BuddhaWeg-Sangha

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Fragen und Antworten

 

ERWACHEN

 

Warum sind die Worte, die Buddha am Morgen seines Erwachens gesprochen hat, die einzig möglichen Worte, die er aussprechen konnte: „Ich habe das Erwachen gemeinsam mit allen Wesen erreicht.“

Ich glaube, das war das Wesentliche dessen, was er realisiert hatte. Die Erfahrung seines Erwachens war, dass er völlig mit allen Wesens des Universums war. Er hat nicht nur das Erwachen mit allen Wesen realisiert. Sein Erwachen war, dass er eins mit allen Wesen war.

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Dogen hat davon gesprochen, dass er mit leeren Händen und ohne Buddhismus nach Japan zurückkam. Wäre es in unserer Praxis richtig und vielleicht auch hilfreich, statt von ‚Erleuchtung’ eher von ‚Ernüchterung’ zu sprechen oder vom ‚Verlieren der Illusionen’?

Wenn man vom Erwachen spricht, meint das, die Illusionen zu erhellen und sie fallen zu lassen. Es passiert oft, dass die Menschen schnell die Bedeutung der Worte vergessen, die sie benutzen, und sich an ihre eigenen Ideen bezüglich des Erwachens klammern. Jedes Mal, wenn ich von ‚Erwachen’ spreche, spreche ich davon, aus seinen Illusionen zu erwachen und ihre Leerheit zu sehen. Ich habe nie vom Erwachen als etwas gesprochen, das man ergreifen kann.

Das Problem besteht darin, dass es immer einen Unterschied gibt zwischen der Unterweisung, wie ich sie gebe, und der Weise, wie jeder einzelne sie hört und versteht. Um zu vermeiden, dass die Unterweisung falsch verstanden wird, muss man sie immer wieder wiederholen. - Aber in dem Moment, wo man spricht, muss man Worte benutzen.

Wie ich in letzter Zeit mehrfach gesagt habe, benutze ich lieber das Verb ‚erwachen’ als das Nomen ‚Erwachen’. Erwachen ist eine Handlung, eine Praxis, eine Funktionsweise. Es geht nicht darum, etwas zu erlangen.

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Wenn man den Augenblick des Erwachens lebt, ist man Körper und Geist. Wie stellt sich das Phänomen des Erwachens für den Körper und für den Geist dar? Ich weiß, daß es keine Berührung mit einem magischen Stab ist. Ist es eine Energie, die in Lichtform oder in Klangform auftaucht? Springt man ins Leere? Oder ist es plötzliches Wissen?

Ich hoffe, daß Sie nicht erwarten, daß ich eine Antwort auf diese Frage gebe. Ich würde Ihnen einen sehr schlechten Dienst leisten, denn dann würden Sie auf etwas warten, das der Beschreibung entspricht, die ich gegeben hätte. Auf jeden Fall kann ich sagen, daß es kein großes Lichtphänomen und kein großes Klangphänomen ist, sondern eine große Befreiung.

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Im Zen spricht man von Mushotoku, ohne Ziel und Profitgeist. Ich habe oft gehört, man soll das Erwachen nicht suchen. Aber für alle Meister der Weitergabe war das Erwachen eine Frage von Leben und Tod. Also haben sie doch zumindest am Anfang auf jeden Fall das Erwachen gesucht. Im Zen sagt man: ‘Alles ist Buddha’. Aber am Anfang steht doch ein Leiden und irgendwo auch ein Ziel.

Ja, sicher. Das, was man bodaishin, Geist des Erwachens, nennt, ist der Geist, der sich des eigenen Leidens und des Leidens aller Wesen bewußt wird. Man legt das Gelübde ab, sein ganzes Leben daranzusetzen, dieses Leid zu lösen. Es gibt also ein Gelübde, einen sehr kräftigen Wunsch, der alle Energie in Richtung der Praxis des Weges mobilisiert.

