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BEDÜRFNISSE |
Der Vers von Ryokan hat mich
sehr angesprochen: "Um glücklich zu sein, benötigt man
wenig." Ich habe mich dann gefragt: Wenn man die Buddhanatur erreicht
hat, benötigt man dann nichts mehr, um glücklich zu sein?
Machst du einen Unterschied zwischen wenig nötig haben und nichts nötig haben? – Auch ein Buddha muss essen, trinken und aufs Klo gehen. Ryokan hatte nicht keine Bedürfnisse, sondern er hatte einfache Bedürfnisse. Er hat auch ab und zu mal Sake getrunken. ‚Wenig Bedürfnisse’ bedeutet, dass er sein Leben völlig vereinfacht hat. Das ist der Fall bei jedem Wesen, das sein wirkliche Natur realisiert hat. Warum multiplizieren wir die Wünsche im Leben? – Weil wir glauben, dass die Erfüllung dieser Wünsche uns die Befriedigung verschafft, die wir im Augenblick noch nicht haben. Wir erleben alle, dass das nicht wahr ist. Jedes Mal, wenn wir den Gegenstand eines Wunsches auch wirklich haben, ist das nur eine vorübergehende Befriedigung, und sehr schnell entsteht ein neuer Wunsch und eine neue Suche nach Befriedigung. Ich habe es schon oft gesagt, weil es mir grundlegend erscheint: Dieser Mechanismus ist damit verbunden, dass wir unseren wirklichen Wunsch nicht realisiert haben. Der wirkliche Wunsch des Menschen ist es, seine wahre Natur zu realisieren und zu erwachen. Nur durch diese Realisation können wir – wie Ryokan – mit einem einfachen Leben zufrieden sein und wissen, dass wir nur wenige Dinge brauchen. Aber überhaupt nichts mehr zu brauchen, das existiert für ein Lebewesen nicht. Es gibt immer ein Minimum an Bedürfnissen, zumindest die Nahrungsbedürfnisse. Man darf Bedürfnis nicht mit Wunsch verwechseln. Ein Bedürfnis bringt etwas absolut Notwendiges zum Ausdruck: Wenn wir aufhören zu schlafen, zu essen und zu trinken, auf die Toilette zu gehen, dann sterben wir. Das sind unsere wirklich grundlegenden Bedürfnisse – dazu gehören noch ein paar weitere. Dem gegenüber sind die Wünsche unbegrenzt. Denn bei den Wünschen geht es ums Erfreuen. Aber was geschieht da? – Es gibt eine Spannung, und plötzlich wird diese Spannung reduziert bzw. verschwindet. Das bringt Freude. Durch den Wunsch schafft man einen Mangel. Das setzt uns innerlich unter Spannung, um diesen Gegenstand zu erlangen. Wenn man dann die Berührung mit dem Gegenstand hat, fällt die Spannung. Aber weil es genau das ist, was man sucht, schafft man sich direkt wieder ein neues Objekt, um dann eben wieder diese Spannung und die anschließende Entspannung zu haben. Das ist genau das, was Süchtige mit Drogen tun. In dieser süchtigen Funktionsweise des Geistes gibt es keinen tiefen Frieden und kein wirkliches Glück. Das Gedicht von Ryokan ist deshalb so schön, weil
es zeigt, dass man völlig anders leben kann. Sein ganzes Leben zeigte
das. – Das soll euch nicht davon abhalten, heute Abend die Fete
zu feiern, selbst wenn es sich dabei um eine unbeständige Freude
handelt.
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