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BODHISATTVA
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Worin besteht der Unterschied zwischen einem praktizierenden Laien und einem ordinierten Bodhisattva? Das hängt von der Praxis eines jeden ab. Im Grunde ist es nicht nötig, einen Unterschied zu machen. Wenn jeder das praktiziert, was man in der Soto-Schule die drei Pfeiler des Zen nennt - das sind Hishiryo, den Bewusstseinszustand, in dem der Geist keinem Gedanken anhaftet, Mushotoku, ohne Ziel, ohne zu versuchen etwas zu erreichen, und Shikantaza, sich damit zu begnügen, einfach nur zu sitzen und mit der sitzenden Haltung eins zu sein - wenn man auf diese Weise praktiziert, gibt es in der Praxis keinen Unterschied zwischen Laie, Bodhisattva oder Mönch. Im täglichen Leben kann es jedoch Unterschiede geben. Der Bodhisattva hat gelobt, die Gebote zu respektieren. Er hat die Vier Großen Gelübde abgelegt, und strengt sich daher an, diese in seinem täglichen Leben umzusetzen. Die Ordination empfangen zu haben, hilft ihm dabei, sein tägliches Leben mit der Zazen-Praxis zu harmonisieren. Für Mönche und Nonnen gilt dies noch mehr. Aus Liebe heraus wird es zur Grundlage ihres Lebens, sich nicht auf ihr persönliches Wohlwollen zu konzentrieren, sondern darauf, allen Wesen zu helfen. Ein Laie kann durchaus auch so leben, aber die Kraft der Gelübde macht dies viel deutlicher und zeigt dem, der sich hat ordinieren lassen, die Richtung an. Darüber hinaus schafft die Ordination eine Verbindung mit der Sangha, mit der Gemeinschaft, und auch mit Buddha und den Meistern der Weitergabe. Wenn man ordiniert ist, wird man durch diese Linie der Weitergabe unterstützt. Man praktiziert nicht allein, sondern mit Buddha und der Sangha. Die Ordinations-zeremonie endet übrigens damit, dass die bereits Ordinierten und die neu Ordinierten gemein-sam Sanpai machen. Man nennt dies auch ‚Empfangszeremonie’. Jemand in unserem Dojo sagte mir, er könne die Bodhisattva-Gelübde nicht ablegen, weil sie wie ein Schwur seien. Und weil er sich nicht von seinem eigenen Leiden befreien kann, kann er nicht schwören, auch noch andere Lebewesen zu retten. Er nimmt das sehr ernst und glaubt nicht, dass er dazu in der Lage ist. Was kann ich ihm antworten? Ich würde ihm sagen, dass er völlig Recht hat. Genau aus diesem Grund lässt man sich ordi-nieren. Es bedeutet, dass man alleine mit seinem kleinen Ego diese Gelübde nicht erfüllen kann. Man kann nicht einmal behaupten, dass man selbst diese Gelübde erfüllen kann. Wie Meister Eno sagte, bin nicht ich es, der die Gelübde umsetzt, sondern es ist die Buddha-Natur in jedem, die alle Wesen retten kann. Die Ordination empfangen heißt, unsere Verbindung mit der Buddha-Natur zu stärken, und dieser Buddha-Natur, die in jedem ist, zu ermöglichen, unser Leben anzuleiten und über unsere Grenzen hinauszugehen. Dies ist die religiöse Dimension des Zen, die etwas anderes ist, als eine Technik der Persön-lichkeits-Entwicklung. In einer solchen Technik versucht man, sein Ego zu entwickeln und zu stärken. Aber in der Zen-Praxis gibt man sein Ego auf. Man gibt es auf, weil man sehr gut erkennt, bis zu welchem Punkt es begrenzt ist. Daher schließt man es an eine größere Dimension an, eine viel tiefere Dimension, an die Buddha-Natur. Dazu muss man jedoch die Anhaftung an das Ego aufgeben, um sich für das zu öffnen, was jenseits des Egos ist. Was die Wesen letztlich rettet, ist das, was jenseits des Egos ist. Manche nennen es Buddha, manche nennen es Gott. Es ist die höchste oder tiefste Dimension der Existenz, die in jedem Wesen existiert. Sie ist universell. Was den meisten Menschen fehlt ist, in Verbindung mit ihr zu stehen. Und was uns mit ihr verbindet, ist hauptsächlich Zazen. Als Meister Deshimaru die Gebote weitergab, sagte er: „Das Wichtigste überhaupt, das einzig wahre Gebot der Ordination ist, Zazen ewig weiter zu praktizieren.“ ----- Seit wann gibt es die Bodhisattva-Ordination? In dem, was ich bei anderen Meistern gelesen habe, z.B. bei Dogen, ist nie von einer Bodhisattva-Ordination die Rede, sondern von der Mönchsordination. In der klassischen Definition befindet der Bodhisattva sich im Rad der Inkarnationen: Ein Buddha, der ein „perfektes Karma“ hatte, entscheidet sich, auf die Erde zurückzukommen. - Ohne jemanden schockieren zu wollen: Wie kann man selbst entscheiden, diese Reinkarnation zu sein?
