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Fragen und Antworten

 

KOSMISCHE ORDNUNG

 

Du hast wiederholt Meister Deshimaru zitiert, der gesagt hat „Ihr musst Angst haben, nicht der kosmischen Ordnung zu folgen“. Meine Frage ist: Können wir überhaupt der kosmischen Ordnung nicht folgen? Sind wir nicht, so wie wir sind, Teil der kosmischen Ordnung ?

Natürlich sind wir Teil der kosmischen Ordnung, so wie wir sind. Das stimmt. Wir sind ein Teil des Kosmos. Wenn man aber von ‚kosmischer Ordnung’ spricht, spricht man von der Wirklichkeit, die unserem Leben zugrunde liegt. Was ist die Wirklichkeit, die das Gesetz des ganzen Universums formt? - Dieses Gesetz des Universums ist das Gesetz der Wechselbeziehung.

Wenn ein Mensch sich egozentrisch verhält, geht das gegen die kosmische Ordnung, es geht gegen die Wechselbeziehung. Es bedeutet, sich so zu verhalten, als würde man allein existieren, unabhängig von allem anderen; z.B. dass man die Natur verschmutzen kann, ohne dass das Konsequenzen für einen selbst oder für andere hat. Einfach weil man aus egoistischen Gründen die Reichtümer der Natur für sich selbst verwenden möchte, weil man sie ausbeuten möchte. Dann vernachlässigt man völlig das Gesetz der Wechselbeziehung, das Gesetz der kosmischen Ordnung. Die Konsequenzen dieses Handelns werden zwingenderweise schmerzhaft sein, für andere oder für einen selbst.

Natürlich kannst du sagen, dass das Leiden auch Teil der kosmischen Ordnung ist, aber Buddha war kein Wissenschaftler, er war ein religiöser, ein spiritueller Mensch, und seine Hauptsorge galt dem Heilen der Leiden der Menschen und aller fühlenden Wesen. Alle Meister der Weitergabe, auch Meister Deshimaru, hatten diese gleiche Sorge.

Wenn man sich nicht tief der Wechselbeziehung, der Substanzlosigkeit und der Unbeständigkeit aller Phänomene bewusst ist und sie akzeptiert, verhält man sich auf einer Weise, die dem Dharma, der kosmischen Ordnung, widerspricht. Die Konsequenz davon ist Leiden. Das ist das wirklich Wichtige. Also selbst wenn Leiden Teil der kosmischen Ordnung ist, selbst wenn das Zerstören der Natur Teil der kosmischen Ordnung ist, was man meinen könnte, glaube ich nicht, dass man als Schüler Buddhas so denken sollte. Denn das bedeutet, dass man die ethische Dimension missachtet, die Dimension, die nicht auf der Vernunft gründet, sondern auf dem Herzen. Das Herz spürt Empathie für alle fühlenden Wesen und kann nicht Leiden schaffen wollen. Selbst wenn man, abstrakt oder intellektuell gesehen, sagen kann, dass Leiden ein Teil des Kosmos ist.

Die Unterweisung, der kosmischen Ordnung zu folgen, zielt darauf ab, das Augenmerk auf die Bedingungen des Glücks zu richten. Dabei geht es vor allem um ethischen Fragen und den Wert, den man dem Wohlbefinden aller Wesen beimisst. Das ist keine rein wissenschaftliche oder objektive Sichtweise. Das geht darüber hinaus.

Du bist Arzt und könntest natürlich sagen: „Krankheiten sind Teil der kosmischen Ordnung, auch Viren sind Teil der kosmischen Ordnung.“ und einen Patienten, der einen Virus eingefangen hat, der zum Tod führt, sterben lassen, weil das Teil der kosmischen Ordnung ist.

Gandhi hat das mit seiner Tochter so gemacht. Seine Tochter war krank, und er hat gesagt: „Sie darf keine Antibiotika bekommen. Wenn sie stirbt, ist das Gottes Wille.“

Gandhi war kein Buddhist. Er hatte mit Sicherheit viele Qualitäten, aber er hatte nicht das Verständnis eines Buddhas. Manchmal führt auch Gewaltfreiheit zur Gewalt.

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Es wird immer viel von kosmischer Kraft geredet, dem kosmischen Gesetz, dem man folgen soll, der kosmischen Ordnung. Ist das nicht ziemlich weit weg, ziemlich mystisch?

Nein, die kosmische Ordnung ist das, was dich leben läßt. Sie bewirkt, daß alles existiert. Die kosmische Ordnung ist die Wechselbeziehung zwischen allem Bestehendem. Die kosmische Ordnung ist also nicht irgendetwas, das weit entfernt im Andromeda-Nebel existiert, sondern sie existiert in jedem von uns, in jedem Staubkorn, in jedem Teilchen. Sie ist die völlig wechselseitig abhängige Existenz. Das ist überhaupt nichts Mystisches. Die moderne Wissenschaft bestätigt das. Die moderne Physik bestätigt, daß jedes Phänomen einen Einfluß hat, der sich überall ausbreitet. Insbesondere die Chaostheorie bestätigt das.