Es ist wichtig zu verstehen, daß der Wunsch zu erwachen, nicht auf einen selbst bezogen sein darf. Wenn ich das Satori haben möchte um mich persönlich, ganz alleine, aus dem Leiden zu befreien, bin ich auf dem falschen Weg, dann habe ich nur einen neuen egoistischen Wunsch. Der Wunsch ist vielleicht etwas verfeinert, aber es ist nach wie vor der egoistische Geist, der etwas erhalten möchte.

Der Wunsch zu erwachen muß mit großem Mitgefühl für die anderen Wesen zusammengehen. Alle Energie, die ich einsetze, um selbst auf dem Weg voranzukommen, setze ich nicht ein, damit ich selbst vorankomme, sondern um allen zu helfen. Dann verschwindet der Widerspruch zwischen 'keinem persönlichen Ziel' und der Suche nach Erwachen. Denn Mushotoku heißt, keinen Nutzen für sich persönlich zu suchen, für sich alleine.

Aber es gibt da noch etwas anderes: In einem bestimmten Augenblick wird man sich bewußt, daß es nicht notwendig ist, das Erwachen zu suchen. Erst in dem Augenblick, indem man sich bewußt wird, daß das Erwachen nichts ist, was es zu erlangen gilt, ist es da.

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Die Intellektuellen im Westen haben den Unterschied gemacht zwischen plötzlichem Erwachen und graduellem Erwachen.

Das kommt schon aus China.

Es gibt kein Erwachen ohne konstante Anstrengung in der Praxis. Aber das augenblickliche Erwachen verwirklicht sich, wenn man vertraut versteht, daß das Erwachen bereits in der Praxis vorhanden ist, d.h. wenn man in der Lage ist, wirklich mushotoku zu praktizieren. In der Praxis verschwindet der dualistische Geist dann, wenn man wirklich einzig und allein sitzen und voll verstehen kann, daß diesem Sitzen nichts fehlt, noch nicht einmal das Erwachen, daß das Erwachen im Sitzen ist.

Es gibt auch ein plötzliches Verstehen. Aber wenn man diese Form des Erwachens erwartet, wenn man in der Erwartung sitzt, daß eine plötzliche Erleuchtung auftaucht, bringt uns dieser Geisteszustand in einen Gegensatz zum Erwachen. Statt loszulassen und wirklich einfach nur zu sein, frei von allem, frei von allen Zielen, von allen Leidensursachen, strengt man sich an in der Erwartung von irgend etwas. Man steht unter Spannung. Das steht im Gegensatz zum Erwachen.

Erwachen geschieht genau in dem Augenblick, in dem man versteht, daß das Licht schon da ist und man kein besonderes Erwachen erwarten muß. Anders gesagt - wir sind in einem christlichen Kloster, deshalb kommt mir dieses Bild - Gott ist nicht verborgen, er ist immer da. Doch man glaubt er sei weit weg, er sei irgendwo im Himmel verborgen. Er ist aber immer schon da.

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Ich wundere mich, daß es bei den alten Meistern so viele Erweckungsmomente gibt: den Anblick der Pflaumenblüten; den Kiesel, der den Bambus berührt; Meister Dogen, Meister Nyojo und die Sandale; Buddha Shakyamuni unter dem Bodhi-Baum. Das erweckt den Eindruck, es gäbe irgend etwas zu erreichen. So erlebe ich das nicht, so verstehe ich das nicht.

Aber du bist es, der sagt, dass es da etwas zu erlangen gibt. Dogen hat nie gesagt, daß er etwas erlangt hat, auch Buddha nicht, auch Kyogen nicht. Sie haben nichts erlangt.

Aber so, wie ich deine Unterweisung verstehe, ist die wahre Erleuchtung, ein Hin und Her zwischen der Illusion und der Erleuchtung, von der Erleuchtung zur Illusion und von der Illusion zur Erleuchtung. Das ist eine Bewegung, kein fester Zustand. So erlebe ich das selbst auch.

Dogen, Buddha und Kyogen haben nie gesagt, daß das ein fester Zustand ist. Das ist deine Vorstellung.

Warum haben sie dann einen einzigen Zustand als ihren Erwachenszustand beschrieben?

Das ist ein Augenblick, in dem ihr Zweifel verschwunden ist. Aber dieser Augenblick ist etwas, das sich ständig in der Praxis wiederholt. Das ist nicht begrenzt auf einen Zeitpunkt.