Es besteht tatsächlich ein Unterschied: In unserer Sangha sind Bodhisattvas Menschen, die die Gelübde des Bodhisattvas ablegen, das heißt, sie geloben sich dem Bodhisattva-Ideal anzunähern. Es sind also LaienschülerInnen, die nicht das Gelübde ablegen, Familie und Beruf zu verlassen, sondern die Gebote empfangen und die vier Gelübde ablegen. Diese Gelübde lauten: So zahlreich die lebenden Wesen auch sind, ich gelobe,
sie alle zu retten, bzw. ihnen zu helfen, sich zu retten. Aber diese Gelübde abzulegen bedeutet zugleich, unsere Buddha-Natur zu aktualisieren. Ich glaube, daß der Wunsch, die Bodhisattva-Ordination zu empfangen, dadurch entsteht, dass man von seiner Buddha-Natur getrieben wird, die verlangt, sich zu verwirklichen. Und ich glaube, daß der Empfang der Bodhisattva-Ordination eine Hilfe ist, Vertrauen zu entwickeln, und auch eine Hilfe, die Gebote zu bewahren. Aber warum hat man dann den Begriff Bodhisattva gewählt? Es war Meister Deshimaru, der ihn verwand hat. Ich kann die Frage nicht beantworten, wann zum ersten Mal der Begriff Bodhisattva in diesem Zusammenhang verwand wurde. Wie dem auch sei, wichtig ist der Geist. Die Bodhisattva-Ordination zu empfangen bedeutet, wirklich den Geist des Mahayana-Buddhismus zu teilen. Er besteht darin, tief zu empfinden, daß die Bedeutung unserer Praxis darin liegt, Mitgefühl mit den anderen zu haben und sie mit ihnen zu teilen. Das größte Mitgefühl besteht darin, den anderen zu helfen zu erwachen, also seine Zeit und seine Energie dem zu widmen; seine eigene Praxis mit der Praxis der anderen zu teilen, statt sich von der Welt zurückzuziehen, weil sie beschmutzt ist, wie das im Ideal des Arhat der Fall ist. Die Tatsache, das man das Wort Bodhisattva für die Laienordination verwendet, zeigt, daß man seine Praxis im Leben der Gesellschaft, in der Familie, hat, daß man sich nicht in ein Kloster zurückzieht. Dies ist ebenfalls der Mahayana-Geist. Zur Zeit Buddhas gab es bereits Laienordinationen. Laien erhielten die Gebote, und sie gelobten, die drei Kostbarkeiten zu schützen. Zur Zeit Buddhas gab es aber auch das, was wir jetzt Bodhisattvas nennen. Es gab also immer diese zwei Kategorien, auch wenn man nicht von Bodhisattva-Ordination sprach. Du beziehst dich auf die Geschichte des Buddhismus. In den Jataka ist, wenn sie vom Leben Buddhas sprechen, bevor er Buddha wurde, von ihm als von einem Bodhisattva die Rede. In der Entwicklung des spirituellen Lebens ist der Bodhisattva jemand, der vor dem Buddha kommt. Zuerst ist man Bodhisattva, und erst am Ende wird der Bodhisattva zum Buddha. Bei Shakyamuni war das so. Aber es war nicht er, der den Begriff gewählt hat. Hier ist es ja so, daß die Person die Ordination wählt. Ja, aber das ist ja nur eine Frage der Begrifflichkeit. Die Person entscheidet sich nicht, dass sie einen Titel haben möchte. Sie möchte die Gelübde ablegen, das heißt, eine Ordination empfangen, und diese Person wird dann Bodhisattva. Aber man sollte auch nicht zu sehr den Begriffen anhaften. Darüber hinaus ist der Begriff sehr schön. Das Ideal ist sehr gut. Es wäre schlimm, wenn man glauben würde, das Ideal erreicht zu haben. Ich habe nicht den Eindruck, daß sich die Leute unserer Sangha diesbezüglich täuschen. Ganz im Gegenteil, es ist eher so, daß die Leute sagen: „Dieses Ideal ist viel zu groß für mich. Das schaff ich nie.“ Da antworte ich: „Gerade weil das ein sehr hohes Ideal ist, braucht man die Hilfe der Ordination, um sich diesem Ideal zu nähern.