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Fragen und Antworten

 

MEISTER

 

Sind die Zen-Meister unfehlbar? Was bedeutet es, einem Meister zu folgen? Was charakterisiert die Meister-Schüler-Beziehung?

Hast Du das Bedürfnis, einem unfehlbaren Meister zu folgen? Ein Zen-Meister ist keine Vollkasko-Versicherung. Er ist ein bisschen weniger fehlbar als jemand anderes. Er muss ein paar Längen Vorsprung haben.

Die Meister-Schüler-Beziehung hat viele Aspekte. Grundlegend ist das Vertrauen, dass der Meister einem bei dem Gehen des Weges helfen kann. Dieses Vertrauen darf nicht blind sein, sondern muss erhellend sein, um zu ermöglichen, sich selbst besser zu verstehen und Fallen auf dem Weg zu vermeiden und nicht in ihnen gefangen zu bleiben. Es geht nicht darum, sich jemand anderem völlig hinzugeben. Manche träumen davon, denn das ist sehr erholsam für den Geist. Wichtig in der Meister-Schüler-Beziehung ist es, gemeinsam die Täuschung zu erhellen, einschließlich der Täuschung, die sich in der Beziehung einstellt. Das ist viel kostbarer als ein Gegenüber zu haben, das vermeintlich vollkommen ist, alles verstanden hat, mit allen Tugenden ausgestattet ist und ein zu reproduzierendes Beispiel ist. Dieser Traum, jemanden zu finden, der unserem Ideal entspricht, kann uns daran hindern, tief in uns selbst zu schauen.

Von der Meister-Schüler-Beziehung zu sprechen, führt dazu darüber zu sprechen, was ein Meister und was ein Schüler ist. Um zu erläutern, was ein Meister ist, kann ich mich auf Meister Deshimaru beziehen oder auf Meister Dogen, der ausführlich darüber geschrieben hat, was ein Zen-Meister sein muss.

Meister Deshimaru verkörperte wirklich das, was er unterwies, aber zu gleich war er keine besonders ideale Figur. Manche haben ihn sehr idealisiert. Ich selbst stand ihm sehr nahe, war sehr vertraut mit ihm und sah ihn in all seiner Menschlichkeit, mit seinen Schwächen, seinen Anhaftungen, seinen Ängsten. Das machte ihn nahe und menschlich. Aufgrund dessen liebte ich ihn um so mehr und wollte ihm folgen. Er hatte die große Aufrichtigkeit, seine Fehler und Täuschungen nicht zu verbergen, sondern zeigte uns, wie man sie erhellt. In der Vertrautheit hatte er die Fähigkeit, zu zeigen, wie er seine Täuschung entdeckte. Er war sich selbst gegenüber sehr ironisch. Das war sehr anregend und gab Vertrauen. Ich habe die idealen Meister, die z.B. von Arnaud Desjardins beschrieben wurden, nie besonders geschätzt. Diesen idealen Figuren fehlte ein bisschen Menschlichkeit, und sie laufen Gefahr, einen zu großen Graben zwischen einem selbst und dem Weg zu schaffen, dem man folgen muss.

Meister Deshimaru hatte – mit viel Energie – eine große Fähigkeit, die Menschen dazu zu bringen, zu praktizieren. Für Meister Dogen war diese Fähigkeit wesentlich für einen Zen-Meister. Meister Deshimaru kam täglich, um Zazen zu praktizieren, selbst wenn er müde war. Das hat uns sehr beeindruckt.

Für Meister Dogen war es wichtig, dass ein Zen-Meister die Unterweisung eines wahren Meisters bekommen hatte und er Teil dieser Linie war. Meister Deshimaru war so von der Unterweisung Kodo Sawakis geprägt, dass man den Eindruck hatte, ihn zu kennen. Durch Meister Deshimarus Unterweisung ist er lebendig geworden. Er zeigte uns die anregendsten Seiten von Kodo Sawaki, aber er zeigte uns auch auf sehr lustige Weise seine Täuschungen. Er idealisierte seine Funktion als Meister nicht sehr.

