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DEPRESSIONEN
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Ich stelle fest, dass heutzutage mehr und mehr Menschen
depressiv und deprimiert sind, ob in meiner beruflichen oder meiner familiären
Umgebung. Was kann ich von meiner Seite aus tun? Wenn ich ihnen meine
Ansicht darlege, habe ich den Eindruck, dass sie mich eher für einen
Erleuchteten halten, als dass sie mich ernst nehmen.
Wovon erzählst du ihnen? Was Zen einem bringt, wobei Zen mir hilft. Du erzählst ihnen also von den Verdiensten von Zen und schlägst ihnen vor, so ihre Depressionen zu heilen. Vielleicht. Aber ich habe den Eindruck, dass das nicht funktioniert. Genau das ist ein Merkmal der Depression: Der wirklich Deprimierte glaubt, dass bei ihm nichts funktionieren kann. Daher ist das nicht verwunderlich. Es ist sehr schwierig, einem Deprimierten zu helfen. Depressionen haben alle Arten von Ursachen. Es gibt Depressionen, bei denen die biologischen Faktoren eine sehr große Rolle spielen. Das ist besonders schwierig und gehört zum Bereich der Psychiatrie, wo man die richtige Medikamentendosis finden muss, um die Fehlfunktion der Neurotransmitter zu heilen. Es gibt auch Depressionen, die eher von Phänomenen des Daseins verursacht werden, von Trennung, von Trauer, von allen Arten von Verlusten. Ein Deprimierter ist deprimiert, weil ihm alles entgleitet. Er schafft es nicht, etwas zu ergreifen. Für diese Arten von Depressionen ist die Zen-Unterweisung eher geeignet, denn wenn man Zazen macht, versetzt man sich selbst in die Lage, alles aufzugeben und nichts zu ergreifen. Zazen zu praktizieren heißt, sich in die Situation zu begeben, in der die Ursache der Depression zur Quelle der Befreiung wird: Die Zazen-Praxis regt an, tief zu akzeptieren, dass wir die Objekte unserer Anhaftung nicht behalten, nicht bewahren können. Gleichzeitig können wir durch Zazen eine Dimension des Lebens wahrnehmen, in der wir weniger von diesen Objekten abhängig sind. Man lernt eine Seinsweise, die wesentlich unabhängiger ist von dem, was man hat oder nicht hat. Dann ist man nach einem Verlust weniger anfällig für Depressionen. Ich meine, dass Buddhas Ausgangspunkt eine schlimme depressive Krise war, die ihn erreichte, als er feststellte, dass alles unbeständig ist, als er feststellte, wie universell und unvermeidlich das Leiden - Krankheit Alter, Tod, Verlust - ist. Dieses unvermeidbare Merkmal der Unbeständigkeit, Mujo, die Tatsache, dass wir zwangsweise mit Verlusten konfrontiert werden, war ein Schock, der die Praxis des Weges, Bodaishin, auslöste, den Geist, der eine Auflösung dieses Leidens sucht. Selbst wenn Buddha es später auf andere Weise ausgedrückt hat, war sein Erwachen im Grunde das Erkennen des Wesentlichen der Existenz, einer Existenz, die ohne jede Trennung ist, die jenseits von dem ist, was die Dualität zwischen Subjekt und Objekt erzeugt, zwischen mir und meinen Besitztümern, jenseits davon, dass ein Ego sich vom Rest trennen muss, um sich zu bilden, dass es sich unterscheiden muss und damit einen Teil der Wirklichkeit ausschaltet. Gezwungenermaßen lebt das Ich in einem steten Mangelzustand, weil es sich bildet, indem es alles verwirft, was nicht Ich ist. Das heißt, es verwirft sehr viel, das ganze Universum mit Ausnahme dieses Hautsacks, den es zu besitzen glaubt. Das Ego lebt daher gezwungenermaßen mit einem Mangelgefühl, mit Frust, weil es sich von allem abgesondert hat. Mit einem Ego, das sich auf diese