BuddhaWeg-Sangha

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Fragen und Antworten

 

GELÜBDE

 

Wenn ich die Übersetzung der Bodhisattva-Gelübde lese, halte ich sie nicht für realistisch.

Das stimmt. Die Gelübde repräsentieren ein Ideal, das nicht umsetzbar ist. Es ist ein Ideal, das eine Richtung angibt. Wenn man tief über das erste Gelübde nachdenkt, alle fühlenden Wesen zu retten, ist es offensichtlich, dass die Umsetzung für eine Einzelperson unmöglich ist.

Was heißt das, dieses Gelübde abzulegen, obwohl es einem nicht möglich ist, es umzusetzen? Zuerst bedeutet es, dass ich nicht von mir glaube, selber in der Lage zu sein, alle Wesen zu retten, sondern dass ich ihnen helfen kann, sich von ihren Leiden zu befreien. Ich kann ihnen dabei helfen, den Weg zur Praxis zu finden, die es ihnen wirklich ermöglicht, sich selber von ihren Leiden zu befreien.

Wenn wir von allen Wesen sprechen, dürfen wir nicht unterscheiden zwischen den Wesen, die wir mögen, die uns nahe sind, und den anderen. Oft neigen wir dazu, mit den Menschen, die wir gerne haben, mitfühlend und wohlwollend zu sein. Der Bodhisattva hat eine universelle Liebe, das heißt eine Liebe, die keine Unterscheidung zwischen den Wesen macht. Hier können wir unsere Gren- zen bei der Verwirklichung beobachten. Das ist sehr interessant. Meiner Meinung nach ist dies eins der besten Kriterien des Erwachens. Bis zu welchem Punkt bin ich fähig, mitfühlend und wohl- wollend den Wesen gegenüber zu sein, die ich nicht kenne oder die mir gar feindlich gesinnt sind? Kann ich wirklich das Gelübde ablegen, allen Wesen zu helfen ohne auszuwählen? Dies wird zu einer guten Praxis und zu einer interessanten Beobachtung, um zu sehen, wo man selber in seiner eigenen Verwirklichung steht. In diesem Moment wird man natürlich seine Grenzen finden, man sollte dabei aber keine Schuldgefühle entwickeln.

Das Gleiche gilt für die anderen Gelübde. Sie sind so groß, so enorm, dass uns unsere eigene Verwirklichung, unsere Praxis im Vergleich zu den Gelübden immer ungenügend erscheint. Das darf aber nicht zu Schuldgefühlen führen. Wir dürfen uns nicht sagen: „Was bin ich für ein schlechter Bodhisattva, unfähig wie ich bin.“ Schuldgefühle sind eine Art Selbsthass, die gegen das buddhistische Gebot ‚nicht hassen’ gehen. Wir sollten auch uns selbst gegenüber wohlwollend sein. Daher ermuntert uns das Gelübde, jeden Tag unser Bestes zu geben und jeden Tag im Rahmen unserer Möglichkeiten einen weiteren Schritt in die richtige Richtung zu machen.

Wenn wir davon sprechen, alle Wesen zu retten, was bedeutet dabei ‚retten’? Im Buddhismus bedeutet es, zu erwachen. Aber niemand kann jemanden retten. Selbst der Buddha kann das Er- wachen nicht jemand anderem geben. Aber wir können den Wesen helfen zu erwachen.

Wenn mir diese Art Fragen gestellt werden, zitiere ich immer Meister Eno, den sechsten Patriar- chen. Seine Worte haben mich sehr beeindruckt. Er sagte: „Ich, Eno, bin unfähig, irgendjemanden zu retten.“ Meister Eno war ein großer Meister. „Ich, Eno, kann niemanden retten. Aber die Wesen können durch die eigene Buddha-Natur gerettet werden.“ Es bedeutet, dass die Macht dieses großen Meisters darauf beschränkt war, diese Buddha-Natur zu erwecken und jeden anzuregen, in Kontakt mit der eigenen Buddha-Natur zu kommen. Wodurch wird dies am ehesten realisiert? Durch Zazen. Letztlich ist die Rolle eines Bodhisattvas, die Zazen-Praxis mit den anderen zu teilen, und die anderen anzuregen, Bodaishin zu entwickeln, das heißt das Streben nach dem Erwachen, das einen ermuntert, Zazen zu praktizieren.