Die Weitergabe von Meister an Schüler muss zertifiziert, bestätigt, sein. In unserer Tradition sind dies die grundlegenden Eigenschaften und sie implizieren die Natur der Meister-Schüler-Beziehung.

Viele fragen sich, was ein Meister ist, aber man muss sich auch fragen, was ein Schüler ist! Viele Praktizierende machen sich Illusionen über das Schüler-Sein. Ab und zu habe ich diese enttäuschende Erfahrung gemacht. Die Menschen wollen – ganz aufrichtig – Schüler eines Godos sein, aber zugleich wollen sie bestätigt werden. Manchmal ist das das Wichtigste. Das heißt, die Wahl fällt auf den Godo, der das bekräftigt, was die Person denkt. Wenn der Godo dann etwas davon Abweichendes lehrt oder wenn er den Schüler kritisiert, wird er zu einem schlechten Meister. Diese Täuschung kommt häufig vor.

Ein Schüler muss aufrichtig und mit viel Enthusiasmus und Engagement dem Weg des Meisters folgen, muss mit ihm mit Vertrauen gehen, aber auch akzeptieren, in Frage gestellt zu werden. Wenn ein Meister nie den Schüler stört und seine Zeit damit verbringt, ihn zu bauchpinseln, macht er nicht seine Arbeit als Meister. Ein Meister muss auch ein Störenfried sein, und der Schüler muss akzeptieren, ins Wanken gebracht zu werden. Sonst ist er, wie Arnaud Desjardin sagt, ein Schülerlehrling.

Der Schüler muss auch ermessen, was es heißt, dem Weg zu folgen. Dem Weg zu folgen heißt, ihn im Leben zuerst kommen zu lassen, wie wenn man Mönch wird. Der Weg ist keine Ergänzung in einem Ensemble von Dingen, die unser Leben ausmachen. Es muss eine Umkehrung der Prioritäten geben. Sonst ist man auf dem Holzweg. Der wirkliche Geist des Weges ist es, all das in Frage zu stellen, was man bisher gedacht hat, und der Praxis des Weges absoluten Vorrang zu geben. Der Rest wird sich dann darum herum organisieren, denn man verlässt weder Familie noch Beruf, sondern wechselt die Perspektive: Die Praxis des Weges mit einem Meister wird eine Priorität.

 

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Kann ein Zen-Meister außerhalb des Zazen bewusst zwischen der alltäglichen Wahrnehmung und der Wahrnehmung aus Ku heraus wechseln?

Nein, das geschieht unbewusst. In der Art und Weise, wie man die Dinge sieht, sind immer beide Sichtweisen enthalten, die dualistische, relative Sichtweise, in der es Gegenstände gibt, die eine wirkliche Existenz haben, Gegenstände, Wesen, Menschen, mit denen man in einer wirklichen Beziehung steht und zur gleichen Zeit unter der Oberfläche dieses relativen Bewusstseins die Wahrnehmung, dass dieses Wesen oder dieser Gegenstand in Wirklichkeit keine Substanz hat, Ku. - Nicht nur der andere, ich auch. Alles, was sich manifestiert, ist in der Tiefe Ku. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht existiert.

Ich bestehe, Nagarjuna folgend, sehr auf dem Weg der Mitte. ‚'Weg der Mitte’ bedeutet, dass du existierst, dass ich existiere und dass es zugleich nichts Substanzielles in dir und mir gibt. Wir leben völlig in der Unbeständigkeit und werden eines Tages wieder zu Staub werden - ich möglicherweise vor dir. Mit dieser Sichtweise ist es möglich, die anderen als tatsächliche Wesen zu sehen, nicht als Phantome, sich aber zugleich nicht an die anderen und auch nicht an sich selbst zu klammern.

