und nehmen die Hilfe nicht an, weil sie das Ziel, die Anspannung zu sehr spüren, das ist nicht gut. Es ist am Ende besser, mushotoku zu sein.

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Du hattest davon gesprochen, dass unser Ego eine große Rolle spielt, wenn wir anfangen zu praktizieren, dass wir häufig mit unserer Übung irgendwelche Sachen bezwecken und dass dann irgendwann ein Punkt kommt, wo wir nicht mehr so weitermachen können wie bisher, sondern einfach diese Konstrukte wegfallen lassen und Zazen folgen. Ich möchte wissen, ist das ein Weg oder gibt es einen bestimmten Punkt? Wie hast du es bei dir persönlich erlebt? Wie kann ich es schaffen, mushotoku zu werden?

Indem du feststellst, dass du es nicht anders machen kannst. Wenn du nicht mushotoku sein willst und fortfährst, mit viel Anstrengung und Willenskraft zu praktizieren, um ein Ziel zu erreichen, egal welches auch immer, wirst du sehen, dass du dieses Ziel nicht erreichst und dich nur erschöpfst. Es führt dich letztlich zum Gegenteil von dem, was du in der Tiefe suchst, indem du dem Weg folgst.

Selbst wenn ich sage, dass man seine Haltung ändern soll und aufhören soll, ein Ziel zu verfolgen, meine ich, dass man diese Veränderung nur vollziehen kann, wenn man erst in die andere Richtung gegangen ist und festgestellt hat, dass es da nicht weitergeht. Jeder muss durch sich selbst verstehen. Erst wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass die willentliche Praxis, die Praxis der Anstrengung, die Praxis mit einem Ziel nicht funktioniert, kann man in einem bestimmten Moment loslassen.

Du brauchst mir nicht zu glauben. Ich sage nur, wahrscheinlich wird es so geschehen. Ich glaube, dass jeder diese Erfahrung machen muss. Letztlich ist es das Leben, die Praxis selbst, die uns zu verstehen gibt, dass man gar nicht anders sein kann als mushotoku. Egal, welche Energie man aufbringt, um in eine andere Richtung zu gehen: Es wird zu nichts führen, außer zur Ermüdung. Ob man es will oder nicht, am Ende kann man nicht anders als mushotoku sein. Das Risiko ist allerdings, dass man vorher mit der Praxis aufhört. Daher spreche ich das an, um zu vermeiden, dass Leute, wenn sie mal in einer Sackgasse angelangt sind, nicht denken, Zen sei nichts für sie und damit aufhören.

Du fragst, wie es bei mir passiert ist. Bei mir ist es nicht so gewesen. Ich rede eher allgemein darüber. Bei mir war es so, dass ich intensiv einen Sinn im Leben suchte, bevor ich mit Zazen anfing. Es war ein richtiges Koan für mich, wie eine Besessenheit. Ich habe mich sehr angestrengt, ich habe meine Willenskraft, mein Bewusstsein, meine ganze Anstrengung in diese Richtung benutzt.

Als ich das erste Mal Zazen machte, habe ich sehr schnell verstanden, ganz plötzlich, dass all das gar nicht notwendig war, dass all meine Bemühungen nicht notwendig waren und es überhaupt nicht eines Sinnes bedarf, um zu leben, keines Sinns des Lebens. Das Ziel, das ich damals verfolgte, erschien mir auf einmal völlig sinnlos. Man könnte sagen, dass ich von der Dimension des Nicht-Objekts des Zazen getroffen war. Einfach in Zazen zu sitzen reichend. Man braucht nichts anderes. Das hat mich sofort beeindruckt.

Ich kann nicht sagen, dass ich mit einem Ziel praktiziert habe. Ich wusste nicht einmal, was Zazen war, als ich mich zum ersten Mal hingesetzt habe. Ich hatte den Weg nicht studiert, keine Bücher über Buddhismus gelesen. Als ich mich in Zazen setzte, erwartete ich nichts Bestimmtes, denn ich wusste nicht einmal, was ich gerade machte. Man hatte mir einfach gesagt: „Du setzt Dich hin, konzentrierst Dich auf die Haltung und die Atmung und lässt Deine Gedanken vorüberziehen.“ Meine Einführung in Zazen hat 15 oder 20 Sekunden gedauert. Ich hatte überhaupt keine Zeit, Ziele aufzubauen, Vorstellungen über Satori, darüber, was man durch Zazen erlangen müsste. Ich hatte keinerlei Idee. Man hat mich direkt in die Praxis geworfen.

Jetzt, wo ich darüber spreche, denke ich, dass das wahrscheinlich die beste Methode gewesen ist. Heutzutage gibt man sich viel Mühe, hält Vorträge und erzählt, wozu Zen gut ist. Die Leute, die dann ins Dojo kommen, haben jede Menge Vorstellungen über Zen, von denen sie glauben, dass sie Wirklichkeit werden. Statt ihnen zu helfen, hat man eher Hindernisse geschaffen. Das Problem ist, dass man nicht alle Bibliotheken schließen kann. Alle Informationen sind heutzutage verfügbar. Die wenigsten Menschen finden sich - wie ich - auf einmal in einem japanischen Tempel wieder und sitzen in Zazen, ohne zu wissen, was sie da machen. Es ist selten, die Erfahrung von Zazen machen zu können, ohne einen Gedanken im Hinterkopf zu haben, ohne ein Ziel.

