BuddhaWeg-Sangha

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Fragen und Antworten

 

ANHAFTEN

 

Ich habe den Ausdruck ‚mit Händen und Füßen an Buddha gefesselt‘ nicht verstanden.

Mit Händen und Füßen gefesselt sein‘ist eine französische Redewendung, die die völlige Anhaf-tung an jemanden beschreibt. Wenn nur die Füße gefesselt sind, kann man sie mit den Händen befreien, wenn nur die Hände gefesselt sind, kann man davonlaufen. Aber wenn Füße und Hände gefesselt sind, kann man nichts mehr unternehmen.

Mit Händen und Füßen an Buddha gefesselt zu sein‘ meint die völlige Anhaftung an Buddha. Mit einer völligen Anhaftung an Buddha kann man nicht das Erwachen realisieren. Deshalb spricht Dogen vom ‚Erwachen jenseits von Buddha‘. Buddha ist das Ideal unserer Praxis. Wenn man zu sehr an diesem Ideal festhält, ist man nicht frei, nicht wahrhaft befreit. Darüber hinaus zeigt es, dass es eine Dualität zwischen einem selbst und Buddha gibt. Wenn man Buddha anhaftet, zeigt es, dass Buddha eine Vorstellung in unserem Kopf ist. Immer wenn man einer Person oder einer Sache anhaftet, ist es ein Zeichen von Dualität. Da sind zwei: man selbst und die andere Person. Die wahre Zen-Praxis besteht darin, selber Buddha zu werden. Dann gibt es den Begriff ‚Buddha‘ nicht mehr. Ohnehin ist Buddha kein Begriff, kein Objekt, keine Vorstellung. Aus diesem Grund kann man nicht erwachen, wenn man Buddha anhaftet.

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Ist es überhaupt möglich, aus dem Ego herauszukommen? - Ob ich denke, fühle, etwas will, letztlich hafte ich immer wieder an. Und wenn ich versuche, nicht anzuhaften, hafte ich dem Nicht-Anhaften an.

Es stimmt: Man kann sich nicht völlig von der Funktion des Egos befreien. Das Ego hat die Funktion zu unterscheiden. In der Welt der Phänomene, in der Welt der Relativität, muss man Unterschiede machen können. Das ist notwendig, um zu überleben: Es ist wichtig, zu unter-scheiden, was gut für einen ist und was nicht. Man bedarf auch eines gewissen persönlichen Identitätsgefühls. Wenn man den Sinn für die persönliche Identität verliert, kann man z.B. schizophren werden. Damit wir uns im Leben orientieren können, ist es notwendig, dass unsere Persönlichkeit eine Auswahl treffen kann, die mit unseren Werten übereinstimmen. Das verneint das Zen nicht.

Aber das ist nur ein Aspekt unserer Existenz. Um diese Individualität zu konstruieren, hat man oft eine Dimension der Existenz vernachlässigt, unterdrückt oder vergessen, die Dimension unseres Lebens, die wir in der Zazenpraxis finden. Unser Leben lässt sich nicht auf eine bestimmte Idee reduzieren, die wir uns von uns selbst machen, die wir das Ego nennen. Unser Leben basiert darauf, dass wir in völliger Wechselbeziehung zu allen Wesen stehen. Unser wirkliches Leben, unser wirk-liches Selbst ist viel tiefer, viel weiter als das, was wir uns vorstellen, wenn wir sagen: „Ich bin jemand, der so oder so ist.“ Die Praxis des Zazen ist eine Öffnung zu der weiten Dimension unseres Lebens hin. Manchmal nennt man das das Leben ohne Trennung.

Das heißt nicht, dass es keine Trennung gibt, natürlich gibt es Trennungen und Unterschiede. Aber man ist nicht verpflichtet, sich auf diese Unterschiede reduzieren zu lassen, sich in diese Trennungen einsperren zu lassen. Die Zazenpraxis eröffnet uns eine andere Perspektive, eine weitere Dimension.

