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INDIFFERENZ
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Ich hätte gerne ein paar Ratschläge, wie ein Anfänger nach einem Sesshin in den Alltag zurückkehren und dabei den Weg der Harmonie aufrecht erhalten kann. Denn der Alltag ist das Leben als Paar, Kindererziehung, Beziehung zu Freunden oder zu einem Arbeitgeber. Auch wenn das Universum eine Einheit bildet, sind wir doch physisch unterschiedliche Wesen. Wird der Geist des Zen in unserer Umgebung nicht als Kälte, als Abstand oder als Mangel an Engagement erfahren? Unsere Umgebung erwartet Engagement, Stabilität im Gefühl, während Zazen von uns verlangt, im gegenwärtigen Augenblick zu leben. Nach dem Sesshin kehrt man in den Alltag zurück, wie soll man sich da verhalten? Wie lange praktizierst du? Seit Samstag. Hast du den Eindruck, seit Samstag indifferenter geworden zu sein? Sicherlich nicht. Aber meine Umgebung praktiziert nicht Zazen. Hast du die Befürchtung, daß deine Umgebung glauben wird, daß du aufgrund von Zazen indifferent wirst? Ich glaube, daß ich auf Ebenen leben könnte, die indifferent scheinen. Wenn du da ankommen würdest, wäre das eine Perversion der Praxis und der Lehre des Zen. Zen impliziert nicht, daß man indifferent wird, insbesondere nicht indifferent gegenüber anderen. Die Zen-Praxis macht uns sensibler für das, was im Augenblick sowohl in einem selbst als auch im anderen geschieht. Die Zazen-Praxis hilft uns, gegenwärtiger zu sein. Das ist die einzige Art, wie man wirklich für den anderen da sein kann. Denn wenn man mit seinen Gedanken beschäftigt ist, kann man nicht wirklich dem anderen gegenübertreten, denn man ist in seinem eigenen Kopf verloren. Die Zazen-Praxis ermöglicht es uns, uns innerlich von dem zu befreien, was ein Hindernis ist, um wirklich mit dem anderen zu sein. Vielleicht haben einige von euch ein Bild orientalischer Weisheit im Kopf, die darin besteht völlig, indifferent zu werden. - Wenn man Zen nur aus Büchern kennt, Autodidakt ist, kann man Texte über die Leerheit lesen und sich sagen: "Alles ist Leerheit. Mein Gegenüber existiert nicht wirklich und ist bedeutungslos. So kann man eine nihilistische Sicht entwickeln. Aber so etwas wurde von keinem Zen-Meister unterwiesen. Das entsteht, wenn man nur Bücher liest und sich dogmatische Ideen über Zen und Buddhismus macht. Mitgefühl war die grundlegende Qualität, die von Buddha gelehrt wurde. Zu deiner zweiten Frage, der Frage nach dem Engagement und dem Hier und Jetzt: Daß man sich hier und jetzt konzentriert, heißt nicht, daß man keine Projekte entwickeln und sich nicht engagieren sollte. Wenn man wirklich Zazen praktiziert, engagiert man sich: Man legt die Bodhisattva-Gelübde ab, man empfängt eine Ordination, die eine lebenslange Verpflichtung ist. - Seit dem letzten Jahrhundert haben Zen-Mönche und -Nonnen die Erlaubnis zu heiraten, sie engagieren sich also auch in Beziehung und Partnerschaft. Es gibt eine Zeit, um nachzudenken, um sich zu engagieren, und eine Zeit, dieses Engagement zu verwirklichen. Die Verwirklichung eines Engagements kann nur in einer Abfolge von hier und jetzt, hier und jetzt, hier und jetzt geschehen. Sonst wird man ein Ideologe, der von Veränderung träumt, Veränderungen, die irgendwann in der Zukunft geschehen sollen. Aber wirkliche Veränderung ist ganz konkret, man lebt sie Tag für Tag. Hier hat die Unterweisung des Zen ihren Wert, denn man lernt Schritt für Schritt voranzugehen und aus seinem Leben die Verwirklichung seines Engagements zu machen. Man legt sehr viel Gewicht auf die Frage, wie man etwas macht: Wie verwirklicht man sein Engagement? In der Art und Weise, wie man lebt, wie man ist, verwirklicht sich bereits das Engagement. Das Zen sagt nicht: ‘Das Ziel rechtfertigt die Mittel’, sondern das Mittel ist bereits eine Aktualisierung des Ziels. Noch ein letztes Wort: Du sagtest, alle Menschen seien anders. Ich glaube, daß es sehr wichtig ist, diesen Unterschied zu akzeptieren; vor allem den, daß es Leute gibt, die mit Zen nichts zu tun haben. So ist es. Jeder ist wirklich anders. Also paß auf, daß du nicht dogmatisch und intolerant wirst, weil du den Eindruck hast, daß du etwas entdeckt hast, den höchsten der Wege, und annimmst, daß diejenigen, die ihm nicht folgen, im Irrtum sind. Akzeptiere die Unterschiede vollkommen. Ich glaube, daß das einer der Schlüsselpunkte für den Frieden in den zwischenmenschlichen Beziehungen ist. Selbst wenn wir eine gemeinsame Natur haben, ist die Art und Weise, wie sich diese Natur in jedem einzelnen verkörpert, völlig unterschiedlich. Es ist sehr wichtig, damit in Frieden zu leben, und es völlig zu akzeptieren. Es ist eine sehr gute Übung, nicht nur die Gemeinsamkeiten zu sehen, sondern auch zu sehen, worin sich der andere unterscheidet, wo er völlig anders ist. Bis zu dem Punkt hin, wo der Unterschied ein Geheimnis ist. Selbst wenn man sich eins mit dem anderen fühlt, ist der andere letztlich der Andere, anders. Das muß man anerkennen und akzeptieren. Dann wird viel Intoleranz, werden viele Konflikte verschwinden.
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