Weise gebildet hat, ist die menschliche Existenz anfällig für Depressionen. Sie ist zerbrechlich, weil es ein grundlegender Verlust ist, nicht mehr mit dem Ganzen in Einheit zu sein. Es ist deprimierend, weil es uns nicht entspricht. Im Grunde sind wir eins, haben uns aber ein falsches Ich, ein falsches Ego aufgebaut, indem wir uns als besonders, als anders betrachten. In dieser Konstruktion des Egos gibt es etwas Künstliches, das nicht der Wirklichkeit der kosmischen Ordnung entspricht. Es entspricht einer relativen Wirklichkeit, die man aber nicht als relativ ansieht. Man neigt dazu, sie als absolut zu betrachten. Das ist unser Irrtum, der uns immer wieder an die Grenze zur Depression bringt, in ein unstabiles Gleichgewicht. Es gibt Menschen, denen es gelingt, sich einen großen Teil ihres Lebens etwas vorzumachen, indem sie allen möglichen Dingen anhaften, die sie aufrechterhalten, weil sie verlockende Ziele darstellen. Diese Menschen sagen sich immer: „Wenn ich das erlange, werde ich zufrieden sein.“ Es ist eine Art permanente Bewegung, die einem hilft zu vermeiden, sich in diesem abgetrennten, entwurzelten Leben mit etwas Deprimierendem zu konfrontieren. Daher kommt die Zerbrechlichkeit. Die Zazen-Praxis jedoch, oder der Buddhismus im Allgemeinen, taucht in die Mitte, ins Herz dieses Problems und stellt die Sichtweise völlig auf den Kopf. Das ist aus meiner Sicht eine radikale Lösung: Was für die meisten Menschen ein Verlust ist, ist für Buddha, für einen Mönch, für eine Nonne die totale Befreiung. Es ist eine völlige Umkehrung der Werte. Es steht dermaßen im Gegensatz zur gewöhnlichen Funktionsweise des Geistes, der vom Ego konditioniert ist, dass diese Perspektive eine Revolution ist. Aber ich glaube, es ist keine gute Methode, davon zu sprechen. Es ist besser, den Leuten vorzuschlagen, die Erfahrung der Praxis zu machen, und ihnen nicht vom Buddhismus und von dem, was ich gerade gesagt habe, zu erzählen. Man kann ihnen einfach sagen, dass da was ist, was ihnen gut tun könnte: „Setz’ dich in aller Ruhe hin.“ Ich versuche, sie zum Sitzen zu bringen, damit sie es ausprobieren können. Ich zeige ihnen, wie man atmet. Das ist das Beste, was man tun kann. Aber es ist nicht sicher, dass das ausreicht. Als eine Art mentaler Hygiene kann es ausreichend sein, als Vorbeugung einer zukünftigen Depression, die sich ankündigt. Aber wenn jemand mittendrin ist, muss er davon geheilt werden. Denn eine Depression, selbst wenn sie psychologischen Ursprungs ist, beeinträchtigt erheblich die Funktionsweise des Gehirns. Der Geist hat Auswirkungen auf den Körper. Die Neurotransmitter werden dabei im Hirn beeinträchtigt, was durch Medikamente aufgefangen werden muss. Tu dein Bestes, aber zögere nicht, den Leuten vorzuschlagen, einen
Therapeuten aufzusuchen. Menschen, die am Rand einer Depression stehen,
ohne dies zugeben zu wollen, wissen nicht, wie sie sich helfen lassen
können. Sie haben Angst, ihren Zustand anzuerkennen und versuchen,
das Bild eines normalen Zustands aufrecht zu erhalten. Sie trauen sich
nicht, jemanden aufzusuchen, weil dies bedeuten würde, ihr Versagen
einzugestehen. - Das betrifft Menschen, die am Rand einer Depression
stehen. Diejenigen, die mittendrin sind, wissen, dass sie deprimiert
sind, aber sie glauben, dass nichts und niemand ihnen helfen kann. Das
ist noch schwieriger. Sie benötigen Unterstützung, Begleitung
und Ermutigung und einen guten Therapeuten. |
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