“ Anders gesagt: Diejenigen, die um die Ordination bitten, bitten nicht deshalb darum, weil sie sagen: „Oh, jetzt bin ich soweit“. Diesen Hochmut haben sie nicht, dieser Täuschung unterliegen sie nicht. Man kann nie sagen: „Jetzt bin ich soweit“. Alles was man sagen kann ist, daß man diese Hoffnung in sich trägt, diesen Wunsch, diesen Buddha-Geist, der uns anspricht - selbst wenn wir sonst keinerlei Fähigkeiten haben. Dennoch hat man den Wunsch, in diese Richtung zu gehen, und sagt: „Bitte, helft mir dabei“. Man bittet nicht nur um die Hilfe des Godos, der Person, die ordiniert, sondern auch um die Hilfe der Drei Kostbarkeiten und aller Dharmavorfahren und DharmavorfahrInnen der Linie, um in diese Richtung gehen zu können. -------- Ich habe eine Frage zu den Bodhisattva-Gelübden. Ich kann gut damit leben zu geloben, alle Wesen zu retten und immer wiederzukehren, um alle Wesen zu retten. Aber ich spüre, dass ich bestimmte Bedingungen stelle. Zum Beispiel hört es da auf, wo ich denke, es könnte sein, dass ich in einer Familie wiedergeboren werde, wo Kinder in den Krieg ziehen müssen oder wo Genitalverstümmelungen vorgenommen werden. Aber es entspricht doch genau dem Bodhisattva-Geist, in den schwierigsten Welten geboren zu werden.- Du wirst sowieso nur dort wiedergeboren, wo du wiedergeboren werden kannst. Das ist alles. Du brauchst dir darüber keine Sorgen machen. Mache ich mir aber. Deswegen habe ich ja Probleme mit dem Bodhisattva-Gelübde. Ich habe mal gelesen, dass man, wenn man in der Buddha-Familie gelebt hat, in der Buddha-Familie wiedergeboren wird. Damit kann ich leben. Aber was ist die wirkliche Familie Buddhas? Ist es die Familie, bei der immer alles gut geht und man keinerlei Leiden verspürt? Oder ist es die Familie derer, die geloben, allen Wesen zu helfen einschließlich derer in der Hölle? Das ist die Frage. Es gibt viele naive Visionen über den Buddhismus: „Wir praktizieren und sammeln Verdienste, dann werden wir im reinen Land, im Paradies Buddhas wiedergeboren. Dann werden wir jeden Tag Buddhas Lehren hören und Honigmilch trinken.“ Das ist eine etwas volkstümliche Sichtweise. Um die Leute zur Praxis zu bringen, erzählt man ihnen Kindergeschichten. Aber der wirkliche Sinn der Bodhisattva-Gelübde ist, keinen Unterschied zu machen: Jeder Ort, wo ich wiedergeboren werde, ist ein guter Ort. Wenn du wiedergeboren wirst, kann es dann also sein, dass du noch einmal vierzig Jahre brauchst, um dahin zu kommen, wo du jetzt bist? Keine Ahnung. Es ist mir egal. Das einzige, was mich interessiert, ist, wie ich mich jeden Tag reinkarniere. Damit habe ich bereits genug zu tun. Was danach kommt, werden wir sehen. Aber ich habe Vertrauen. Ich mache mir keine Sorgen darüber, weil ich Vertrauen habe. Denn ich glaube, wenn man lernt, sich jeden Tag zu konzentrieren und auf die bestmöglichste Weise zu praktizieren, ist das die beste Vorbereitung auf jede Wiedergeburt, wo immer sie auch geschehen mag. Man kann nichts anderes tun. Was möchtest du? Eine Art Versicherung? Möchtest du die Bodhisattva-Gelübde nur unter bestimmten Voraussetzungen ablegen, nur unter der Voraussetzung, an einem guten Ort wiedergeboren zu werden? Ich weiß nicht, ob es Versicherer gibt, die solche Versicherungen abschließen. Ich kenne keine. Ist es also in Ordnung, wenn ich mich bei diesem Gelübde auf dieses Leben