Aber wenn das so ist, kann man doch gar nicht anders, als ihr folgen.

Das stimmt. Aber es gibt unterschiedliche Weisen. Auf jeden Fall steht man in Wechselbeziehung. Wenn man also Haß sät, Gewalt, hat das Auswirkungen auf die ganze Welt. Aber wenn man sich dessen bewußt ist, wird es eine ethische Wahl, diese Wechselbeziehung zu nutzen, um das Gute zu schützen. An einem bestimmten Punkt gibt es einen Bewußtseinswandel von der Wahrnehmung der Wechselbeziehung zur Solidarität. Die Wechselbeziehung existiert objektiv, alle Wissenschaften bestätigen das.

Einige bestreiten es.

Ja, vielleicht, aber im allgemeinen stimmen sie darin überein. Sie streiten sich mehr darüber, wie die Gesetze der Wechselbeziehungen funktionieren.

Damit es eine wirkliche spirituelle Revolution wird, muß man sich von dieser Sicht in der Zazen-Praxis durchdringen lassen, die uns intim die Illusion unseres Ego verstehen läßt, die Illusion, unser Ego als etwas Getrenntes zu sehen. Dann berührt uns das Sehen der Wechselbeziehungen in unserem Fühlen, statt nur objektiv, wissenschaftlich zu bleiben. Möglicherweise löst das dieses Gefühl der Solidarität und des Mitgefühls aus. Aber dafür bedarf es eines weiteren Schrittes, das geschieht nicht automatisch. Deshalb macht man Zazen.

Aber auch dann ist es nicht automatisch.

Nein, aber Zazen hilft uns, führt uns in diese Richtung.

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Man sagt, dass Shakyamuni zu seiner wahren Natur erwacht ist, zur Leerheit der Phänomene. Ich glaube verstanden zu haben, dass du hinter das Wort Leerheit die Bedeutung der wechselseitigen Abhängigkeit legst, der Vielheit der Ursachen. Ich wüsste gerne welchen Bezug das zur kosmischen Ordnung hat.

Die wechselseitige Abhängigkeit ist die kosmische Ordnung. Wenn eine kosmische Ordnung existiert, bedeutet das, dass wechselseitige Abhängigkeiten bestehen. Das heißt, dass nichts getrennt existiert, dass alle Existenzen miteinander verbunden sind.

Wenn man sich dessen konkret bewusst ist, hilft das den persönlichen Willen aufzugeben, im Nicht-Handeln zu sein?

Nicht-Handeln ist nicht Zen. Es bedeutet, nicht mehr von der gleichen Quelle aus zu handeln, nicht mehr ausgehend vom Ego zu handeln, sondern zu handeln, indem man sich dieser Interdependenz bewusst ist, also mit mehr Mitgefühl zu handeln, mit mehr Aufmerksamkeit auf die anderen, auf die Welt.

Leerheit ist auch verknüpft mit Kausalität. Das heißt, dass nichts aus sich selbst heraus existiert, dass alles in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer Ursache steht. Sich dessen bewusst zu werden, ist ein wesentlicher Teil unserer Praxis, so dass aus unseren Handlungen keine Ursachen von Leiden werden. Man kann auf die Kausalität achten, um unser Ego, unsere Illusionen zu dekonstruieren. Man kann sich fragen: „Was ist das da eigentlich?“ - Nichts anderes als das Resultat einer ganzen Reihe von Ursachen und Wirkungen, der Bereich der wechselseitigen Abhängigkeit. Das hilft die Vorstellung loszulassen, etwas Bestimmtes zu sein, und die tiefe Dimension der Weisheit zu sehen, zu der zu erwachen wir uns bemühen.
Aber die andere Dimension ist, sich ausgehend von dieser Bewusstwerdung den Phänomenen wieder zu zuwenden und jemand zu werden, der handelt, indem er sich aller Abhängigkeiten und der Kausalität bewusst und so ein Träger guter Handlungen ist. Das genau ist der Weg des Bodhisattvas: zur Leerheit erwachen, wieder in die Phänomene eintreten und den Menschen helfen zu erwachen.

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Es gibt in der buddhistischen Lehre den Ausdruck ‚kosmische Ordnung’. Der Buddhist ist bestrebt, sich mit der kosmischen Ordnung zu harmonisieren. Welche Eigenschaften hat diese kosmische Ordnung?

Als kosmische Ordnung bezeichnet man das Dharma. Das Dharma ist die Wirklichkeit, so wie sie ist. Ihre hauptsächliche Eigenschaft ist, nur in wechselseitiger Abhängigkeit zu bestehen.

Ein Buddhist, jemand, der dem Weg Buddhas folgt, möchte die Bedeutung der wechselseitigen Abhängigkeit auf verschiedenen Ebenen vertiefen. Der Wechselbeziehung zwischen den Handlungen, den Gedanken, den Worten, also dem Karma in dem Sinn, dass er sich dessen bewusster ist, was er tut, weil er sich der Folgen bewusst ist. Auf einer tieferen Ebene indem er sieht, dass das, was er für sein Ego hält, nichts anderes als die Abhängigkeitsbeziehung von bestimmten Ursachen und bestimmten Folgen ist.

