BuddhaWeg-Sangha

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Fragen und Antworten

 

MITTELSCHICHT

 

Du hast gesagt:

"Ich denke, wir sind im allgemeinen ein bisschen wie Abhängige. Wir klammern uns an den Zustand des Mangels, weil uns dieses Mangelgefühl motiviert, etwas zu tun. Für viele Leute besteht der Sinn des Lebens darin, diesen Mangel aufzuheben. Sie haben ständig etwas zu tun, weil sie ständig mehr Mangel erzeugen. Das beschäftigt sie. Das beschäftigt uns alle."

Deshalb meine Frage: Ist das Zen nicht zu großen Teilen eine Unterweisung für die Mittelschicht? In einer Welt, in der 50.000 Kinder pro Tag verhungern, in einer derartigen Weise über Bedürfnisse und Nicht-Bedürfnisse zu reden, spricht natürlich die Mittelschicht an, die ausreichend hat.

Wird nicht der andere Aspekt zu wenig betont? - Schweigen hilft eigentlich immer den Unterdrückern und nicht den Unterdrückten.

Ab dem Moment, ab dem uns die Zazen-Praxis von unseren Neurosen heilt, ab dem Moment, wo man nicht mehr ständig Bestätigung braucht und nicht mehr so an seinem Ego hängt, ist man offener für Mitgefühl anderen gegenüber. Wenn man z.B. in einem reichen Land lebt, muss man, um Mitgefühl und Empathie für diejenigen zu haben, die vor Hunger sterben, bereits eine gewisse innere Verfügbarkeit haben. Man muss innerlich frei sein, nicht mehr zu sehr mit seinen egoistischen Wünschen beschäftigt. Sonst ist es einem egal, wenn die anderen verhungern, solange man selbst Anerkennung, Macht …

… und das Satori …

… erhält. - Ja, auch das Satori. Alles, was für uns, für unser Ego angenehm ist. Vergiss nicht, dass in der Tiefe - selbst wenn sich immer mehr Leute humanitären Problemen widmen, wenn sich ein Bewusstsein für den Hunger in der Welt entwickelt, - eines der großen Hindernisse für diese Bewusstwerdung der geistige Zustand jedes einzelnen ist. Z.B. erzeugt die Nachfrage in den reichen Ländern eine bestimmte ökonomische Dynamik, die ein Wirtschaftssystem stützt, das arme Länder immer ärmer macht. Das ist nicht unabhängig von der Art und Weise zu denken und zu fühlen.

Das ist der Grund, warum ich nach der Unterweisung gefragt habe. Meine Frage ist: Geht die Unterweisung nicht zu wenig auf diese Aspekte ein?

Vielleicht.

Ich bin völlig überzeugt, dass genug auf der Welt vorhanden ist. Es ist nur eine Frage der Verteilung.

Wenn es falsch verteilt ist, dann wegen eines verallgemeinerten Egoismus. Die Wurzel ist, eine Dynamik zu entwickeln, in der die Leute diesen verallgemeinerten Egoismus in Frage stellen. Bisher wird - abgesehen von den Religionen, die den Egoismus kritisieren - auf der gesellschaftlichen Ebene, insbesondere vom Liberalismus, der Egoismus als das angesehen, was Wohlstand für alle herbeiführt. Das ist die Ideologie seit zwei Jahrhunderten. Die muss man in Frage stellen.

Das schlimme ist, dass selbst in Bewegungen, in denen Menschen sich mit einem großzügigen Geist engagieren, um den Notleidenden zu helfen, sich wieder Machtstrukturen aufbauen.

Nachdem ich mit Zazen angefangen hatte  und ich noch keine genaue Vorstellung davon hatte, wohin mich die Praxis bringen würde, war das der Punkt, der mich am meisten beeindruckte. Mir wurde klar, dass alle Anstrengungen, die Menschen aufgebracht haben, um Revolutionen zu machen, um mehr Gerechtigkeit herbeizuführen, um die Welt zu ändern, zum Gegenteil dessen geführt haben, was diese Menschen angestrebt haben. Für mich ist die Grundlage jeder gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Revolution die innere Revolution. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Marx glaubte. - Ich hatte eine zeitlang große Sympathien für die Ideen von Marx, für die Idee, dass der Geisteszustand nur von wirtschaftlichen Zuständen abhängt und dass es lediglich erforderlich sei, die wirtschaftlichen Zustände zu ändern. Aber das ist absolut blind, weil die wirtschaftlichen Zustände vom Geist abhängen.

Aber wenn du auf die 25-30 Jahre zurückschaust, fehlt in der Unterweisung nicht dieser andere Teil - zum politischen Engagement, klare Aussagen z.B. zur sozialen Ungerechtigkeit?

Vielleicht. Ich glaube aber, dass das in der Unterweisung implizit enthalten ist. Jeder muss aus der Unterweisung heraus Stellung beziehen. Die Unterweisung ist so klar, dass die Verlängerung dieser Unterweisung nur eine Änderung auf der ökologischen, sozialen und ökonomischen Ebene sein kann. Das kann man oft beobachten. Sieh dir deine eigene Entwicklung an. Das manifestiert sich darin.

Ich glaube nicht, dass Zen sich - wie die Kirchen - einmischen und Richtlinien in die eine oder andere Richtung angeben sollte. Viele Kirchen haben dies getan. Sie haben das Engagement gepredigt und eine gesellschaftliche Ideologie geformt. Ich glaube, dass das nicht die Aufgabe einer spirituellen Unterweisung ist. Die spirituelle Unterweisung soll die Grundlage schaffen. Anschließend kann jeder sich frei engagieren. Wenn eine Bewegung, die eine spirituellen Unterweisung trägt, zu weit in Richtung gesellschaftlicher Ideologie geht, wird sie sich in jeder Art von Widersprüchen verfangen und ihre anfängliche Reinheit verlieren. Ich habe das in vielen Fällen gesehen und glaube nicht, dass das gut ist.

Jeder soll zum Zen kommen können, ohne sich zu sagen: „Ach, Zen ist so oder so. Sie haben diese oder jene soziale oder politische Orientierung“. Zen muss völlig offen sein und darf nicht ideologisch markiert werden. Es ist wichtig, dass Christen, Moslems, Juden kommen können, Linke, Rechte, Sozialisten, sogar Rechtsextremisten. Alle sollen zum Praktizieren kommen können. Die Praxis selbst transformiert die Leute und sie ziehen dann daraus die Konsequenzen und engagieren sich freiwillig.

Vielleicht hätte man in 30 Jahren eine Bewegung ‚Engagiertes Zen’ entwickeln können. Wenn wir das getan hätten, hätten wir vielleicht heute ein paar Hundert Militante und ab und zu Artikel in der Zeitung, Demonstrationen. Wir wären zufrieden, weil wir sichtbar wären: Wir manchen etwas, um das Leid auf der Welt zu verringern. Aber das ist nicht unbedingt wirkungsvoll.

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