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Mushotoku auf dem Kissen finde ich sehr einfach. Aber in der Küche und im normalen Leben fällt es mir schwer. Ich habe einen Termin, etwas muss fertig werden. Ich habe Kinder, ich habe Kollegen, ich habe Erwartungen.

Bist du es, der etwas von seinen Kollegen erwartet, oder erwarten sie etwas von dir?

Ich. Deshalb finde ich es sehr schwer im Alltag, die Mushotoku -Haltung zu praktizieren.

Sei so weit wie möglich mushotoku. Hundertprozent ist nicht möglich. Es ist ein Irrtum zu glauben, man sei nicht mushotoku, wenn man ein Ziel hat. Der eigentliche Kern deiner Frage ist, dass man im täglichen Leben handelt und dass man, wenn man handelt, ein Ziel hat. Hat man kein Ziel, braucht man nicht handeln, dann macht man nichts. Wenn man etwas macht, zum Beispiel in der Küche arbeiten, hat man das Ziel, für sich selbst oder für andere eine Mahlzeit zuzubereiten. So gibt es gezwungener-maßen ein Ziel in der Handlung. Auch wenn man ohne Ziel handeln möchte, hat man ein Ziel, nämlich ohne Ziel zu sein.

Handlungen weisen immer in eine Richtung und haben ein Ziel. Das ist normal. Sie sind nicht das Gegenteil von mushotoku. Wichtig ist nur, dass die Ausrichtung der Handlung nicht egoistisch ist, sie darf nicht nur unserem eigenen Ego folgen. Sonst könnte man auch denken, dass das Praktizieren der vier Gelübde der Bodhisattvas nicht Mushotoku sei. Man könnte dann sagen, Bodhisattvas seien nicht mushotoku, weil sie alle Bonnos auflösen, das Erwachen verwirklichen und alle Dharmas verstehen wollen. Dennoch sind Bodhisattvas mushotoku, sonst wären sie keine Bodhisattvas. Sie handeln aus Mitgefühl mit allen Wesen.

Wenn du Tenzo oder Küchenassistent bist, hast du das Ziel, die Mahlzeit zu einem festgelegten Zeitpunkt zubereitet zu haben. Das ist mushotoku. Die Mahlzeiten für andere zuzubereiten, ist mushotoku. Das ist normal, das ist deine Aufgabe.

Wenn du dich aber an dein Aufgabe klammerst und der beste Tenzo sein willst, wenn du dir besondere Zubereitungen ausdenkst, damit dir alle sagen: „Du bist der beste Tenzo! Bei dir schmeckt es am besten!“, dann ist das nicht mushotoku, weil du einen Gewinn für dich erwartest. Du erwartest etwas für dein Ego. Mushotoku ist, wenn du handelst, um allen Wesen zu helfen. Auch wenn du denkst: „Ich werde jetzt allen Wesen helfen, um viele Verdienste zu erwerben und um das Nirvana zu erreichen“, handelt es sich nicht um Mushotoku. Zazen machen, um ein persönliches Erwachen zu erlangen, ist ebenfalls nicht mushotoku. Buddha wollte das Erwachen erlangen, aber nicht nur für sich selbst, sondern um die ganze Menschheit zu retten, um sie vom Leiden zu erlösen. Das ist mushotoku.

Aber selbst wenn man ein selbstloses, großzügiges Ziel hat, muss man in dem Moment, in dem man handelt, dieses Ziel vergessen. Denn letztlich stört es die Handlung. In dem Moment, in dem man handelt, darf man sich nur auf die Handlung konzentrieren. Wenn man Essen kocht, kocht man nur. Natürlich muss man die Uhr im Auge behalten, damit das Essen nicht zu spät fertig wird, aber man darf der Handlung keine Gedanken hinzufügen. Es ist besser, einfach eins mit der Handlung zu sein.

Und gegebenenfalls das Ziel ändern?

Wenn man erkennt, dass die Handlung einen egoistischen Zweck hat oder wir Anerkennung oder Verdienste erwarten, ist es besser, die Handlung aufzugeben. Oder den Geist zu ändern und mit der Handlung weiterzumachen. Das ist eine innere Reue, ein Fallenlassen.

Aufgeben, fallenlassen, mushotoku sein, ist schwierig. Es gibt sogar Menschen, die sagen, es sei absolut unmöglich. Es ist schwer, mushotoku zu sein, weil es gegen unsere selbstsüchtigen Konditionierungen geht. Man sagt sich: „Es lohnt sich gar nicht, mushotoku zu sein, das schaffe ich nie!“ und verfolgt weiter seine egoistischen Ziele. Aber wenn ihr gut beobachtet, was in eurem Leben geschieht, werdet ihr erkennen, dass das Leben letztlich noch viel schwieriger wird, wenn man nicht mushotoku ist.

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