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Fragen und Antworten

 

LEIDEN

 

Du hast davon gesprochen, keine Leiden zu schaffen. Niemand schafft freiwillig Böses, außer Verrückte. Die Industriellen, die die Natur schädigen, glauben, dies geschehe zum Wohl der Menschheit.

Es geht ihnen vor allem darum, ihr Bankkonto aufzufüllen.

Man schafft das Leiden nicht willentlich, sondern unfreiwillig. Wie kann man das vermeiden?

Indem man Weisheit entwickelt, wie Buddha es unterwiesen hat, d.h. indem man die Verknüpfungen von Ursache und Wirkung all unserer Aktionen untersucht und darüber nachdenkt, bevor man handelt. Das heißt, dass man die Weisheit hat, die Konsequenzen dessen zu sehen, was man sagen oder tun möchte. Wenn man vorhersieht, das Resultat Leiden für einen selbst oder für andere wäre, muss man einfach diese Handlung unterlassen.

Die Konsequenz sind manchmal so weit weg.

Es stimmt, die Konsequenzen innerhalb der Kausalität sind unendlich. Aus etwas Schlechtem kann etwas Gutes werden. Deshalb sagt man manchmal: „Lassen wir es geschehen.“ Jemand ist krank: „Lassen wir ihn sterben. Wenn er jetzt nicht stirbt, wird er vielleicht im nächsten Jahr ein Krimineller.“ oder „Wenn er jetzt stirbt, wird er vielleicht unter besseren Bedingungen wiedergebo-ren werden.“ - Aber das ist ein hinduistische Denkweise.

Buddha hatte eine sehr ethische Sichtweise der Existenz. Buddhas Unterweisung war: Vermeide das Schlechte! Tue das Gute! Tue es für das Glück der anderen! - Wie auch schon große Philosophen und Weise bemerkt haben, ist das sehr einfach, aber nicht sehr einfach zu realisieren. Selbst wenn man weiß, was gut ist, macht man oft etwas, was schlecht ist, einfach deshalb, weil Gutes tun uns dazu zwingt, Bemühungen zu unternehmen oder auf bestimmte Dinge zu verzichten. Man weiß, was gut ist, aber man macht es nicht, weil der Egoismus stärker ist.

Auch kennt man nicht alle Konsequenzen. Aber das ist kein Grund, nichts zu tun, z.B. jemanden sterben zu lassen. Sterben ist unmittelbar Leid. Für kein Lebewesen ist das Sterben angenehm und auch nicht für die Menschen in seinem Umfeld, für seine Familie zum Beispiel. Also muss man, selbst wenn man die Konsequenzen nicht kennt, die sich auf Dauer zeigen werden, wenn man jemand heilt, ihn trotzdem heilen, muss man trotzdem machen, was gut ist. Nur ein allwissender Buddha oder ein Gott, der die Geschichte des Universum bis zu seinem Ende kennt, kann wirklich entscheiden, was gut und was schlecht ist.

Ich glaube, man muss auf der rein menschlichen Stufe bleiben und nicht nur hier und jetzt sein, sondern die Fähigkeit der Antizipation nutzen, um das zu tun, was gut ist – in dem Bewusstsein, dass man nicht allwissend ist und sich täuschen kann. Wenn man lebt, geht man das Risiko ein, Fehler zu machen, aber so weit möglich vermeidet man die Fehler, die man vermeiden kann.

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Warum gibt es leidende Wesen? - Als Bodhisattva legt man das Gelübde ab, alle leidenden Wesen zu befreien, sich selbst zuletzt. Wenn das geschehen ist, was kommt dann?

Hier und jetzt ist viel wichtiger. Wie kann man das Leid hier und jetzt lösen? Es ist nicht so notwendig, an Davor und Danach zu denken. Deine Frage ist typisch für die jüdisch-christliche Mentalität: Wo liegt der historische Ursprung des Leids? In der jüdisch- christlichen Tradition antwortet man mit der Erbsünde und dem Jüngsten Gericht. Aber Buddha sah die Dinge anders. Er war viel konkreter. Er befaßte sich mit der Frage, wie man hier und jetzt leben sollte.