Wenn ein Bodhisattva anderen helfen möchte, muss er die relative Sicht haben und mit viel Empathie die Wesen wahrnehmen, die in ihren Täuschungen leiden, und zugleich die Täuschung wahrnehmen, die das Leiden verursacht, dass wir nämlich die Leerheit nicht wahrnehmen. - Deshalb heißt es im Diamant-Sutra, dass ein Bodhisattva, wenn er glaubt, dass es wirklich Wesen gibt, denen er helfen kann, kein Bodhisattva ist. Warum? Weil er sich an die Vorstellung eines Egos klammert. Das lässt ihn glauben, dass es wirklich Wesen zu retten gibt. Der Bodhisattva muss also immer zugleich die Wesen und die Leerheit sehen. Nur so kann er in der Tiefe helfen.

Also geht es nicht darum, das eine und dann das andere zu sehen, sondern im Grunde sieht der Meister das gleichzeitig?

Wenn es nicht völlig gleichzeitig ist, ist es zumindest ein sehr schneller Wechsel vom einen zum anderen.

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Ich habe einen Freund, der viel Yoga praktiziert. Ich habe den Eindruck, dass die Beziehung, die er zu seinem Meister hat, bewirkt, dass er abhängig wird. Nach dem, was er mir erzählt hat, verhalten sich die meisten Schüler so. Ich habe ihm geantwortet, dass aus meiner Sichtweise der Meister nicht dazu da ist, um die Leute von sich abhängig zu machen, sondern um sie unabhängig von ihm zu machen, dass ein guter Meister sogar in der Lage sein muss zu sagen: „Schaut euch mal woanders um!“ und die betreffende Person nicht festhält. War meine Antwort gut? Was kann ich der Person wirklich antworten?

Deine Antwort war gut. Aber sie reicht nicht aus.

Für mich ist völlig klar, dass ein Meister nicht in einem Machtmodus funktionieren kann, d.h. es kann nicht darum gehen, Macht über andere auszuüben. Aber unter den ‚Meistern’, den Gurus finden sich oft Leute, die das Bedürfnis haben, Einfluss auf andere auszuüben, so, also wäre es notwendig, damit sie sich selbst bestätigen. Das ist eine der großen Fallen des Egos. Aber weil viele Menschen einen schwachen Geist haben und sehr froh sind, wenn andere ihnen Verantwortung abnehmen, findet diese Art von Individuen immer Schüler.

Nachdem man diesen täuschenden Aspekt der Meister-Schüler-Beziehung kritisiert hat, muss man aber auch fragen: Was hat der Meister als Erfahrung realisiert? Was praktiziert er? Was gibt er den anderen weiter? Das ist sehr wichtig. Das ist es, was den Meister ausmacht.

Für mich besteht die Funktion eines Meisters darin, eine Praxis weiterzugeben, die es einem ermöglicht, sich von jeder Form der Abhängigkeit zu lösen, einschließlich der Abhängigkeit von einem Meister. - Aber in einer ersten Zeit muss natürlich eine Beziehung da sein. Sonst kann keine Weitergabe stattfinden. Diese Beziehung beinhaltet eine bestimmte Art von Abhängigkeit. Dogen hat von Katto gesprochen, der Wechselbeziehung zwischen Meister und Schüler, die der Beziehung einer Glyzinie zu dem Träger ähnelt, um den herum sie sich windet. Wenn eine zu große Distanz zwischen Meister und Schüler besteht, ist es sehr schwierig, eine Erfahrung weiterzugeben. Eine Beziehung ist notwendig. Es muss eine Beziehung von Vertrauen und Respekt sein, auf beiden Seiten.

Aber das wichtigste, was du fragen musst, ist: Was unterweist dein Meister. Welche Unterweisung gibt dieser Meister? – Die Lehre, die er weitergibt, macht den Meister aus, nicht seine psychologische Macht. Die psychologische Macht, die er über andere ausübt, ist eher ein parasitärer Effekt der Beziehung.

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Muß jemand, wenn er sich mit Zen beschäftigt, unbedingt einen Lehrer haben? Und wenn ja, wie kann ich diese Beziehung zwischen Lehrer und Schüler verstehen?