beschränken? Normalerweise nein. Du musst wissen, dass das Gelübde unbegrenzt ist. Alle Wesen bedeutet alle Wesen. In diesem Leben bedeutet das alle Wesen, ob du sie nun magst, ob sie dir egal sind oder ob du sie nicht leiden kannst. Das ist nicht auf die begrenzt, die du magst. Alle Wesen bedeutet auch alle Wesen in der Zukunft. Das ist nicht begrenzt. Was dir vielleicht eine gewisse Sicherheit geben kann, auch wenn es keine Versicherung gibt, ist, dass es weder du noch ich sind, die jemanden retten. Ich denke wie Eno, dass die Menschen letztlich durch ihre eigene Buddha-Natur gerettet werden. Es ist die Rolle des Bodhisattvas, die Menschen mit der Möglichkeit in Berührung zu bringen, in Kontakt mit ihrer eigenen Buddha-Natur zu kommen. Es ist die Buddha-Natur jedes einzelnen, die die Wesen rettet. Das bist weder du noch ich. Das Gelübde des Bodhisattvas ist einerseits unbegrenzt, aber andererseits kein Gelübde, das von Allmachtvorstellungen gekennzeichnet ist: Gottgleich werde ich alle Wesen retten. Es ist das Gelübde, mit allen Wesen zu praktizieren, und ihnen zu helfen, den Weg kennenzulernen, und ihnen die Gelegenheit zu geben, sich selbst zu retten. Das heißt es, alle Wesen zu retten: die Leute auf den Weg bringen. Denn jeder muss durch sich selbst erwachen. Das kann nicht durch jemand anderen geschehen. -------- Gibt es im Leben einen Unterschied zwischen einem Bodhisattva und einem Mönch? Im Grunde nicht. In der Tatsache, dass man Zazen praktiziert, gibt es keinen Unterschied. Mönche, Bodhisattvas, Nicht-Ordinierte praktizieren normalerweise auf die gleiche Weise. Aber der Platz, den Zazen im Leben einnimmt, ist anders. Der Bodhisattva legt das Gelübde ab, seine Zeit, sein Leben zu widmen, um den anderen zu helfen. Von diesem Gelübde aus ist ein Mönch noch mehr verfügbar, um die Praxis zu fördern und mit anderen zu teilen. Er gibt seine egoistischen Anhaftungen auf, um verfügbar zu sein und seine Bodhisattva-Gelübde wirklich erfüllen zu können. Es ist eine Wahl der Lebensweise. Was die meisten Menschen beschäftigt, wird aufgegeben oder zumindest reduziert, um der Sangha, der Gemeinschaft der Praktizierenden, und allen Wesen zu helfen, die Hilfe brauchen. Heutzutage sind die Dinge komplizierter, weil die Mönche sich weder von der Familie noch von der Arbeit trennen. Sie befinden sich im Großen und Ganzen in der gleichen Situation wie die Bodhisattvas. Morgen werden zwei Bodhisattvas zu Mönchen ordiniert. Sie werden nach Hause zurückkehren, ohne dass sich ihre Lage geändert hat. - Es sei denn, dass ihre Frauen ihnen eine kleine Mitteilung unter die Tür schieben, auf der steht, dass sie nicht mit einem Mönch zusammen leben möchten. Aber ich denke, dass das nicht der Fall sein wird. - Nach außen hin wird es nicht so aussehen, als hätte eine Änderung stattgefunden. Eine Änderung kann sich aber im Geisteszustand vollziehen. Während der Ordination macht man Sampai in Richtung seiner Familie. Früher bedeutete das einen wirklichen Abschied, eine wirkliche Trennung. So wie es auch bei anderen Mönchen, z.B. den Benediktinern, geschieht, wenn sie in ein Kloster eintreten: Sie verlassen ihre Familie. Seit einem Jahrhundert ist das für die Zen-Mönche nicht mehr notwendig. Aber es ist wichtig, in diesem Moment die Beziehung zu seiner Familie noch einmal zu betrachten und zu ändern und die Familie als Teil von Shujo, von allen fühlenden Wesen zu sehen, denen man