Aber es ist wahr, daß es in dem, was man das Satori nennt, zwei Aspekte gibt. Es gibt eine Praxis, die in sich selbst Verwirklichung ist. Da handelt es sich nicht um ein besonderes Ereignis. Es ist die natürliche Rückkehr zum Normalzustand in der Zazenpraxis, in der es keinen Zweifel mehr gibt, keinen Zwiespalt im Geist mehr. Aber manchmal gibt es ein plötzliches Erkennen unserer Illusionen. Und dann gibt es etwas, das abfällt, und das nennt man das unmittelbare Satori, das Satori als Ereignis. Aber beide sind miteinander verknüpft. Denn alle Praktizierenden, die diese Erfahrung gemacht haben, waren Leute, die Zazen praktizierten. So war es ihre Zazen-Praxis, die es ihnen in einem bestimmten Augenblick ermöglicht hat, ihren Zweifel aufzugeben und das fallen zu lassen, was in ihrem Geist noch als Zweifel hauste.

Oft waren das Leute, die alle Begierden aufgegeben hatten, nur auf den Weg konzentriert waren, nichts außer Zazen praktizierten. Es war eine sehr intensive, sehr kräftige Praxis. Oft spürten sie in dieser Praxis etwas Schmerzhaftes. Plötzlich wurden sie sich bewußt, daß es in der Praxis nichts zu erfassen gibt. Dieser Augenblick von Kensho, von Satori, ist der Augenblick, in dem man ganz plötzlich begreift: Es ist ganz einfach, es gibt nichts zu ergreifen.

Es ist also gerade nicht so, daß etwas dahinter ist, das man ergreifen kann; sondern das Kensho geschieht in dem Augenblick, in dem man versteht, daß es nichts zu ergreifen gibt, in dem die Idee, daß es etwas zu ergreifen gibt, abfällt. Ab diesem Augenblick kann die Praxis viel friedlicher weitergehen, weil keine Spannung auf irgend etwas hin mehr besteht.

Aber da unser vergangenes Karma nicht plötzlich aufhört, gibt es immer wieder Wellen von Bonnos, die wieder auftauchen. Diese Wellen werden durch das Hishiryo-Bewußtsein von Zazen erhellt. Das ist dann der Augenblick, um das zu tun, was du sagtest, nämlich die Illusionen im Zazen erhellen. Mit der Fortsetzung der Praxis, mit der Fortsetzung des Weges, läßt man sich weniger von den Bonno und vom Karma antreiben. Bonno und Karma werden nicht unterdrückt, sie existieren weiter. Aber unsere Tendenz, ihr Gefangener zu sein, nimmt ab. Denn die Weisheit von Zazen erhellt immer schneller die Täuschung. Die Bewegung, die du zwischen Illusion und Satori beschrieben hast, wird also immer schneller.

Du hast das Leben dieser alten Meister als sehr auf die Praxis konzentriert geschildert. Ich habe den Eindruck, so lebst du auch. Gibt es für dich denn so ein Erlebnis, das du herausgreifen würdest.

Nein, überhaupt nicht. Ich bin einfach nur unfähig nein zu sagen, wenn die Leute mich bitten, ein Sesshin zu leiten. Deswegen mache ich immer Zazen. Ich habe nicht vor, irgend etwas zu ergreifen, aber ich habe Schwierigkeiten, nein zu sagen. Denn ich glaube, dass die Zazen-Praxis wirklich gut ist. Das ist eine sehr glückliche Erfahrung. Und wenn die Leute mich bitten, mit ihnen Zazen zu machen, akzeptiere ich das immer wieder, und so mache ich die ganze Zeit Zazen. Es sind die anderen, die mich ziehen. Es bin nicht ich, der irgend etwas ergreifen möchte.

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Kann jemand in Afrika, der in der Wildnis mit seinen Tieren lebt, oder auch ein Bauer, der sein Feld pflügt und in Harmonie mit seinem Land ist, das Satori haben? Kann er erwachen?

Ja.