Ja, es ist wirklich notwendig, einen Lehrer zu haben. Manchmal benutzt man das Wort ‘Meister’. Aber bezüglich des Wortes Meister sind viele Mißverständnisse möglich. Ein Anfänger, eine Anfängerin muss in der Praxis geleitet werden. Auf der anderen Seite kann der Meister, der Lehrer, nichts an Stelle des Anfängers machen. Er kann nur den Weg der richtigen Praxis zeigen und zu verhindern suchen, daß der Schüler in Einbahnstraßen gerät oder sich Illusionen über seine eigene Praxis macht.

Weil man in der Praxis von Zazen sich selbst gegenüber sitzt, kann man sich leicht täuschen. Man kann Meinungen, Vorstellungen bezüglich Zen bilden und das für die Erleuchtung, für das Satori nehmen. Das kommt vor. Wenn man sich jemandem anvertraut, der Erfahrung hat, mit ihm über die Praxis spricht und ihm Fragen bezüglich der Praxis stellt, ist das eine große Hilfe, um über diese Hindernisse hinweg zu kommen.

Der Lehrer ist also eine Hilfe. Er ist nicht jemand, der dir das Erwachen geben kann. Das kann nicht von jemand anderem kommen, sondern nur du selbst kannst verstehen. Ein Lehrer ist auch nicht jemand, der dir irgendwelche Dogmen, Wahrheiten, Dinge, an die du glauben sollst, überstülpt. Er ist einfach jemand, der jede Person auf deren eigenen Suche bezüglich der eigenen Praxis begleitet. Er ist so etwas wie ein Bergführer. Jemand, der schon Erfahrungen gemacht hat und der Irrtümer, Fehltritte vermeiden kann.

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Betrachtest du dich als Meister ?

Wenn ich mich im Spiegel ansehe, sage ich mir nicht: „Ach, ich bin ein Meister.“ Aber wenn ich Schülern begegne, dann ja. Das heißt, dass ich die Funktion annehme für die Leute, die mich als ihren Meister gewählt haben.

Das ist keine Überzeugung, die du in dir hast?

Ich bin überzeugt, dass ich die Unterweisung, die ich von meinem Meister erhalten habe, weitergeben muß. Und ich weiß, dass ich sie so empfangen habe, dass ich in der Lage bin, sie an diejenigen weiterzugeben, die sich entschieden haben, mich als ihren Meister anzusehen. Für mich ist Meister sein eine bestimmte Funktion zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine bestimmte Person. Das ist kein Zustand der Perfektion, den man erreicht hat. Ich halte mich nicht für jemand Vollkommenes. Davon bin ich weit entfernt. Ich glaube, dass ich noch sehr viel auf dem Weg zu entdecken habe. Ich bin sehr zufrieden damit, dass das so ist. Aber ich denke, dass ich die Leute auf dem Weg begleiten kann, die mich darum bitten.

Glaubst du, dass die Tatsache, das Shiho empfangen zu haben, diesbezüglich wichtig ist?

Ja, das ist wichtig. Das Wichtigste, was ich empfangen habe, ist die Unterweisung von Meister Deshimaru, die gebe ich weiter und die Erfahrung, die ich mit ihm gemacht habe. Aber im Zen gibt es eine Tradition, die ich sehr wichtig finde, die darin besteht, dass man sich nicht selbst bestätigen kann. Um die Reinheit der Weitergabe zu gewährleisten, gibt es die Tradition, dass immer ein Meister dem Schüler bestätigt, dass er die Unterweisung weitergeben kann. Das ist schon seit Buddha so. Ich glaube, dass für die Weitergabe wichtig ist, dass enge Schüler von Meister Deshimaru die Bestätigung erhielten, damit sie ihrerseits die Fähigkeit ihrer Schüler, die Transmission weiterzugeben, bestätigen können.