helfen möchte. Dann wird die Familie zu einem Ort der Praxis, des Weges und des Mitgefühls und kein Knoten der Anhaftung. Vor allem im Geisteszustand muss eine Änderung stattfinden. Es ist nicht notwendig sich von etwas zu trennen. Das gilt auch für die Arbeit. Der Arbeitsplatz kann durchaus ein Ort der Praxis des Weges sein. Manchmal ist das nicht einfach, aber es gibt immer Mittel. Wenn man Mönch wird, sucht man keine berufliche Karriere mehr. Man hat keine Ambition mehr, Chef oder Direktor der Firma zu werden. Wenn dies zufällig geschieht, dann nicht als Ergebnis einer persönlichen Ambition, sondern weil man den anderen Dienste erwiesen hat. Im Bereich der Wirtschaft befinden wir uns in einem Netzwerk wechselseitiger Abhängigkeit. Es gibt Kollegen, Chefs, Kunden, Lieferanten, jede Menge Beziehungen werden in einem Berufsleben geknüpft. Diese Beziehungen können Gelegenheit werden, die Paramita, die Praktiken des Bodhisattvas, zu praktizieren. - Das ist nicht unbedingt idealistisch oder unrealistisch. Es kann die Möglichkeit bieten, seinen Beruf besser auszuüben. Das sind die hauptsächlichen Änderungen. Überlegst du, eines Tages Mönch zu werden? - Wenn man sich als Bodhisattva diese Frage stellt, muss man überlegen, zu welchem zusätzlichen Engagement man auf dem Weg bereit ist. Ist man bereit, persönliche Anhaftungen aufzugeben, um den Mönchsweg zu beschreiten, um innerlich verfügbarer zu sein, für die Praxis mit den anderen? Wenn man wirklich fühlt, dass dies die einzig wichtige Sache in seinem Leben ist und dass der Rest nicht so wichtig ist, hat man bereits den Geist des Mönches. In diesem Fall ist die Ordination nur eine Bestätigung, dass man bereits diesen Geisteszustand hat. Dazu kommt, dass man durch die Ordination Schüler des Godos wird, der einem die Ordination gibt. In der Vergangenheit hat man dies zu wenig erwähnt. Noch heute vergesse ich manchmal darüber zu sprechen. Man muss darüber sprechen, man muss es wissen. Das gibt der Praxis eine andere Dimension. -------- Ich werde ein Jahr lang durch China, Tibet und Indien reisen und würde während dieser Zeit gerne meinen Bodhisattva-Namen benutzen. Aber ich habe oft gehört, dass der Bodhisattva-Name erst nach dem Tod benutzt wird. Man hat mir aber auch gesagt, dass es der Mönchsname ist, der nach dem Tod benutzt wird. Was es richtig? Man kann seinen Bodhisattva-Namen während seines ganzen Lebens verwenden. Es ist der Mönchsname, den man erst nach dem Tod benutzt. Man nennt jemanden bei seinem Mönchsnamen, nachdem er gestorben ist. Aber die wichtige Frage für dich ist: Warum möchtest du auf deiner Reise deinen Bodhisattva-Namen verwenden? Du wirst ein Problem mit dem Reisepass haben, denn soweit ich weiß, steht der Name dort nicht drin. Ich möchte den Bodhisattva-Namen benutzen, weil ich den Eindruck habe, dass mein anderer Name nicht mehr so ist, wie ich bin. Ich habe mich in den letzten Jahren sehr verändert. Mein Name bedeutet ‚mächtiger, starker Krieger’. Früher war ich sehr aggressiv, jetzt bin ich eher Pazifist. Ich möchte gerne weiterhin ein Bodhisattva sein und daher meinen Bodhisattva-Namen benutzen. Wie lautet dein Bodhisattva-Name? 