Da wird deine Frage nach der Anhaftung interessant, denn es gibt eine grundlegende Anhaftung. Man klammert sich an sein eigenes Leben, an sein eigenes Selbst. Es gibt einen weiteren, sehr vitalen Aspekt der Anhaftung: Die Anhaftung zwischen Mutter und Kind ist absolut vital. Wenn da keine Anhaftung wäre, bestünde die Gefahr, dass das Kind sterben würde, zumindest aber erhebliche Schäden erleiden würde. Auch in der Familien gibt es Anhaftung. Diese Anhaftung ist erforderlich, damit die Familie bestehen bleibt, damit Vater, Mutter, Kinder zusammen bleiben. Diese Einheit ist notwendig für die Weitergabe des menschlichen Lebens, nicht nur des biologi-schen Lebens. Es gibt Formen der Anhaftung, die in unserer Natur verwurzelt sind. Niemand verachtet sie. Auch Buddha hat sie nicht verachtet. Er hat die Laien unterwiesen: „Ihr müsst euch um eure Frauen, um eure Kinder kümmern.“

Aber selbst auf dieser Ebene kann man das ohne egoistische Anhaftung machen. Eine gute Anhaftung besteht darin, dass der andere wichtig wird, dass man sich um den anderen sorgt. Wenn man in einer egoistischen Anhaftung gefangen ist, ist nicht der andere wichtig, sondern der andere ist wichtig für einen selbst als Objekt der Befriedigung der eigenen Wünsche. Diese Anhaftung ist nicht gut. Dann ist der andere völlig austauschbar, jeder - oder fast jeder - könnte seine Funktion übernehmen. Er wird nicht als das respektiert, was er in Wirklichkeit – als Subjekt – ist, sondern wird zu einem Objekt. Das ist keine gute Anhaftung.

Der Hauptkritikpunkt an der Anhaftung ist im Buddhismus die Anhaftung an das eigene Ego. Sie ist Quelle von Leiden. Wenn man sich sehr an sein eigenes Ego klammert, d.h. an eine Idee, ein Bild, das man sich von sich selbst macht, führt das dazu, dass man den Giften unterworfen ist, insbeson-dere der Gier, die immer etwas Zusätzliches haben möchte. Das Ich hat immer das Bedürfnis, nach mehr zu greifen, weil es in der Tiefe weiß, dass es ohne Substanz ist. Um sich selbst zu bestätigen, greift es immer nach mehr. Es gibt also immer die Angst, dass man etwas verliert. Darauf beruht die Täuschung.

Natürlich hat jeder seine Persönlichkeit. Aber wenn man aus ihr das Zentrum der Welt macht und sie für etwas Permanentes hält, das unser Wesen ausmacht, irrt man sich völlig. Man hält etwas Unbeständiges, Nicht-Substantielles, für etwas Permanentes und für ein substantielles Selbst. Das steht im Widerspruch zur Wirklichkeit. Das löst Ängste und alle negativen Emotionen aus: Wut, wenn man Opfer wird von etwas, das uns stört, Eifersucht, Habenwollen, weil man nie genug hat, weil man etwas haben möchte, was andere haben, Aggresivität, wenn man Angst hat oder sich bedroht fühlt. Alle großen Konflikte kommen aus dieser übertriebenen Anhaftung an das Ego. Nicht nur die Leiden, die man anderen aufdrängt, sondern auch die Leiden, die man sich selbst zufügt.

Die Unterweisung Buddhas, die Unterweisung des Zen, die Praxis von Zazen, hilft uns, klarer zu sehen, dass das Ego eine relative Funktion hat, dass es nicht unser ganzes Leben ist. Also bringen wir es wieder an seinen richtigen Platz. Es gibt ein Platz für das Ego, aber er ist begrenzt. Das Ego darf nicht im Zentrum stehen, sonst wäre man egozentrisch. Nicht weil es schlecht wäre, sondern weil es falsch ist: Wir sind nicht das Zentrum der Welt. Es gibt kein Zentrum der Welt. Es gibt nur ein großes Feld von Wechselbeziehungen. Es ist viel angemessener, sich in diesem Feld der Wechselbeziehungen zu sehen, indem man auf alles achtet, was relativ ist, auf alle Beziehungen zu den anderen.

Das gebiert den Geist des Bodhisattvas, der aus dem Gefühl der Einheit oder der Wechselbeziehung seines Lebens mit allen Wesen, die Motivation entstehen lässt, allen Wesen zu helfen. Das Mitgefühl der Bodhisattvas, ihr Wohlwollen, ist nicht Ergebnis eines Gebots oder eines Befehls, sondern der Realisation, dass unser Leben in der Tiefe nichts anderes ist als Beziehungen zu anderen. Dann fühlt man sich auf natürliche Weise in Emphatie mit den anderen. Emphatie ist eine natürliche Funktion des menschlichen Geistes. Je nach unserem Karma funktioniert sie mehr oder weniger gut. Jemand, der ein Ego hat, das gesund funktioniert, empfindet Emphatie, weil er in der Lage ist, sich an die Stelle anderer zu versetzen. Er ist nicht in sich selbst eingeschlossen. Denn er braucht sich nicht zu verteidigen, wie Menschen, die eine Neurose haben.