Man sagt immer, das Erwachen bedeute, mit der kosmischen Ordnung in Harmonie zu sein. Wenn man ein natürliches Leben führt, etwa so wie früher die „guten Wilden“, dann stellt man sich vor: „Ja, das ist Satori!“ Ich bin da ein bisschen skeptisch. Ich glaube nicht, dass es reicht, ein natürliches Leben zu führen. Es geht darum, unsere wahre Natur zu verstehen. Sonst geht es demjenigen, der ein natürliches Leben führt, nur sehr gut, solange in seiner Umgebung alles schön ist und alles friedlich abläuft. Aber es kann jederzeit ein Problem oder eine Schwierigkeit auftauchen. In diesem Moment kann der „gute Wilde“, der anscheinend Satori hat, ziemlich gewalttätig werden und große Illusionen bekommen.

Warum ist er ein „guter Wilder“? Weil die Bedingungen um ihn herum gut sind, nicht weil er durch seine Praxis, durch sein Nachdenken und durch seine Meditation verstanden hat. Er lebt nur in einem Kontext, in dem alles gut und friedlich ist. Stell dir eine große Trockenheit vor, während der es ihm an Nahrung mangelt. Dann kann es sein, dass er die Nachbarn tötet oder ihr Essen stiehlt. Nichts ist wirklich tief gegründet, nur weil man ein natürliches Leben führt. Das reicht nicht. Man muss sich selbst und die wahre Natur unserer Existenz verstehen. Dann ändert sich der Geist nicht, selbst wenn sich die Bedingungen ändern. Das ist das Erwachen: nicht von irgendwelchen Umständen abhängen.

Es gibt Menschen, die sehr freundlich und friedlich sind, wenn alles in Ordnung ist. Plötzlich taucht ein Konflikt auf und dieselben Personen werden zu Folterknechten. Dieser natürliche Zustand ist deshalb ein zerbrechlicher Zustand, weil er völlig von den Bedingungen abhängt. Erwachen heißt, frei von den Bedingungen zu werden. Man wird fähig, gut und mitfühlend mit einem Feind zu sein. Das ist nicht sehr natürlich. Natürlich ist, seinen Feind zu töten, wenn er angreift. Das Erwachen geht über diesen natürlichen Zustand hinaus.

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Manchmal ist die Rede von absolutem Erwachen. Wenn man davon ausgeht, dass die Wesen nicht voneinander getrennt sind, müssten doch eigentlich, wenn ein Wesen absolute Verwirklichung erreicht hat, alle Wesen befreit sein.


Das hat Buddha gesagt, als er erwacht war. Er sagte: „Ich habe das Erwachen realisiert mit allen Wesen.“ In seiner Haltung gab es keine Trennung mehr von allen Wesen. In diesem Moment hat er alle Wesen ebenfalls erwacht gesehen. Er hat sie so gesehen, wie er sich selbst in seiner wahren Natur sah. Das ist das grundlegende Erwachen, das ursprüngliche Erwachen. Sehen, daß ursprünglich alle Wesen die Wirklichkeit sind, so wie sie ist.

Aber jeder muß das subjektiv für sich selbst realisieren. Selbst wenn jeder ursprünglich die Buddha-Natur hat, selbst wenn ursprünglich jeder erwacht ist, muß man es selber erfahren, denn das Erwachen von einem anderen hat keinen Nutzen. Selbst wenn Buddha Shakyamuni vor 2500 Jahren erwacht ist, bleibt dieses Erwachen für dich etwas Potentielles, wenn du nicht selbst erwachst. Daß Buddha vor 2500 Jahren erwacht ist, ist der Beweis, daß dies möglich ist, denn er war nicht jemand besonderes, er unterschied sich nicht von uns. Er war ein normaler Mensch.

Er sagte, daß er mit allen anderen Wesen erwacht ist. Das heißt, daß er die Tür für das Erwachen geöffnet hat. Die Wahrheit, zu der er erwacht ist, ist universell. Sie ist nichts Besonderes, auf ihn Beschränktes. Sie ist etwas, was wir alle teilen. Aber jeder muß es selber realisieren.