Für einen Buddhist bedeutet, die kosmische Ordnung zu verstehen auf der einen Seite, verantwortlicher für sein Karma zu werden, auf der anderen Seite völlig das Erwachen zu erlangen, indem er sich von der Anhaftung an sein Ego befreit und es nicht mehr für etwas Substanzielles hält.

In dem Augenblick wird es einfacher in Einklang mit der kosmischen Ordnung als Wechselbeziehung zu leben, d.h. solidarischer mit allen Lebewesen zu sein, mit denen wir auf jeden Fall immer solidarisch sind. Aber allgemein versucht jeder sein eigenes Spiel zu spielen. Es ist die Aktivität des Bodhisattvas sich nicht von den anderen getrennt zu fühlen, sondern immer die Bedürfnisse aller Wesen zu sehen, insbesondere ihre spirituellen Bedürfnisse. Das ist der wesentliche Punkt.

Buddha hat die Wirklichkeit, die kosmische Ordnung, immer unter diesen drei Aspekten und einem vierten beschrieben. Der erste ist die Unbeständigkeit, der zweite das, was man Dukkha nennt, die Tatsache, dass die Existenz, so wie sich für uns abspielt, unbefriedigend ist, solange es einem nicht gelingt, sich mit dieser kosmischen Ordnung zu harmonisieren. Der dritte Aspekt ist das Nicht-Selbst. All das ist verbunden. Unbeständigkeit, Wechselbeziehung, Nicht-Selbst ist letztlich das Gleiche. Es sind unterschiedliche Facetten der gleichen Wirklichkeit, die die kosmische Ordnung ist.

Der vierte Punkt ist, dass es möglich ist, Frieden und Befreiung in dieser kosmischen Ordnung zu finden. Das ist das Nirvana. Indem man sich mit dieser kosmischen Ordnung harmonisiert, d.h. wenn man das Nicht-Selbst akzeptiert; vielmehr akzeptiert, dass es in der Tiefe kein Ego gibt und auf diese Weise einen fließenderen Geist hat, der in der Lage ist, die Unbeständigkeit zu akzeptieren ohne irgendetwas, an das er sich klammern kann. In diesem Augenblick verschwindet der nicht zufrieden stellende Charakter der Existenz. Aber man bleibt sensibel für das Leid der anderen. Auch empfängt man das Resultat seines vergangenen Karmas, selbst wenn man zur Unbeständigkeit des Egos erwacht ist. Diesbezüglich kann man nur große Geduld praktizieren. Dies ist ebenfalls eine der großen Praktiken des Bodhisattva.

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Es wird oft gesagt, man solle sich mit der kosmischen Ordnung harmonisieren. Bedeutet das, dass man sich immer unterschiedslos mit seiner Umgebung harmonisieren soll?

Nein.

Wie erkenne ich, was zur kosmischen Ordnung gehört?

Wenn man von der kosmischen Ordnung spricht, meint man die Essenz der Wirklichkeit. Sich mit der kosmischen Ordnung zu harmonisieren heißt, mushotoku zu sein, nicht gierig zu sein, nicht zu versuchen, etwas für sich selbst erlangen, seinen Egoismus aufzugeben und solidarisch mit den anderen zu sein, Mitgefühl aufzubringen. Das ist die Essenz der kosmischen Ordnung.

Das bedeutet aber nicht, mit den Wölfen zu heulen. Man darf nicht dem schlechten Karma anderer folgen oder den Illusionen der Gesellschaft.

Was man die kosmische Ordnung nennt, ist das Dharma, die Essenz der Wirklichkeit.

Die Unbeständigkeit und die wechselseitige Abhängigkeit - und damit die Abwesenheit eines festen Egos - sind zwei der drei großen Siegel des Dharma. Die Unbeständigkeit ist sehr wichtig, sie muss einen durchdringen. Man muss einen Geist verwirklichen, der an nichts haftet, der nirgends verweilt, der völlig frei ist. Und einen Geist, der genau sieht, dass er nicht aus sich selbst heraus existiert, sondern nur in Verbindung mit den anderen. Er sieht genau, was in dieser wechselseitigen Abhängigkeit geschieht, und strengt sich an, eine gute wechselseitige Abhängigkeit zu erzeugen, indem er ein verantwortungsvolles Leben führt. Man merkt, dass die eigene Handlungsweise die Umgebung beeinflusst. Deswegen achtet man darauf auf. - Das bedeutet es, sich mit der kosmischen Ordnung zu harmonisieren.

Egoistischen Menschen gehen genau in die entgegengesetzte Richtung. Egoistisch zu sein bedeutet, im Widerspruch zur kosmischen Ordnung zu leben. Aus diesem Grund geht es unserer Gesellschaft so schlecht. Die Krise, in der wir leben, ist die Krise des Egoismus, der Gier, die nicht nur gegen die kosmische Ordnung geht, sondern auch gegen die Gesetze einer guten Wirtschaft.

Es geht also nicht einfach darum, sich anzupassen?

Nein, überhaupt nicht.


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