'Große Praxis’ oder 'großer Praktizierender’ Wenn du magst. Wenn es dir hilft, dich an diese große Praxis zu erinnern. Aber praktiziere weiter auf deiner Reise. Gleichzeitig musst du vermeiden, dass dies eine Illusion wird. Denn eigentlich bist du auch der Mensch, der von seinen Eltern abstammt und nicht nur der Mensch, der aus der Praxis des Bodhisattva-Weges hervorgegangen ist. Es ist wichtig, die beiden in Einklang zu bringen. Natürlich ist es nicht gut, sich an sein Ego zu klammern, an seine gesellschaftliche, bürgerliche Identität, vor allem wenn sie, wie du sagst, mit Aggressivität verknüpft ist. Aber wenn du zu weit auf der anderen Seite bist und dich nur mit einem Ideal identifizierst, riskierst du gespalten zu werden. Es gibt dann einen Teil von dir, der nicht mit dem anderen Teil von dir zusammen ist. Ich rate dir also, dich nicht zu sehr an den Namen zu haften, sondern an die Praxis, an die große Praxis. Aber wirklich! Nicht an den Namen. Diese große Praxis ist das Harmonisieren der Phänomene unseres Lebens, unseres begrenzten Egos, unserer Konditionierungen usw. mit der höchsten Dimension des Lebens, die uns in der Zazen-Praxis offenbart wird. Die beiden müssen sich wirklich harmonisieren, wirklich zusammen sein. Während meiner Reise würde ich auch gerne den Schritt machen, Mönch zu werden. Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich meinen Bodhisattva-Namen benutzen möchte. Natürlich ist es eine romantische Idee sich zu sagen:
„Ich unternehme eine Reise auf Buddhas Spuren nach Indien, nach
China.“ Aber das ist nicht notwendig, um Mönch zu werden. Mönch
werden heißt, hier und jetzt seinen Geist umwandeln, um eben fortlaufend
der Praxis des Wesentlichen zu folgen. Dafür braucht man nicht tausende
von Kilometern hinter sich bringen. - Ich wünsche dir jedenfalls
eine gute Reise. -------- Sie sprechen immer wieder von der Bedeutung des Bodhisattva und des Tragens des Kesas. Sie sagen, dass man Zazen mit dem Kesa macht. In einem der letzten Kusen in Paris habe ich verstanden, dass das Zazen das gleiche ist, ob man ordiniert ist oder nicht, ob man Bodhisattva ist oder Mönch. Das ist meine Frage. Die Art und Weise, wie man Zazen praktiziert, ist für alle gleich. Aber der Geisteszustand, mit dem man praktiziert, ist anders, wenn man Bodhisattva ist. Ein Bodhisattva widmet seine Praxis allen Wesen. In der Tiefe ist es die gleiche Praxis, man macht nicht auf eine andere Weise Zazen. Aber die Praxis des Bodhisattvas ist von Großzügigkeit motiviert, d.h. er widmet sie allen Wesen. Als Bodhisattva praktiziert man aus Mitgefühl und aus Wohlwollen allen Wesen gegenüber. Normalerweise sollten alle mit diesem Geist praktizieren. Aber weil man anfangs zum Zazen kommt, um sein Leiden zu lösen, hat man oft am Anfang eine etwas egoistische Haltung in der Praxis. Man praktiziert für sich selbst. Zu einem bestimmten Zeitpunkt realisiert man, dass das Selbst nicht fassbar ist, dass das Selbst nicht wirklich existiert, dass man nicht aus sich selbst heraus, für sich alleine existiert, dass das Ego Leerheit ist, nur in Beziehung mit den anderen existiert. Dann wird es offenkundig, dass es bedeutungslos ist, für sich selbst zu praktizieren, und auf natürliche Weise tritt der Geist des Mitgefühls auf. Genau in diesem Augenblick praktiziert man wirklich Zazen, d.h. ein Zazen ohne Dualismus, ohne Trennung zwischen einem selbst, der praktiziert, und allen Wesen. Das Kesa symbolisiert dies. - Es erinnert auch daran. Manchmal vergisst man das nämlich. Das Kesa ist also auch dazu da, um uns zu erinnern. Das Kesa ist eine Hilfe. Das heißt, die Ordination ist auch eine Hilfe? Ja, sicher. Die Ordination ist