Manchmal wird unterwiesen, daß wenn ein Wesen erwacht, alle anderen auch erwachen. Das nennt man Doji Jodo, simultanes Erwachen. Dogen hat das z.B. im Bendowa unterwiesen. Das ist so mit Bllick auf die unsichtbare Welt: In Ku ist alles Ku - keine Trennung, kein Unterschied mehr. Das ist die tiefste Aspekt. Aber jeder muß ihn selbst realisieren, sonst bleibt man bei der Möglichkeit.

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Wenn ihr Zenmeister nach eurem eigenen Erwachen gefragt werdet, antwortet ihr meistens sehr diplomatisch oder geheimnisvoll. Das kann ich verstehen als Zeichen, dass man Satori nicht mit Worten beschreiben kann. Und die Geschichten im Kusen gefallen mir sehr, in denen es heißt: ’Da erwachte er vollständig’. Das heißt, es muss Kriterien geben für den Meister zu erkennen, ob der Schüler erwacht ist. Woran erkennt ihr bei anderen das Erwachen, und woran könnte ich bei mir erkennen, dass ich zu meinem vollen Wesen erwacht bin?

Das wichtigste Kriterium ist, sich von der Anhaftung daran zu befreien. Denn dann ist es nicht mehr nötig, sich an irgendetwas zu klammern, weder an seine gewöhnlichen Täuschungen, noch an den Weg, Buddha, das Satori. Man muss erkennen, dass man wirklich nichts mehr braucht, dass nichts fehlt. Dann gibt es keinen Zweifel mehr.

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Wir haben über die Vier Edlen Wahrheiten gesprochen. Es beginnt damit, dass Buddha seine Erweckung hatte. Ich empfinde das so, dass er sagte, dass nun das große Erwachen da war und danach nichts mehr zu tun war. Im Zen habe ich den Eindruck, dass immer auch unterwiesen wird, dass das Zazen einen ein Leben lang begleitet. Die Frage ist, ob Buddha Shakyamuni nach seiner Erweckung noch Arbeit vor sich hatte oder nicht?

Ja, das Erwachen weiter zu geben. Er hat 45 Jahre damit zugebracht zu unterweisen. Das war das Ende seines langen Lebens als Bodhisattva.

Ich glaube, dass deine Frage daher kommt, dass du denkst: 'Wenn man Zazen macht und Zazen selbst schon das Satori ist, haben wir alle das Satori, also gibt es nichts mehr zu tun.’ So zu denken ist ein Irrtum.

Was Shakyamuni Buddha betrifft, so sagt man, dass er dieses höchste Erwachen in diesem, seinem letzten Leben realisiert hat, nachdem er zuvor sehr viele Existenzen damit zugebracht hat, die Paramitas zu praktizieren. Indem er diese Paramitas praktiziert hat, hat er bereits eine bestimmte Form des Erwachens verwirklicht. Aber das war noch ein begrenztes Erwachen, und er setzte die Praxis fort. In diesem letzten Leben hat er die letzten Zweifel gelöst und das höchste Erwachen realisiert, Anuttara-Samyaksambodhai. Davon sind wir sehr weit entfernt. Also müssen wir noch eine ganze Weile praktizieren.

Wenn jetzt die Rede von verschiedenen Leben ist, was heißt das? Waren das verschiedene Leben in diesem einen Körper oder waren das verschiedene Körper hintereinander?

Das waren verschiedene Körper. Aber das ist natürlich die ganze Frage der Wiedergeburten. Ich glaube nicht, dass das die Tiefe deiner Frage ist. In der Tiefe deiner Frage steht: „Jetzt machen wir Zazen. Reicht das?“ Da muss man schon anfangen und sich fragen: ‚Praktiziere ich wirklich das richtige Zazen?’ Denn das Zazen, das als Praxis des Erwachens beschrieben wird, ist das Zazen des shin jin datsu raku. Das heißt, das Zazen, indem es in der Praxis ein völliges Aufgeben aller Anhaftung an Körper und Geist gibt. Es ist sehr selten, dass man das ganz realisiert. Ein bisschen ja, aber tief und ganz, das ist selten. Und selbst wenn man es ganz realisiert, muss man fortfahren, es zu praktizieren. Selbst Buddha praktizierte Zazen vor all seinen Predigten. Er hat nicht mit der Praxis aufgehört. Jeden Tag machte er mit seinen Mönchen Zazen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt setzte er sich in Zazen und ausgehend von Zazen unterwies er. Er hat also auch die Praxis fortgesetzt.