Ich benutze deine Frage, um darauf hinzuweisen, dass man sowohl das Shiho als auch die Funktion des Meisters nicht mystifizieren und idealisieren sollte. Meister Deshimaru selbst hat uns auch die Fähigkeit der Wachsamkeit außerhalb der Zen-Praxis weitergegeben, die Fähigkeit, beständig unsere eigenen Bonnos zu erhellen, und er zeigte selbst, wie er das meinte. Er hat sich uns gegenüber nie als Guru dargestellt, als perfekter Meister, der keinen einzigen Fehler macht. Ein Zen-Meister ist kein Heiliger oder Guru. Ein Zen-Meister ist jemand, der Weisheit und Mitgefühl hat, der die Erfahrung der Praxis der Meditation hat, der also die Schüler in der Praxis anleiten kann. Wie Shakyamuni Buddha sagte, ist das kostbarste, die Wurzel unseres Leidens zu sehen und zu verstehen, unsere Anhaftungen, und den Weg zu zeigen, der es uns erlaubt, darüber hinaus zu gehen, aber dabei zugleich in Kontakt zu seinen Bonnos und seien Leiden zu bleiben.

Manchmal denken die Leute: „Das ist ein Meister. Er hat das Shiho. Er muss vollkommen sein.“ Und sie machen einen Heiligenschein und idealisieren ihn. Das kann nur negative Auswirkungen haben. Zum einen ist es ein Irrtum, zum anderen führt es zu Schuldgefühlen, weil die Schüler sich sagen: „So vollkommen werde ich nie sein.“ Man projiziert sein eigenes Ideal auf jemand anderes. Derartige Projektionen hat Meister Deshimaru konstant zerstört. Er zögerte nicht, seine eigenen Anhaftungen zu zeigen. Kostbar war, dass er sie uns zeigte und mit welcher Klarheit er sie erhellte, wie er sich nicht von seinen eigenen Dämonen packen ließ. Ich glaube, dass wir das zu praktizieren und zu zeigen haben. Auch wenn man die Funktion des Meisters hat, bleibt man bescheiden. Das Dharma und die Praxis sind unbegrenzt. Aber wir, die wir der Praxis folgen, sind begrenzt. Es ist wichtig, dass das jeder akzeptiert.

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Meine Frage betrifft die Beziehung zwischen Meister und Schüler. In der Soto-Tradition existieren keine Koan, die der Meister dem Schüler gibt. Da wir nicht in einem Tempel leben und uns nicht täglich sehen: Wie kann der Meister wissen, wo der Schüler sich im Augenblick befindet? Und muß der Schüler vom Meister erwarten, daß er es weiß, daß er ihn begleitet?

Das geschieht durch die Praxis, durch die Sesshin, die man gemeinsam macht. Durch die Haltung des Schülers, der in allem, was er tut, sichtbar wird. Aber natürlich gibt es da größere und weniger große Annäherungen, z.B. sind hier 280 Leute, das sind sehr viele.

Aber man muß auch die Gelegenheit zum Treffen ergreifen. Ich halte das Koan-System für etwas künstlich. Man ist verpflichtet, den Meister zu treffen, eine Antwort zu finden. Aber unser ganzes Leben ist ein Koan und man kann sich ausgehend von den Koans des Lebens begegnen.

Hast du jetzt eine Frage?

Mir stellt sich folgende Frage: Außerhalb des Augenblicks, in dem ein Laie um die Bodhisattva-Ordination bittet, oder ein Bodhisattva um die Mönchsordination: Wie kann ich wissen, ob meine Praxis richtig ist? Was ist, wenn ich zu zweifeln beginne?

Wenn du einen Zweifel hast, ist das genau der Zeitpunkt, zu dem du den Meister treffen mußt,. Man spürt aber auch sehr genau, wenn sich die Praxis im Kreis dreht. Die Praxis des Zazen ist ein Weg ohne Sackgassen. Aber wenn man sich immer im Kreise dreht, immer mit denselben Problemen befaßt, zeigt das, daß da etwas nicht stimmt. Da kann man sich sagen: „Jetzt müßte ich eigentlich meine Praxis vertiefen.“

