BuddhaWeg-Sangha

Mitglied der Association Bouddhiste Zen d'Europe

Mitglied der Deutschen Buddhistischen Union

 

 

zurück zu

Fragen und Antworten

 

GEDANKEN

 

Welches Vertrauen kann man in seine Gedanken haben? Du hast gesagt, dass sie ohne Substanz sind und sich verändern. Aber das bedeutet doch nicht, dass sie bedeutungslos sind. Wie kann ich unterscheiden, ob meine Gedanken aus dem Zen-Geist hervorgehen oder egozentrischen Ursprungs sind?

Es gibt zwei Kriterien. Das eine stammt von Buddha. Es ist das rechte Denken, der erste Aspekt des Achtfachen Pfades. Hier handelt es sich um das Denken, das das Dharma ausdrückt und mit der tiefen Wirklichkeit übereinstimmt. Insbesondere erkennt dieses Denken deutlich die Unbeständigkeit und die Abwesenheit von fester Substanz in allem, was existiert. Beides sind Siegel des Dharma. Das ist wichtig. Es ist auch das Denken, das alle Konsequenzen zieht und keine Anhaf- tungen schafft. Weil alles unbeständig und ohne Substanz ist, können wir nichts festhalten, nicht einmal das rechte Denken, weil wir sonst dogmatisch werden. Wer dem rechten Denken anhaftet, verfälscht es.

Aus diesem Grund spricht man immer von der Leerheit der Leerheit. Aus der Leerheit heraus denken ist aus buddhistischer Sichtweise das rechte Denken. Wenn man diesem Denken aus der Leerheit heraus anhaftet, wird dieses Denken etwas, ein Objekt der Anhaftung, und folglich ist es nicht mehr Leerheit. Das ist das Kriterium der Unterweisung Buddhas.

Darüber hinaus gibt es eine Menge wissenschaftlicher Gedanken, die in einem gegebenen Moment richtig sind, z.B. ‚Die Erde dreht sich um die Sonne.’ Dieser Gedanke ist wahr, aber er entspricht nicht dem rechten Denken der buddhistischen Sichtweise. Vom buddhistischen Standpunkt aus ist das rechte Denken ein Denken, das aufweckt und befreit. Es befreit ganz konkret von den Leidensursachen, also den Illusionen. Im täglichen Leben ermöglicht das rechte Denken die Befreiung von einer Anhaftung. Falsches Denken verursacht oder verstärkt Anhaftungen und schafft dadurch Leiden.

-----

Warum werde ich von Gedanken überschwemmt? Ich würde sie lieber vorbeiziehen lassen.

Weil du ihnen zuviel Bedeutung beimißt. Du hältst die Gedanken für wichtig, und dann fließen sie in dich hinein. Aber wenn du deiner Haltung mehr Bedeutung beimißt, deiner Atmung und deiner Gegenwart in der Atmung, dann gibst du deinen Gedanken, deinen mentalen Phänomenen nicht zuviel Energie. Du kannst sie als das sehen, was sie sind: sehr unbeständige, sehr vorübergehende Phänomene. Das eliminiert sie nicht, das unterdrückt sie nicht. Aber das gibt ihnen weniger Bedeutung. Sie werden wie Wolken am Himmel, die vorüberziehen. Manchmal Wolken, manchmal Sonne; das ändert sich. Aber dein Geist ist letztlich viel weiter als die Phänomene, die auftauchen und ihn durchqueren, er umfaßt sie alle. Ich glaube, daß es in dieser Situation die beste Hilfe ist, daß deine Aufmerksamkeit im Körper verankert ist, dass du auf die Atmung in deinem Körper aufmerksam bist.

--------

Du hast gesagt, daß die Gedanken aus der Leere kommen. Aber wenn die Leere Leere ist, wie können dann Gedanken aus ihr kommen?

Weil die Leerheit nicht Leerheit ist. Die Leerheit ist nicht das Nichts. Leerheit bedeutet wechselseitige Abhängigkeit. D.h., daß unsere Gedanken uns nicht gehören. Sie sind Resultate verschiedener Einflüsse, und deshalb ändern sie sich auch ständig. Genau so wie alles, das uns ausmacht, nicht uns gehört. Unsere ganze Existenz ist nichts anderes als Beziehung zum Universum. Wenn man von Leerheit spricht, dann spricht man von der Abwesenheit von Substanz.