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Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Möglichkeit zu erwachen und dem Verlust, der das Erwachen häufig begleitet, d.h. materieller Armut und Einsamkeit.

Bist du arm oder reich?

Ich stell die Frage nicht für mich.

Man muss eine Frage immer für sich stellen.

Für mich ist klar, dass es schwierig ist, den Weg zu realisieren, wenn man eine bequeme Existenz hat.

Das hängt davon ab, was du als bequem ansiehst. Für manche besteht Komfort darin, mehrere Rolls Royce zu haben. Für andere reicht es aus, etwas zu essen zu haben, ein Dach über dem Kopf und Kleidung.

Die Anhaftung an Güter, an den Luxus, an den Komfort ist ein Hindernis auf dem Weg. Alle Anhaftungen sind Hindernisse auf dem Weg.

Meister Dogen hat die Armut vorgezogen, Buddha auch. Wenn man Mönch oder Nonne wird, empfängt man normalerweise während der Ordination all das, dessen man während seines Lebens bedarf: Kimono, Kolomo, Kesa. Das sind die Kleidungsstücke. Dann das Zagu, um sich niederzuwerfen, und eine Schale, um zu essen. - Man kann natürlich ein paar Dinge hinzufügen, eine Zahnbürste und einen Rasierapparat. Und natürlich einen Ort zum Schlafen. Nochmalerweise reicht das.

Aber praktisch gesehen ist der Mittlere Weg wichtig, dass man nicht in großer Not lebt. Denn große Not ist auch ein Hindernis auf dem Weg. Wenn man nicht das Geld hat, um zu einem Sesshin zu fahren, wenn man immer auf der Suche für eine prekäre Arbeitsgelegenheit ist, hat man nicht den freien Geist, um Zazen zu machen.

Auf der anderen Seite, wenn man Karriere machen möchte, wenn man sehr daran haftet, Geld zu verdienen, um einen hohen Lebensstandart zu haben, arbeitet man in der gegenwärtigen Ökonomie zuviel. Man muss also die Weisheit haben, sich mit einem Minimum zufrieden zugeben, aber dieses Minimum kann durchaus ausreichend bequem sein. Es ist nicht nötig, wie ein Obdachloser leben zu wollen oder wie ein traditioneller Mönch nur mit dem Kesa und der Schale. Fünf Hundert Jahre vor Christus war das in Indien sehr praktisch, heute wäre es schwierig, so in Europa zu leben.

Wichtig ist: Wie möchtest du leben?

Das interessiert vielleicht nicht alle hier.

Aber du stellst die Frage.

Alle sind sich klar darüber, dass ein bürgerliches Leben zu führen, ein Hindernis ist.

Noch einmal: Das hängt davon ab, ob man daran haftet oder nicht.

Um Ansehen in der Gesellschaft zu erlangen, muss man viel Energie und Zeit investieren Das ist das Hindernis. Man läuft auch Gefahr, sich an sein Status zu klammeren und an all das, was das Ego und das Selbstbild stärkt.

Wenn man arbeitslos ist, macht man eine Erfahrung von Entpersonalisierung.

Das ist unterschiedlich. Man kann sehr wenig besitzen und sich an das klammeren, was man besitzt. Man kann sich als Arbeiter zum Beispiel daran klammern, viel zu verdienen, um ein schöneres Auto als der Chef zu haben. Man kann auf sehr bescheidendem Niveau leben und trotzdem alle möglichen Täuschungen entwickeln. Andererseits kann man ausreichend Geld verdienen, ohne daran zu haften, und andere daran teilhaben zu lassen.

Wenn man genug Geld hat, ist es sehr gut sich zu sagen: ‚Es ist nicht nötig, noch mehr zu verdienen, also verwende ich meine Zeit und mein Geld dazu, Sesshin zu machen.’