Die drei anderen Gelübde sind mit dem ersten verbunden. Sie sind die natürliche Konsequenz des ersten Gelübdes. Um das erste, grundlegende Gelübde zu realisieren, müssen wir die Wurzel aller Bonnos, aller Leidensursachen finden, indem wir uns selbst kennenlernen. Wir sind für uns selber das beste Spielfeld von Erfahrungen. Wir haben alle unsere Illusionen, unsere Anhaftungen, die mehr oder weniger entwickelt sind. Wenn wir uns darauf konzentrieren, unsere eigenen Bonnos zu beseitigen, geben wir den anderen ein gutes Beispiel und ermutigen sie, es uns gleichzutun. Außer- dem erlangen wir dadurch eine relative Weisheit, das heißt geeignete Mittel, um den anderen den Weg zu zeigen, wie sie ihre eigenen Anhaftungen aufgeben können.

Dann spricht man davon, alle Dharmas, alle Unterweisungen Buddhas, zu studieren. Es geht natürlich nicht darum, ein Experte für Buddhismus zu werden, sondern darum, aus der enormen Weisheit Buddhas zu schöpfen, die er in seinen verschiedenen, vielfältigen Lehren ausdrückte. Dabei findet man Mittel und Wege, zur Entwicklung der eigenen Weisheit, um den anderen zu helfen.

Zuletzt heißt es: „So vollkommen der Weg Buddhas ist, ich gelobe, ihn zu verwirklichen.“ Der Weg ist hier nicht nur der Weg, auf dem man vorangeht. Er ist auch der Weg im Sinne von Bodhi, die Verwirklichung des Erwachens. Auch hier geht es nicht nur um einen selbst. Wer das Erwachen verwirklicht, ist am besten in der Lage, die andern anzuleiten.

Beim Erwachen gibt es unterschiedliche Grade. Jedes Mal, wenn wir eine Illusion aufdecken und sie aufgeben, gibt es ein kleines Erwachen. Sich selbst tiefgehend verstehen bedeutet, zu erwachen. Das Erwachen eines vollkommenen Buddhas ist aber ein Erwachen, das die Allwissenheit be- inhaltet. Weil Buddha allwissend ist, versteht er alles, die ganze Wirklichkeit, und es fällt ihm leicht, allen Wesen zu helfen.

Dabei muss ich an Meister Deshimaru denken, der als Geschenk die Encyclopedia Britannica in zwanzig Bänden erhielt. Er sagte immer, man müsse über alles auf dem Laufenden sein. Es wäre nicht nötig, von allem und in jedem Bereich ein Spezialist zu sein, aber man müsse sich über alles informieren. Ein Bodhisattva, ein Zen-Meister muss über viele Dinge Bescheid wissen, um mit dem anderen Gespräche führen zu können. Ein Bodhisattva sollte die Probleme der Menschen aus den verschiedenen sozialen Schichten, den verschiedenen Berufen verstehen können. Umso mehr Kenntnisse man hat, desto besser kann man die Welt und die Wesen verstehen.

Es gibt noch einen weiteren Aspekt: Ein vollkommener Buddha ist in Einheit mit dem ganzen Universum, folglich ist er buchstäblich das ganze Universum. Seine Allwissenheit bedeutet, dass er alles ist. Das soll euch jedoch nicht entmutigen, die Bodhisattva-Gelübde abzulegen. Macht jeden Tag, was ihr könnt.

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Warum ist es notwendig, daß eine Person alle Lebewesen retten soll? Wie ist das möglich?

Das scheint ein völlig unrealisierbares Gelübde zu sein. Viele Leute sagen sehr aufrichtig: „Wenn ich mit diesem Gelübde anfangen muß, kann ich nie Bodhisattva sein.“ Aber man muss sehen, daß dieses Gelübde nicht etwas Willensmäßiges ist, etwas Verstandesmäßiges. Sondern es ist der Geist des Mitgefühls, der ausgehend von Zazen erscheint, der veranlaßt, daß man sich nichts anderes wünscht.

Wenn man wirklich mit Zazen verbunden ist, wenn man sich durch Zazen mit allen Lebewesen verbunden fühlt, möchte man diese Praxis des Erwachens, dieses Zazen, mit den anderen teilen. Gleichzeitig wird man sehr empfänglich für das Leid, für unser eigenes und das der anderen. Helfen zu wollen wird eine ganz natürliche Sache. Durch unsere eigene Erfahrung können wir uns bewußt werden, daß unser Willen zu helfen begrenzt ist. Im Grunde helfen wir durch das, was wir sind. Und wir sind das, was wir praktizieren. Die beste Art zu helfen besteht darin, sich auf die Praxis zu konzentrieren. Das hilft und ermutigt die anderen, es auch so zu machen. Dies gibt den anderen die Gelegenheit, auch zu praktizieren. Letztlich bin nicht ich es, der die Lebewesen rettet, sondern die Praxis von Zazen, mit der ich lebe.