Wenn man das realisiert, gibt man den Gedanken, die auftauchen, wesentlich weniger Bedeutung. Man identifiziert sich nicht mit ihnen. Man läßt sie vorüberziehen. Dann verschwinden sie. Man kann sagen, sie kehren dahin zurück, wo sie hergekommen sind. Sie sind aus dem Kosmos erschienen, aus unserer Abhängigkeitsbeziehung zum Kosmos. Aber im ganzen Kosmos verschwindet nichts und taucht nichts auf, sondern alle Dinge ziehen nur vorüber. So wie eine Welle: Sie formt sich auf dem Meer, weil es einen Windstoß gab oder weil in der Ferne ein Schiff vorbeifuhr. Die Welle breitet sich aus und kommt am Ufer an, und dann geht sie zurück. Genau so ist es mit den Gedanken. Wo ist die Welle hergekommen und wo ist die Welle hingegangen? Natürlich hat sie eine Existenz, wir haben ihre Form gesehen. - Wenn du surfst, kannst du sogar auf der Welle reiten. - Die Welle ist etwas, die Welle ist keine Leerheit, aber diese Form hat sich entwickelt. Dann ist sie wieder zu ihrem Ursprung, zu ihrer Ganzheit, zum Ozean zurückgegangen. Das ist nicht nichts.

In einem Augenblick erscheint aus der Totalität heraus ein Phänomen, eine Form, und dann kehrt es zurück. Beim Zazen braucht man sich nicht Gedanken zu machen, woher der Gedanke kommt. Wenn ich z.B. sage ‘Laßt eure Gedanken zu ihrem Ursprung zurückkehren’, geht es einzig und allein darum, daß ihr sie nicht hin und her wälzt. Denn wenn du anfängst, über den Ursprung deiner Gedanken nachzudenken, wenn du die Bilder zu ernst nimmst und anfängst, die Metaphern auseinanderzunehmen, wirst du kompliziert. Das ist nicht nötig.

-------

Du hast von dem Prozess gesprochen, die Erscheinungen des Egos anzuschauen und sie loszulassen. Mit diesem Prozess bin ich unsicher, in der Zazen-Praxis und auch im Alltag. Wie genau soll man diese Gedanken und Erinnerungen angucken? Welchen Raum soll man ihnen geben? Ich kann ja nur das loslassen, was ich wahrgenommen habe.

Diese Frage ist sehr interessant. Wenn man zum Beispiel zu sehr konzentriert ist, lässt man den Gedanken und Phänomenen keinen Platz zum Erscheinen. Dann kann man nicht wirklich erwachen. So wie jemand, der den ganzen Tag lang beschäftigt ist und arbeitet und arbeitet. Er hat keine Zeit zum Nachdenken, keine Zeit für Phänomene, er hat nur die Arbeit. Natürlich hat er keine Sorgen und keine Probleme, während er arbeitet, aber er hat keine Gelegenheit zu erwachen. Man muss den Illusionen Raum geben. Aber wenn man ihnen zu viel Platz schafft, wenn man nur noch den Illusionen folgt, kann man auch nicht erwachen. Das ist eine Gratwanderung.

In Zazen zum Beispiel lässt man einen Gedanken auftauchen, bis er seine Form angenommen hat. Dann muss man ihn rasch erhellen und sich fragen: Was ist das für ein Gedanke? Das ist aber kein Moment, um den Gedanken zu analysieren: Warum denke ich gerade daran? Was ist der Grund? – So erzeugt man nur noch mehr Gedanken und findet kein Ende.

Die Beobachtung im Zazen besteht darin, einen Gedanken, eine Empfindung oder eine Wahrnehmung erscheinen zu lassen, einige Sekunden lang, würde ich sagen, keine Viertelstunde, nur einige Sekunden, die Zeit, in der die Form angenommen wird, damit man erkennt, um was es sich handelt. Dann beobachtet man, was es ist, nicht warum es ist, sondern was es ist: Was ist seine Essenz? Diese Frage als Koan hat die Macht, uns der wahren Natur der auftauchenden Erscheinungen näher zu bringen. So können wir erwachen.

Die Konzentration hat zwei Aufgaben, zuvor und danach. Zuvor ist es die Aufgabe, den Geist aufzuklären, damit man nicht zu verwirrt ist. Denn wenn zu viele Gedanken durcheinander auftauchen, kann man nicht einen einzigen Gedanken oder eine einzige Wahrnehmung erhellen. Dann ist man wie in einem Wirbelsturm oder einem Nebel, dann gibt es kein Licht und Aufklärung ist nicht möglich. Die Konzentration ist nötig, um einen ausreichend klaren Geist zu erlangen, um in jedem Augenblick sehen zu können, was erscheint. So wie das Wasser klar genug werden muss, damit man die Perle auf dem Grund erkennen kann. Das ist die Aufgabe der Konzentration: den Geist erhellen.