Die Praxis selbst ist schwer zu bewerten, denn sobald man sich seiner Praxis bewußt wird, ist es eigentlich nicht mehr die Praxis, Zazen selbst. Wenn man wirklich Zazen macht, ist es jenseits des Bewußtseins. Es ist Unsinn sich zu sagen: “Jetzt ist mein Denken hishiryo. Ich bin jenseits von allem“. Wenn man so denkt, ist es das genau nicht mehr. Die Selbstbestätigung seiner eigenen Praxis ist sehr schwierig. Aber die Auswirkungen seiner Praxis kann man spüren. Das Leben wird zum Spiegel. Der Maßstab unserer Praxis ist die Befreiung, die man empfindet. Man kann auch sehen, wie die Paramita, die Tugenden des Bodhisattva, sich in unserem Leben entwickeln. Hat man den Eindruck, daß man mitfühlender wird, oder wird man eher egoistisch? Ist man eher geduldig oder wird man eher ungeduldig? Hat man den Eindruck, verwundbar zu werden, weil das Ego in Frage gestellt wird, oder hat man die Möglichkeit, darüber hinaus zu gehen? Kann man Kritik empfangen und Gassho machen und über die Kritik nachdenken? Oder wird man sofort irritiert, wenn einen jemand kritisiert? Da gibt es viele solche Dinge, die als Spiegel dienen können.

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Ist es normal, daß eine gefühlsmäßige Beziehung zwischen Meister und Schüler besteht? Ist das gut?

Das kommt oft vor und ist ganz normal. Aber es darf nicht das Wichtigste sein. Die Beziehung zwischen Meister und Schüler ist jenseits von Gefühlen und Anhaftungen, die man wechselseitig haben kann. Aber es gibt immer eine Gefühlsbeziehung, ein Beziehung der Sympathie. Das wird dann störend für die Praxis, wenn es wirklich Liebe wird. Manchmal verlieben sich Frauen in den Meister. Das erschwert ihre Praxis, denn es schafft Verwirrung. Man darf nichts vermischen. Man sollte nicht diese Art von Anhaftung beibehalten. Aber Sympathie, Respekt und positive Empfindungen, die in der Beziehung zum Meister bestehen, sind normal.

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Wie funktioniert die Beziehung von Meister zu Schüler und warum funktioniert sie manchmal nicht?

Auch wenn sie nicht funktioniert, funktioniert sie. Die Meister-Schüler-Beziehung ist keine Beziehung, die immer ohne Hindernisse und ohne Schwierigkeiten ablaufen muss. Wenn es eine Schwierigkeit, ein Hindernis oder eine Konfrontation, z.B. eine Uneinigkeit gibt, ist es Teil der Meister-Schüler-Beziehung, diese zu lösen. Es ist wichtig, in dem Moment darüber zu reden und sich zu öffnen. Zweifel, Unverständnis, Missverständnisse oder gar Konflikte kommen vor. Meister Dogen nannte dies Katto, Verwicklungen des Lebens, ähnlich wie Bonno. Aber dadurch festigt sich auch eine Beziehung. Meister Dogen verglich es mit Glyzinien, Schlingpflanzen. Durch Schwierigkeiten in einer Beziehung, durch Konflikte, Zweifel oder Missverständnisse festigt sich die Verbindung. Es ist jedes Mal eine Gelegenheit, seinen Geist zu klären.

Wenn man das nicht versteht und glaubt, die Meister-Schüler-Beziehung bedeute nur blauer Himmel ohne Probleme, ohne Schwierigkeiten, hat man, sobald eine Schwierigkeit auftaucht, den Eindruck, dass nichts mehr funktioniert. So wie wenn man verliebt ist und bei dem ersten Problem denkt, dass die Beziehung doch nicht so perfekt ist. Aber gerade in schwierigen Situationen kann man eine Beziehung vertiefen. Wenn du ein Problem mit mir hast, musst du es sagen. Worüber sprichst du? Über uns, über dich, über mich oder allgemein?

Es gibt manchmal Leute, die sich nicht gut verstehen, wie im Leben.