Der wichtige Punkt ist die Frage, was du möchtest, und dann den Weg zu finden, der deiner eigenen Praxis entspricht.

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Du hast gesagt, dass Zazen nicht das Erwachen bewirkt, sondern das Erwachen ist. Stimmt das? Ich würde sagen, beides ist richtig. Die Zazen-Haltung hat ja ganz bestimmte Auswirkungen auf die Funktionen des Körpers, auf den Geist und die Atmung. Wo ist da der Unterschied?

Nein. Was durch Zazen entsteht, sind die Auswirkungen des Erwachens. Man nennt sie auch die Verdienste von Zazen. Wichtig ist zu verstehen, warum Dogen so auf dem Punkt beharrt, dass Zazen keine Meditationstechnik ist, um das Erwachen zu erlangen. Zazen ist die Praxis, die in jedem Augenblick Erwachen ist. Zazen ist eine Praxis des Erwachens. Er sagt: „Shu sho ichi nyo - Praxis und Erwachen sind eins.“

Dogen beharrt nicht aufgrund einer philosophischen oder metaphysischen Haltung darauf. Es geht nicht um die Anhaftung an ein Prinzip. Er möchte verhindern, dass Zazen mit einem Geist praktiziert wird, der Zazen für etwas anderes benutzen will. Es besteht die Gefahr, aus Zazen eine Meditationstechnik zu machen, die man ausführt, um gewisse Ergebnisse zu erreichen, zum Beispiel Wohlergehen, Verminderung von Stress, oder etwas, das man sich als Satori oder Erwachen vorstellt.

Warum betont man diesen Punkt so? Solange man Zazen macht mit dem Geist, etwas erhalten zu wollen, selbst wenn es das Erwachen ist, ist man zweigeteilt. Man befindet sich in einer Art spiritueller Gier, die dadurch genährt wird, dass man innerlich geteilt ist. - Da könnte man von Erbsünde sprechen, obwohl man im Zen nicht an die Erbsünde glaubt. Es ist eine Tatsache, dass der Mensch zerteilt ist und verzweifelt nach einer Einheit sucht.

Mystiker versuchen, die Einheit wiederzufinden. In diesem Sinn kann man sagen, dass Zen ein Teil der Mystik ist. Aber der Weg, um diese Einheit zu realisieren, ist nicht, sich an die Einheit zu klammern, sondern den Geist aufzugeben, der trennt, zerteilt. Der Geist, der zerteilt, der etwas tun will, um etwas zu bekommen, führt wieder ins Samsara. Indem man diese dualistische Funktionsweise des Geistes beibehält, hält man das aufrecht, was einen daran hindert zu erwachen.

Selbst wenn man es nicht direkt erfährt, ist es vielleicht gut, erst einmal der Unterweisung Dogens über Shu sho ichi nyo zu vertrauen. Es geht darum, darauf zu vertrauen, dass Zazen selbst Erwachen ist. Dieses Vertrauen ermöglicht es euch, wenn ihr euch auf das Zafu setzt, wirklich Zazen zu machen, ohne etwas anderes zu erwarten. Macht Zazen nur für Zazen selbst!

Wenn man von Erwachen spricht: Wozu erwacht man? Man erwacht zur Wirklichkeit. Aber die Wirklichkeit ist bereits da. Wir sind diese Wirklichkeit. Es handelt sich nicht um etwas anderes. Du bist bereits die Wirklichkeit, so wie sie ist. Du musst nur dazu erwachen. Stell’ dir nichts anderes vor, es ist schon da. Hör‘ einfach auf, etwas anderes zu suchen, etwas zu erwarten, und mach mit Vertrauen Zazen.

Ein klarer Geist ist ja immer auch ein Erwachen.

Der Geist wird klar, wenn man aufhört, sich an Illusionen zu klammern, wenn man sie loslässt, wenn man das aufgibt, was unseren Geist verdunkelt. Das Licht ist bereits da. Meister Konin sagte zum Beispiel in seinen schönen Texten über die Meditation, über Zazen: „Es ist wie die Sonne. Die Sonne ist immer da, aber manchmal kommen Wolken.“ Wenn die Wolken verschwinden, kann man erkennen: Die Sonne war da. - Die Natur des Erwachens ist immer da, aber oft gibt es Wolken. Die Praxis besteht nicht darin, Licht zu erzeugen, sondern das aufzugeben, was Dunkelheit erschafft.