Dann kommt die Intuition: Was ist es? Nur Leerheit, keine Substanz. Das ist die Intuition. Wenn man danach die Konzentration nicht pflegt, bleibt man von dem Gedanken besessen, selbst wenn man verstanden hat, dass er ohne Substanz ist; das heißt, man kann ihn nicht vorbeiziehen lassen. Konzentration ist nötig, um den Geist zu klären, bevor man zur Wirklichkeit erwacht, und um sich mit der Wahrheit in Einklang zu bringen, nachdem man sie gesehen hat.

Ein einfaches Beispiel: Jemand kann intuitiv wohl verstehen, dass ihm nichts gehören kann, dass er nichts besitzen kann: Selbst sein Körper kann krank werden, ohne dass er die Kontrolle darüber hat. Er altert und wird eines Tages verschwinden. Das Geld, das er verdient hat, kann verschwinden, es kann gestohlen werden. Er kann seine Arbeit verlieren. Das kann jeder verstehen. Aber wenn du, nachdem du das Dojo verlassen hast, feststellst, dass deine Geldbörse verschwunden ist, und du deshalb wütend wirst, es nicht vorbeiziehen lassen kannst, weil du viel Geld verloren hast, dann ist dies der Moment, in dem du dich konzentrieren musst. Ansonsten hast du gut verstanden, dass Geld nichts bedeutet, aber in der Praxis haftest du ihm noch sehr an. In diesem Moment muss man sich gut konzentrieren und ausatmen. Nicht einfach denken: „Ach, das macht doch nichts“, sondern es leben, den Geist leben, der sich an nichts klammert, der nicht einem Gedanken nachhängt. In dem Moment selbst sagst du natürlich „So ein Mist!“, aber zwei Sekunden später ist es vorbei.

Der Raum, den du dem gibst, ist kurz, nur einige Sekunden lang.

--------

Ich praktiziere seit acht Jahren Zazen, aber ich habe manchmal das Gefühl, ich komme überhaupt nicht weiter. Ich bin immer noch genauso unkonzentriert wie am Anfang. Es läuft und läuft und läuft. Es gelingt mir vielleicht mal 10 Sekunden, daß ich dem zuschauen kann, daß ich das beobachten kann. Ich folge den Gedanken, es wird einfach nicht besser. Ist das normal?

Nein, das ist nicht normal. Normal ist, daß immer Gedanken auftauchen. Es ist die Eigenschaft des Gehirns, immer Gedanken zu produzieren. Solange man lebt, funktioniert das Gehirn, und das Gehirn muss Gedanken produzieren. Die Neuronen tuschen immer Informationen aus. Wenn das aufhört, ist das Gehirn tot. - Zen ist kein Gehirntod.

Normalerweise ändert sich mit der Praxis unsere Haltung dem gegenüber, d.h. die Haltung, daß man sich nicht an die Gedanken klammert. Das Merkmal der Zazenpraxis ist, das wirklich vorüberziehen zu lassen. Natürlich wird man manchmal von einem Gedanken angezogen und folgt diesem Gedanken, ohne sich dessen bewußt zu sein, für einen Augenblick. Aber mit der Praxis der Konzentration kommt man normalerweise schnell zur Haltung und zur Atmung zurück und läßt den Gedanken los.

Im Alltag ist es genauso: Wenn man im Alltag durch etwas verletzt wird oder starkes Leid, ein starkes Gefühl empfindet, verschwindet das nicht mit der Praxis. Was man mit diesem psychischen Phänomen macht, ändert sich, unsere Haltung. Mit der Dauer der Praxis kommt man normalerweise dahin, nicht in diesen Gedanken zu verweilen, nicht auf dem zu verweilen, was geschieht, und sich davon nicht vorantreiben zu lassen.