Das ist der Grund warum Meister Deshimaru, als er die Gelübde übermittelte, sagte, daß alle Gelübde in der Praxis von Zazen enthalten seien. Das heißt nicht, daß wir nur Zazen machen und keine anderen Mittel finden sollen, um anderen zu helfen. Ein Bodhisattva muß die Weisheit haben, alle möglichen Mittel zu schaffen, um anderen zu helfen. Die Quelle dieser Mittel besteht darin, immer mit Zazen verbunden zu sein. Denn sonst ist Hilfe immer begrenzt. Letztlich ist es nicht mehr wichtig, daß man selber anderen hilft. Sonst wird die Person abhängig von einem selbst, der hilft. Die wichtigste Hilfe ist es, die Leute frei zu machen, sie in die Lage zu bringen, sich selbst zu helfen. Es handelt sich nicht darum, daß sie abhängig werden von meiner Hilfe, sondern daß sie die Quelle finden, um sich selbst helfen zu können. Die beste Art dies zu tun ist, sie in Kontakt mit Zazen zu bringen.

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Nehmen wir nicht den Mund ein bisschen voll, wenn wir rezitieren, dass wir geloben, alle Wesen zu retten?

Das hängt davon ab, mit welchem Geisteszustand man dieses Gelübde ablegt. In Wirklichkeit ist es das schönste Gelübde, das man ablegen kann. Aber wenn man glaubt, mit seinem eigenen Ego sei man in der Lage, allen Wesen zu retten, ist das eine Illusion. Man kann dieses Gelübde nur ablegen, wenn man darauf vertraut, dass in Wirklichkeit alle Wesen schon gerettet sind. Alle Wesen haben bereits die Natur des Erwachens. Ihnen fehlt nur, es zu erkennen und zu verwirklichen. Sie können es nicht ohne die Hilfe von anderen verwirklichen. Die Hilfe, die man den Wesen bringen kann, um ihnen zu ermöglichen, zu erwachen und sich von ihren Illusionen zu befreien, ist, sie auf ihrem Weg zu begleiten, ihnen die Möglichkeit zu praktizieren zu zeigen. Die Praxis wird sie retten, nicht ich. Ich kann niemanden retten. Aber ich kann die rechte Praxis zeigen, die die Person vielleicht retten kann. Die rechte Praxis kann eine Person erwecken, weil sie die Person in Kontakt mit ihrer wahren Natur bringt. Wir haben alle die Buddha-Natur. Sie ist es, die die Wesen rettet. Aber sie ist mehr oder weniger von allen Arten von Illusionen verdeckt. Um sie aufzudecken, muss man praktizieren. Um zu praktizieren, muss man darauf vertrauen, dass die Praxis uns befreien kann. Dafür brauchen wir jemanden, der uns ermutigt, der uns den Weg zeigt. Das ist das Gelübde der Bodhisattvas, da kann man handeln, den Weg zeigen.

Läuft das nicht auf Missionieren hinaus?

Du denkst an die katholischen Missionare, die die afrikanischen Urvölker missionieren wollten. Wenn man den Weg Buddhas praktiziert, hat man nicht diesen missionarischen Geist. Man begnügt sich damit, kund zu tun, dass der Weg existiert, und ihn zu zeigen, damit die Leute, die den Weg suchen, ihn finden können. Wir gehen nicht auf die Leute zu, zerren an ihnen und sagen: „Ihr müsst unbedingt Zazen praktizieren.“ Aber man kann ihnen sagen: „Da gibt es eine Praxis, die heißt Zazen. Wenn ihr die praktiziert, kann euch das helfen.“

Der Fehler der Missionare war, dass sie gleichzeitig alle auf eine sehr dogmatische Weise überzeugen wollten. Aber ein Bodhisattva handelt nicht so. Er muss aufmerksam auf die Situation einer jeden Person achten. Man kann Menschen nicht immer helfen. Aber wenn der richtige Moment da ist, in dem er einer Person helfen kann, der Moment, in dem sie sich helfen lässt, dann hilft der Bodhisattva. Man braucht Intuition und Beobachtung, um zu sehen, wann eine Person in einer Situation ist, in der man ihr den Weg zeigen kann. In der heutige Zeit sind die meisten Leute gar nicht bereit, Zazen zu machen. Wenn man sagen würde: „Ihr müsst Zazen machen!“, würden sie sagen: „Du gehst mir auf den Keks! Was soll ich damit?“ - Man muss den richtigen Moment finden.


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