Trotzdem möchte ich versuchen, auf deine Frage zu antworten. Das, was man die leidenden Wesen nennt, das ist shujo. Im Gelübde singt man ‚shujo muhen seigando’. Das sind die fühlenden Wesen, die Wesen, die geboren werden. Die grundlegende Ursache für das Leid ist die Geburt. Denn alles, was geboren wird, stirbt, ist unbeständig. Geboren werden bedeutet, von Bedingungen abhängig sein. Man existiert nicht aus sich selbst heraus. Unser Leben ist an Bedingungen geknüpft, die unsere Geburt ermöglicht haben. Also unterliegen wir der Unbeständigkeit, Krankheit, Alter, Tod. Und weil wir gleichzeitig an unserem Leben hängen, wird die Unbeständigkeit ein Widerspruch, wird Leid. Die grundlegende Leidensursache ist also die Geburt und die daraus folgende begrenzte Existenz.

Darüber hinaus entwickelt man im Laufe des Lebens viele Vorstellungen über die eigene Identität. Obwohl zum Zeitpunkt der Geburt kein Ego geboren wird, sondern sich lediglich eine bestimmte Anzahl kosmischer Elemente - Atome, Zellen, Energie, Geist - zusammenfügen, sagt man: „Ich wurde an dem Datum geboren, heute ist mein Geburtstag, ich bin 38 Jahre alt.“ Aber in Wirklichkeit wird bei der Geburt kein Ich geboren. Das kann man in Zazen beobachten. Unser Ich ist nicht greifbar. Vom Standpunkt unserer Täuschung aus ist das bedauerlich. Aber wenn man die Wirklichkeit des Nicht-Ego tief akzeptiert, kann man seinen begrenzten Zustand überschreiten. Man kann realisieren, daß man, wenn man nicht geboren ist, nicht stirbt. Man ist eine kosmische Energie-Parzelle, die sich ständig ändert. Wenn man versteht, daß unser Körper das ganze Universum ist, hat er weder Geburt noch Tod. Das ist die Bedeutung der Nicht-Geburt. Nicht-Geburt bedeutet nicht Nicht-Existenz. Es bedeutet unsterblich, jenseits von Geburt und Tod. Das realisierte Buddha als das Nirvana, als eine Existenzweise jenseits unseres kleinen, begrenzten Egos.

Aber das darf, obwohl ich versuche, es mit Worten zu erklären, kein Konzept werden. Wenn ihr diese Erklärung hört, könnt ihr daraus eine Philosophie entwickeln. Aber das bringt euch nicht viel weiter. Wichtig ist, daß das unsere Seinsweise wird, daß man sich tief mit dieser Wirklichkeit jenseits von Geburt und Tod harmonisiert. Zazen läßt uns diese Wirklichkeit tief durchdringen. Deshalb ist es für einen Bodhisattva die beste Methode, den leidenden Wesen zu helfen, sie an der Hand zu nehmen und sie in Kontakt mit Zazen zu bringen. Das ist nicht immer möglich, aber man muß die Gelegenheit ergreifen, wenn sie sich bietet. Denn es ist die beste Hilfe, um die Wurzel des Leidens zu lösen. Alle anderen Hilfsmöglichkeiten sind begrenzt.

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Die erste der Vier Edlen Wahrheiten heißt: Das Leben ist leidvoll. In der zweiten geht es um die Ursachen, in der dritten geht es darum, wie man das Leiden abschaffen kann, also, wie man Gier und Anhaftungen auflöst ...