Wenn dir das nicht gelingt, heißt das, daß du ein Problem mit deiner Konzentration hast. Du solltest dich also wirklich vorwiegend auf den Körper und auf die Atmung konzentrieren, wirklich zu den Grundlagen zurückkehren. Es gibt Dinge, die dir vielleicht dabei helfen können. Meister Deshimaru sagte, wenn man trotz der Konzentration auf Haltung und Atmung immer in Sanran ist, d.h. durch Gedanken gestört wird, muß man eher die Beobachtung praktizieren. Wenn du obwohl du auf Körper und Atmung konzentriert bist, trotzdem dich in Sanran spürst, Sanran dich vorwärts treibt und es dir nicht gelingt, Sanran zu beobachten, kann dir eine andere Form von Achtsamkeit helfen: Du kannst dich darauf konzentrieren, den Augenblick zu betrachten, in dem ein neuer Gedanke, ein neues Phänomen, erscheint, d.h. mit sehr großer Aufmerksamkeit betrachten, was als nächstes kommt. Nur das. Ich habe selbst erlebt, daß, wenn ich diese Art von Beobachtung praktizierte, sie die Phänomene erschöpft und anhält. Ein Phänomen erscheint und schnell verschwindet es. Nicht, indem man sich bemüht, den Gedanken zu eliminieren, sondern indem man wirklich schaut: „Was ist das eigentlich?“ „Was kommt da?“

Wenn ich diese Frage stelle, fange ich schon wieder an, darüber nachzudenken. Ich halte mir ständig selbst ein Kusen.

In Wirklichkeit sind das Fragen, auf die man keine Antwort suchen sollte. Das sind keine Fragen, auf die man antworten sollte: „Ah das ist das. Daraus folgt dann das.“, usw. Denn diese Art, eine Antwort auf die Frage: „Was ist das?“ zu geben, ist eine relative Art der Antwort: „Das weil dies, dies weil jenes.“ Das hört überhaupt nicht auf, das stimuliert das Denken. Auf die Frage: „Was ist das?“, sollte man keine Antwort geben. Einfach die Frage offen lassen.

Du mußt verstehen, daß kein Kusen, keine Erklärung, wirklich erfassen kann, was es ist. In dem Augenblick kommst du zu einer anderen Qualität des Sehens. Es ist einfach das. Dann fügst du keine innere Rede dazu. Einfach das. - Ich glaube, daß so zu praktizieren dir helfen wird.

--------

Du hast gesagt, dass man in Zazen keinen Zustand ohne Gedanken suchen solle. Aber das ist es, was ich im Augenblick lebe oder fast lebe, ohne dass ich es gesucht habe: Während dieses Sesshin habe ich betrachtet, was da passiert. Ich habe den Eindruck, dass die Gedanken da sind, ich sie aber sehe, bevor sie kommen, und dann kommen sie nicht wirklich. Ich hatte lange Zeit den Eindruck, als wären drei Radios zugleich eingeschaltet.

Bringt dich das in einen Zustand von Schläfrigkeit, von Kontin?

Nein, ich habe den Eindruck, dass ich alles wahrnehme, was in meinem Körper passiert, dass ich die Klänge höre.

Dann gibt es doch kein Problem. - Ich sagte, man solle das Nichtdenken nicht suchen. Aber bei dir gibt es nicht die völlige Abwesenheit von Gedanken. Empfindungen, Gedanken laufen schnell durch.

Ich sehe nicht immer, was der Gedanke ist. Ich sehe, da kommt ein Gedanke auf, aber ich nehme seinen Inhalt nicht wahr. Ich sehe nichts.

Dann beobachte dieses Nichts. - Noch einmal: Es ist wichtig, nicht in einen Zustand des Nichtdenkens gelangen zu wollen. Wichtig ist nicht, ob Gedanken da sind oder nicht. Wichtig ist, die wirkliche Natur der Gedanken zu sehen, d.h. zu sehen, dass sie keine Substanz haben, so dass man sich nicht an sie klammert. Denn ein Zazen ohne Gedanken zu machen wäre so, als würde man tief schlafen. Wenn du dann aus dem Schlaf aufwachst oder aus Zazen herausgehst, läufst du Gefahr, die Gedanken und die Sorgen des Alltags wieder zu treffen. Keines der Probleme ist gelöst.

Auch im Alltag geschieht es mir häufiger, dass ich in solchen Zuständen bin wie jetzt.

Aber du hast auch gesagt, dass es Zeiten gibt, in denen du denkst, in denen du sogar sehr viel denkst. Beobachte zumindest in diesem Augenblick, was da geschieht. Was da aus dir kommt und welche Anhaftungen und Täuschungen sich daran knüpfen. Das ist wichtiger als Gedanken zu suchen oder ohne Gedanken zu sein.

 


Kontakt   Juristischer Hinweis