Das Licht kommt, wenn man es aufgegeben hat.

Es ist das Licht in der Dunkelheit. Dazu muss man das falsche Licht ausschalten, das Licht des dualistischen Geistes, der glaubt zu verstehen und zu leuchten, weil er Dinge durch Konzepte ergreifen will. Wenn wir jetzt dieses Gespräch weiterführen, wird es genauso sein. Wir sollten jetzt aufhören.

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Im Dojo fragen mich Anfänger immer wieder: „Ist dein Meister erleuchtet?“ Ich sage dann, dass wir es wie Meister Dogen halten, der sagt: ‚Potentiell ist jedes Zazen ein Erwachen.’ Aber man spricht nun mal von der großen Erleuchtung von Buddha Shakyamuni unter dem Bodhibaum. Steht die Aussage von Meister Dogen nicht im Widerspruch dazu? Sind sich Buddha und Dogen da nicht einig gewesen?

Doch, sie sind sich einig. Aber Dogens Erwachen, genau wie unser oder mein Erwachen, ist ein Erwachen des Bodhisattvas. Das Erwachen Buddhas ist das höchste Erwachen, Sammyaku sambodai, das Erwachen ohne Rückkehr, ohne Rückschritt, immer erwacht. Ein Bodhisattva ist die meiste Zeit über erwacht, er hat aber auch noch Illusionen. Das Eigentliche des Erwachens des Bodhisattva ist, dass Illusionen schnell aufgeklärt werden.

Ich habe das mit Meister Deshimaru erfahren und erlebe es auch in meiner eigenen Praxis. Je mehr man das Erwachen Zazens vertieft, desto eher erkennt man im täglichen Leben seine Illusionen und kann sie schneller loslassen. Darum beziehe ich mich oft auf Dogens Unterweisung im Genjo Koan. Dort steht: „Gewöhnliche Menschen machen sich Illusionen über das Erwachen“. Zum Beispiel auch um das höchste Erwachen Buddhas, indem sie es idealisieren und sich manchmal über ihr eigenes Erwachen täuschen. „Bodhisattvas - und auch Buddhas - dagegen erhellen ihren Illusionen.“

Ich finde diesen Punkt sehr wichtig. Es gibt nicht ein Erwachen, sondern man erwacht immer zu oder aus etwas. Man kann zur Wirklichkeit erwachen oder aus einer Illusion heraus erwachen. Zum Beispiel hat jemand ein schwieriges Problem, weil er sich an sein Ego oder an seine Stellung klammert. Wenn er diese Illusion auf einmal erkennt, wenn er erkennt, dass er egozentrisch geworden ist, sagt er sich plötzlich: ‚Wie dumm bin ich bloß!’ und lässt die Illusion fallen. Das ist eine Art des Erwachens: eineIllusion erkennen und sie fallenlassen.

Der andere Aspekt des Erwachens ist, zur Wirklichkeit zu erwachen, zur Tatsache, dass wir nur in wechselseitiger Abhängigkeit leben. Niemand hat ein unabhängiges Ego, das beständig ist und sich niemals verändert. Das gibt es nicht. Wenn man dies zutiefst versteht, ist man zur Wirklichkeit erwacht. Und das erleichtert das Loslassen der Illusionen.

Aber weil wir Bodhisattvas und in dieser Welt engagiert sind, versuchen wir nicht, diese Welt zu verlassen, um das Nirvana zu erreichen. Wir bleiben in Kontakt mit den Illusionen der Welt. Daher kann es sein, dass wir manchmal durch sie beeinflusst werden. Hier gehört es zu unserer Praxis, uns rasch darüber im Klaren zu werden und nicht von den Illusionen gefangen zu sein.

Du kannst also antworten, dass dein Meister manchmal erwacht ist und manchmal Illusionen hat.

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