BuddhaWeg-Sangha

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Fragen und Antworten

 

GEBURT

 

Ist der Zustand vor der Geburt mit dem Zustand nach dem Tod identisch?

Nein. Ich kenne beide Zustände nicht, weil ich hier und jetzt bin. Sicher ist aber, dass unsere geistigen Zustände sich unablässig ändern. Die Zustände vor der Geburt und nach dem Tod sind zwangsläufig verschieden vom jetzigen Zustand. Vor der Geburt und nach dem Tod gibt es ein Leben, eine Existenz dazwischen, wodurch Veränderungen zwischen beiden Zuständen zustande kommen.

Im Zen kümmert man sich nicht um den Zustand vor der Geburt oder nach dem Tod. Man konzentriert sich auf das Hier und Jetzt. Aber ich denke, deine Frage bezieht sich darauf, dass ich vorhin vom Gesicht vor der Geburt gesprochen habe. Das heißt nicht, dass man zum Zustand vor der Geburt zurückgehen soll. Dieser Ausdruck ‚unser wahres Gesicht vor unserer Geburt’ spielt nicht auf das an, was vorher geschah. Es geht um hier und jetzt. Es ist unser Gesicht, das heißt, wir selbst, das sich noch nicht mit unserem kleinen Ego identifiziert. Als Meister Isan seinen Schüler Kyogen aufforderte: „Zeige mir dein wahres Gesicht vor der Geburt deiner Eltern“, wollte er ihm deutlich machen, was die tiefe Essenz seines Lebens hier und jetzt ist, bevor er sich mit einem Ich identifizierte, bevor er sagte: „Ich bin jemand, der so und so ist.“

Was bist du jenseits davon, ein Student, ein Lehrer zu sein, dich für unterschiedliche Dinge zu engagieren, jenseits all der Dinge, die dich charakterisieren? Wer bin ich, bevor ich mich damit identifizierte, Roland Rech zu sein, ein Godo mit dieser oder jener Erfahrung? Wenn ich mich nicht mit all den Dingen identifiziere, die ich in meinem Leben getan habe, wenn ich mich nicht mit dem Bild identifiziere, dass ich mir von mir gemacht habe, wer bin ich im Grunde? – Das ist die Suche nach dem wahren Gesicht vor der Geburt, vor den Konditionie-rungen. Anders gesagt, was ist das Wesentliche in meinem Leben, wenn ich alle Masken, alle Identitäten, die ich mir gegeben habe, fallenlasse? Das ist wirklich der Sinn der Zen-Praxis, das ist Shin jin datsu raku, all unsere Anhaftungen an Körper und Geist loslassen.

Die Frage nach dem Zustand vor der Geburt oder nach dem Tod ist eigentlich eine andere Frage. Ich habe angenommen, dass deine Frage sich auf den Ausdruck ‚das Gesicht vor der Geburt’ bezog, dazu habe ich jetzt geantwortet

Ich habe gestern die Geschichte von einem jungen Mönch mit einer brennenden Kerze gelesen, der von einem Laien gefragt wurde, ob er wisse, wo das Feuer herkäme. Der Mönch löschte die Flamme und fragte den Laien: „Sage du mir erst, wo es hingeht.“ Ich habe darüber nachgedacht und kam zu dem Gedanken: Worüber mache ich mir eigentlich Sorgen? Vor meiner Geburt habe ich mir auch keine gemacht.

Das bedeutet, dass der Ursprung, die Quelle unfassbar ist. Und auch das Ziel ist unfassbar. Man kann nicht erfassen, wo man herkommt und wo man hingeht, weil es unbegrenzt und unendlich ist. Es gibt immer etwas vor dem Ursprung.

Woher kommt das Feuer? Da müsste man zurückgehen zum Big Bang, und selbst vor dem Big Bang gab es bereits etwas. Das Gleiche gilt für die Zukunft. Ursprung und Ende sind unfassbar. Aus diesem Grund lehrt man im Zen, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Man kümmert sich nicht darum, woher das Feuer kommt oder wohin es geht, sondern darauf, die Kerze richtig zu benutzen, damit man nicht hinfällt.

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Es gibt Nonnen, die Familie und Kinder haben, und wir freuen uns natürlich darüber, wenn wir Kinder bekommen. Aber ich habe den Eindruck, dass sich Zen-Meister nicht in der gleichen Art über die Geburt eines Kindes freuen, wie dies andere Menschen tun.

Das ist unterschiedlich. Buddhisten neigen dazu zu zögern, sich über eine Geburt zu freuen, denn geboren zu werden heißt, in der Welt des Leidens, in der Welt des Samsara wiedergeboren zu werden. Das traditionelle Ideal der Buddhisten ist es, dem Samsara zu entkommen. In dieser Welt des Samsara geboren zu werden bedeutet, dem Leiden von Alter, Krankheit und Tod ausgesetzt zu sein und dem Leiden, das darin besteht, nicht das zu bekommen, was man möchte, und das zu bekommen, was man nicht möchte. Geboren werden heißt also, dass auf jeden Fall ein Wesen auf die Welt kommt, das leiden wird, selbst wenn es viel Glück haben sollte. Aus dieser Sicht kann man sagen, dass man sich nicht über eine Geburt freuen sollte.

Ich persönlich habe eine andere Auffassung. Meister Deshimaru hat auch nie gesagt, dass eine Geburt eine Katastrophe ist. Er hatte fünf Kinder und war damit, glaube ich, sehr zufrieden. Seit fast zwei Jahrhunderten heiraten Zen-Mönche und haben Kinder; wenn sie das als Katastrophe ansehen würden, würden sie keine Kinder bekommen. Wenn die Geburt eine Katastrophe wäre, wäre Buddha nicht in der Welt erschienen.

Das schließt an das an, was ich zum Shusho-gi gesagt habe, dass es etwas äußerst Glückliches ist, als Mensch geboren zu werden. Genau deshalb, weil man dem Leiden begegnen wird, kann man auch Bodaishin entwickeln, das Erwachen anstreben. Das Leben ist nicht nur Leiden, sondern im Leben gibt es Leiden. Deshalb hat man auch die Möglichkeit, den Geist des Erwachens zu entwickeln. Im ganzen Kosmos können nur Menschen das Erwachen realisieren und Buddha werden. Weil das aus buddhistischer Sicht der Sinn des Lebens ist, ist es etwas sehr Glückliches, als Mensch geboren zu werden, eine Gelegenheit, die man nicht versäumen sollte.

Die Zen-Meister haben also immer unterwiesen: Vergeudet nicht dieses kostbare menschliche Leben. Wenn das menschliche Leben kostbar ist, kann man nicht sagen, dass es sich um eine Katastrophe handelt. Aber wenn man sieht, dass ein Baby geboren wird, weiß man, dass es eines Tages sterben wird und dass es bis dahin auch Leiden haben wird.

Man ist also geteilter Auffassung: ein neuer Mensch, der erwachen kann, aber um dahin zu kommen, muss er durch Leiden gehen.


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