In Zen-Beziehungen gibt es natürlich auch Affinitäten und andererseits Personen, die nicht übereinstimmen. Aber gerade in Zen-Beziehungen sollte man über persönliche Eigenschaften hinausgehen. Doch im Allgemeinen richtet man sich nach Affinitäten wie im normalen Leben. Die Menschen wählen z.B. einen Godo danach aus, ob sie ihn sympathisch finden. Selten wählt jemand einen Godo gerade deswegen, weil er ihn stört. Das ist eigentlich schade. Derjenige, der den Geist des Weges, Doshin, hat, sollte eher den Godo wählen, mit dem er die meisten Probleme hat. Man wählt keinen Meister, damit er das, was man sagt oder tut, immer bestätigt. Wenn man sich einer Beziehung mit Gegensätzen und Streitigkeiten aussetzt, hat man Gelegenheiten, sich in Frage zu stellen.

Ich bin in der Regel recht freundlich und gehe mit Menschen freundlich um - nicht immer, aber meistens. Aber wenn ich damit aufhöre, wenn ich mich aus gutem Grund und im Interesse des anderen aufrege, fällt mir auf, dass die Leute mit Verständnislosigkeit reagieren und denken: „Er versteht mich nicht mehr. Es ist nicht mehr so wie vorher. Etwas hat sich geändert.“ In diesem Moment wird eine Beziehung jedoch wahrer und müsste sich vertiefen.

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Ich bin dreizehn Jahre meinem Meister, M.B., gefolgt. Das ist jetzt nicht mehr möglich, weil er sehr krank ist. Am Anfang habe ich gedacht, ich müsse mir einen neuen Meister suchen. Aber je länger ich ohne ihn praktiziere, um so mehr spüre ich, dass er in mir ist. Ich habe das Gefühl, ich sollte jetzt vielleicht dieser Stimme folgen und beginnen, alleine zu laufen. Meine Frage ist: Soll ich mich aufmachen, einen Meister zu suchen, oder kann ich so weiter machen?

Ich finde es sehr erfreulich, dass du die Gegenwart von M. und seine Unterweisung in dir spürst. Ich denke, dass du eher dem folgen solltest, was dir weitergegeben wurde und was in dir ist, was dich antreibt. Es ist nicht nötig, dass du dich beeilst, einen anderen Meister zu suchen.

Andererseits wirst du in Zukunft vielleicht den Wunsch nach einem neuen Meister verspüren. Dies solltest du dann akzeptieren und nicht als Verrat deinem Meister gegenüber empfinden. Versuche nicht, um jeden Preis deinem Meister treu zu bleiben. Entwickle nicht das Gefühl, deinen Meister zu verraten, wenn du einen anderen Meister aufsuchst. Ich denke, es muss zu deinem wahren Bedürfnis passen. Es darf nicht zu einer Vorstellung werden. Viele Leute sagen: „Wenn der Meister tot ist, muss man einen neuen Meister suchen.“ Aber dies ist keine Regel und erst recht keine Verpflichtung.

Als Meister Deshimaru starb, habe ich nicht die Notwendigkeit gespürt, einen neuen Meister zu suchen. Ich war noch völlig erfüllt von seiner Gegenwart und seiner Unterweisung. Mir hat das gereicht und auch heute noch reicht das. Das änderte sich in dem Moment, als ich merkte, dass es hier nicht nur um mich ging. Meine Berufung war schon zu Zeiten Meister Deshimarus, das Dharma weiterzugeben. Da habe ich dann das Bedürfnis verspürt, die bestätigte Weitergabe von einem anderen Meister zu empfangen, und das war Niwa Zenji. - Das war mein Weg.

Als ich die Weitergabe von Meister Niwa Zenji erhalten habe, sagte er: „Ich mache es an Meister Deshimarus Stelle.“ Er hat uns nie glauben lassen, die Unterweisung von Meister Deshimaru wäre nicht ausreichend gewesen. Er hat nur das beendet, was Meister Deshimaru angefangen hatte.

Bleibe offen für alle Möglichkeiten. Aber glaube nicht, dass du um jeden Preis einen neuen Meister suchen musst. Folge auch deiner Intuition, deinen Gefühlen.


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