die Manifestation unseres Vertrauens. Das Vertrauen vor Buddha auszudrücken, vor dem Repräsentanten Buddhas, dem Godo, der euch ordiniert, bestärkt die Entschlossenheit. Die Entschlossenheit ist anfangs subjektiv, innerlich, in der Ordination wird sie objektiv. Das gibt dem Vertrauen eine größere Kraft und dem Geist des Erwachsens. Auf der anderen Seite ist es nicht magisch. Deswegen sollte man über die Ordination nachdenken, bevor man sich ordinieren lässt, um seine Entschlossenheit zu vertiefen, vor allen Dingen dem Weg zu folgen. -------- Ich denke darüber nach, mich zum Bodhisattva ordinieren zu lassen. Ich habe da große Widerstände. Einer davon ist, dass ich das Gefühl habe, nicht altruistisch genug zu sein, um Bodhisattva zu werden. Das ist ein gutes Zeichen. Denn wenn du denken würdest, du wärest altruistisch, würde das heißen, dass du dich zu sehr an dein altruistisches Ego klammerst. Zu sehen, an welchem Punkt man wenig altruistisch oder wenig mitfühlend ist, ist ein Zeichen dafür, dass man die Fähigkeit hat, sein eigenes Ego zu erhellen. Diese Fähigkeit, sein Ego, seine Täuschungen zu erhellen, ist ein grund-legender Faktor des Erwachens. Es ist besser, seine Täuschungen zu erhellen, statt sich über seine Fähigkeiten zu täuschen. Du kannst auch die Bodhisattva-Ordination in der Hoffnung empfangen, dass diese Ordination dir helfen wird, mehr Mitgefühl zu entwickeln. Das ist eine gute Motivation. Die Gelübde des Bodhisattva sind unermesslich. Kein Mensch kann sie vollkommen realisieren. Es ist wichtig, sich zu sagen: „Jeden Tag mache ich das, was ich machen kann.“ Letztlich sind nicht wir es, die diese Gelübde realisieren
können. Es ist die Praxis, die wir mit den anderen teilen, die es
ermöglicht, sie zu realisieren, nicht unser Ego. Wir sind einfach
Vermittler, die andere in Kontakt mit dieser Praxis bringen. ----- Was ist für dich der Unterschied in der Beziehung zu einem normalen Praktizierenden und einem Praktizierenden, der als Bodhisattva, Mönch oder Nonne ordiniert ist? Was ist da die unterschiedliche Energie? Mit jemandem, der als Bodhisattva, Mönch oder Nonne ordiniert ist, kann man in der Dimension der Gelübde der Bodhisattvas in Verbindung sein. Normalerweise teilt man in der Tiefe das gleiche Bodaishin. Bodaishin ist der tiefste Geist, der Geist Buddhas, der Geist des universellen Mitgefühls. Aufgrund dessen ist es viel einfacher, einem andern Bodhisattva zu helfen. Denn die grundlegende Hilfe besteht dann darin, ihn an seine Gelübde zu erinnern, und ihm zu helfen, Bodaishin zum Ausdruck zu bringen. Im Januar werden wir hier einen Ausbildungstag zur Sterbebegleitung machen. Als ich darüber nachgedacht habe, habe ich gedacht: Es gibt alle möglichen Arten und Weisen, den Leuten zu helfen, abhängig von ihren Bedürfnissen. Aber für uns als Praktizierende oder für mich als Dharma-Lehrer besteht die beste Hilfe, die ich geben kann, darin, diesen Geist des Erwachens zu erwecken oder wieder zu beleben, wenn er eingeschlafen ist. Ich wurde vor vielen Jahren gebeten, M. zu besuchen,
der in Düsseldorf in der Uniklinik war und im Sterben lag. Er hatte
Leukämie. Man hatte das Knochenmark ausgetauscht, aber diese Knochen-markstransplantation
wurde zurück gewiesen. Die Ärzte konnten nichts mehr für
ihn machen. Als wir nachts ankamen, sagte der diensthabende Arzt: „Wenn
Sie M. sehen wollen, gehen Sie hinein und machen Sie, was Sie machen wollen.