Nein, wie man das Leiden auflöst ist die vierte. In der dritten geht es um die Möglichkeit der Auflösung. Es existiert ein Zustand ohne Leiden, das Nirvana. Die vierte Wahrheit ist der Weg. Wenn es keine Bestätigung gäbe, dass ein Zustand existiert, der über das Leiden hinausgeht, wäre es vollkommen sinnlos, Weg und Praxis zu unterweisen. Deshalb kommt die Bestätigung des Nirvana vor der Unterweisung des Weges. Buddha hat das Erwachen, den Zustand des Nicht-Zweifels verwirklicht, bevor er den achtfachen Pfad entwickelt hat, der den Menschen zeigt, wie sie sich vom Leiden befreien können. Er war vor dem Erwachen nicht dem achtfachen Pfad gefolgt, er hat nur Zazen gemacht.

Meine Frage war jetzt eigentlich: Manche Leiden kann man nicht lösen, zum Beispiel ist Krankheit ein Leiden, auf das man wenig Einfluß hat. Oder beschreibt dieser Weg einfach, dass man die Sichtweise auf das Leiden verändert, dass man Leiden lösen kann, indem man es anders sieht?

Natürlich, das ist genau der Punkt. Aber nicht nur das: Buddha erkannte, dass alles Leiden damit zusammenhängt, in diese Welt geboren zu sein. Der Geburt folgt automatisch Altern, Krankheit, Tod. Wenn du nicht krank werden, nicht altern und nicht eines Tages sterben willst, musst du Mittel finden, um nicht geboren zu werden. Das ist die radikale Ansicht in der Unterweisung Buddhas. Das bedeutet, den Wunsch, den die Geburt hervorruft, nämlich den Wunsch, als Individuum zu existieren, aufzugeben. Das ist ein Aspekt der Unterweisung Buddhas, der vor allem für die Schüler des Hinayana wichtig ist.

Später wurde dieser Aspekt zunehmend weniger wichtig. Stattdessen wurde der Aspekt immer wichtiger, der die Veränderung der Sichtweise auf das Leben betont. Das Nirvana ist nicht in der Tatsache zu finden, geboren zu werden, sondern in der Nichtanhaftung. Denn der Fakt der Geburt beinhaltet alles, was unsere Individualität ausmacht. In diesem Nirvana sind Gier, Hass und Unwissenheit und alle moralischen Leiden, die mit diesen Bonnos zusammenhängen, ausgelöscht.

Aber es bleibt trotzdem ein objektives Leiden, beispielsweise Krankheit, der physische Schmerz, das Alter, altersbedingte Behinderungen. Das sind Leiden, die real sind, auch für den Buddha. Wenn der Buddha zum Beispiel Durchfall hatte, war das nicht lustig für ihn. Aber er fand das normal. Er wusste, dass er eines Tages sterben würde, und das war in Ordnung. Einerseits litt er, denn sein Körper war gebrechlich, aber gleichzeitig akzeptierte er diesen Verfall, wie eine Bestätigung des Dharma. Er hatte davon gesprochen, dass alles unbeständig ist, und er sah, dass auch er sterben würde.

Wenn man zum Beispiel krank wird, ist dies ein normaler Teil des Lebens. Aber man kann seine Krankheit auf völlig unterschiedliche Weise erleben. Hängt man an einem gesunden Körper, mit dem man die Annehmlichkeiten des Lebens genießt, dann empfindet man Krankheit als einen Schock, als ein seelisches Leiden, gegen das man sich auflehnt. Aber wenn man nicht zu sehr an seinem Körper und seiner Gesundheit hängt, kann man akzeptieren, krank zu sein. Natürlich muss man sich nicht darüber freuen, aber man kann die Krankheit auf eine relativ ruhige Art erleben und dem objektiven Leid nicht noch das dramatisierende Leid des Egos hinzuzufügen.

Meister Deshimaru sagte in einem Kusen über das Leiden: „Zen bedeutet, das Leiden zu entdramatisieren.“ Das heißt nicht, es radikal zu unterdrücken, sondern es zu entdramatisieren, also seine Sichtweise zu verändern. Je weniger man an seinem Ego haftet, umso weniger schlimm erscheinen uns die Dinge, die uns passieren. Das ist die Loslösung.


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