Wir können nichts mehr tun.“ M. war völlig zusammen-gefallen.
Er lag wirklich im Sterben. Ihm lief Speichel aus dem Mund, und er konnte
kaum mehr sprechen. Er hat seine völlige Hoffnungslosigkeit und seinen
Hass auf die Ärzte zum Ausdruck gebracht und gesagt, dass er nicht
mehr leben will. Er war wirklich in einem höllischen Zustand. Dann haben wir das Hannya Shingyo als Kito gesungen. Als er das Hannya Shingyo hörte, hat er sich aufgerichtet und die Hände in Gassho zusammengeführt. Er konnte das kaum machen, aber er hat das Hannya Shingyo mit den Lippen geformt. Das war für ihn ein Schock. In dem Augenblick, in dem er das Hannya Shingyo rezitierte, hat sich sein Geist völlig verändert. Am nächsten Tag bin ich nach Paris zurück gefahren. Man hat mich angerufen und mir gesagt: „Außergewöhnlich! All seine Lebensfunktionen haben wieder angefangen zu funktionieren.“ - Einen Monat später war er zuhause und ist Fahrrad gefahren. Und ein paar Monate später war er hier auf der Grube Tenzo. Und ein Jahr später (weint) - entschuldigt, ich bin immer sehr bewegt, wenn ich die Geschichte erzähle – haben wir hier einen Film gedreht. M. studierte an der Filmhochschule. Für sein Abschlussexamen musste er einen Film machen. Als Thema hat er seine Krankheit und seine Heilung genommen. Da haben wir hier wieder ein Kito gemacht. Der Film hat dann einen ersten Preis gemacht und wurde im Fernsehen gezeigt. Ich habe in dem Augenblick gespürt, dass es für mich leicht war, diesem jungen Mann zu helfen, der im Sterben lag. Denn zwischen uns gab es etwas, das uns sehr verbunden hat: Wir hatten das gleiche Ideal des Bodhisattvas. Selbst wenn er sich in völlig entgegengesetzten Gefühlen befand, gab es diesen Samen in ihm. Zu helfen war ganz einfach: Ich musste nur diesen Samen nähren. Mit, wie du sagst, ‚gewöhnlichen’ Leuten ist das viel schwieriger. Ich glaube, dass alle Wesen die Buddha-Natur haben, und Bodaishin realisieren können. Aber es bedarf einer Praxis. Ich glaube, dass es sehr viel schwieriger ist, diesen Geist bei einem Sterbenden zu wecken, der nie auf einem spirituellen Weg war und das Dharma nicht kennt. Wenn man einem Praktizierenden des Weges begegnet, der sich umbringen will, kann man ihm die Unterweisung Buddhas und die Praxis ins Gedächtnis rufen. Das wird ihn stimulieren, über diese Schwierigkeiten hinwegzugehen. Für Menschen, die nie Kontakt mit der Praxis des Weges hatten, ist es schwieriger. Aber ich glaube nicht, dass es hoffnungslos ist. Ich glaube, dass man sich die Geschichte Kannons ins Gedächtnis rufen sollte, die allen Wesen hilft, wie jemand, der nachts nach seinem Kopfkissen tastet. Wirklich auf eine natürliche, intuitive und unbewusste Weise den Kontakt finden. Denn selbst wenn der andere keine spirituelle Praxis hat, so existiert doch in seinem Grunde dieser Buddha-Geist.
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