Du hast gesagt, dass man unter Umständen an der Nicht-Anhaftung haftet. Das kann passieren, das stimmt. Man sollte sich auch nicht an die Nicht-Anhaftung klammern. Die wirkliche Nicht-Anhaftung ist keine Funktionsweise des Egos. Das Ego kann sich nicht von sich selbst lösen. Wenn man sich mit Willenskraft lösen möchte, ist das nicht möglich. Das ist wie Feuer mit Benzin löschen zu wollen. Das Loslassen kann letztlich nur durch die Zazenpraxis kommen.

In Zazen nimmt man zum einen intuitiv wahr, dass unser Ego nichts Substantielles ist, das unsere Aufmerksamkeit verdient, und dass es eine größere Dimension jenseits des Egos gibt. Zum anderen hilft die Konzentration von Zazen, alle Manifestationen unserer Täuschungen vorüberziehen zu lassen. Selbst wenn wir noch immer alte egoistische Konditionierungen haben, folgt man ihnen mit Hilfe der Konzentration nicht. Man sieht, dass sie da sind, aber man fühlt sich nicht gedrängt, den Impulsen zu folgen, die mit unseren Konditionierungen und Anhaftungen verbunden sind. Man kann sehen, dass die Anhaftung da ist, aber die Anhaftung führt nicht dazu, dass man eine bestimmte Entscheidung trifft.

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Wir sagen immer: „Körper und Geist abwerfen - shin jin datsu rakku.“ Das setzt voraus, dass wir ein funktionierenden Körper und einen funktionierenden Geist haben. Aber was ist z.B., wenn wir alt werden, wenn der Geist nicht mehr funktioniert, wir nicht mehr sehen, hören, riechen können. Kann man dann noch praktizieren? Kann man dann noch etwas abwerfen und wenn ja, was?

Der Geist verschwindet nie, außer zum Zeitpunkt des Todes. Ich glaube, dass das ein sehr wichtiger Punkt ist, insbesondere für Leute, die Sterbende begleiten. Es nicht so, dass kein Geist mehr vorhanden ist, weil die Fähigkeiten der Sinne und die Fähigkeit der Wahrnehmung abgenommen haben. Auch bei Menschen, deren geistige Fähigkeiten sehr eingeschränkt sind, existiert noch ein Minimum an Geist.

Aber darum geht es nicht eigentlich. Ich glaube, deine Verwirrung rührt daher, dass wir auch hier eine etwas zu abgekürzte Sprechweise verwenden. Was aufgegeben wird, ist die Anhaftung an Körper und Geist. Wenn man es richtig und vollständig ausdrücken will, muss man sagen: „Die Anhaftung an Körper und Geist aufgeben.“

Wenn man es noch richtiger ausdrücken wollte, müsste man sagen, dass es weder Körper noch Geist gibt, die man abwerfen kann, dass die Anhaftung einfach eine Täuschung ist. Die Täuschung, dass es einen Körper und Geist gibt, den man besitzt und den man abwerfen könnte. Von der Leerheit aus gesehen, davon aus, dass uns Körper und Geist nicht gehören, weil sie keine Substanz haben, können sie nicht abgeworfen werden. Man kann sich noch nicht einmal an sie klammern.

Es ist die große Täuschung, sich an Körper und Geist zu klammern. Denn dieser Körper gehört mir nicht, und der Geist ist völlig unbeständig. Wie kann ich mich an etwas haften, das ohne Substanz ist? Dies ist die große Täuschung. Wenn man von shin jin datsu rakku spricht, verschwindet genau diese Täuschung, dass es einen Körper und Geist gibt, an den man sich klammern könnte. Dann verschwindet die Wurzel der Anhaftung. Es gibt nichts, an das man sich klammern könnte, und niemanden, der sich an etwas klammert. Die fünf Skandhas sind ohne Substanz, sind Leerheit. Also gibt es auch nichts aufzugeben.

Aber die Entscheidung oder die Entwicklung dahin, nicht anzuhaften, setzt ein funktionierendes Bewusstsein voraus.

Das stimmt.

Ich denke da an meine Oma, die immer dementer wird, die zum Teil nicht mehr weiß, wozu Sachen gut sind: „Wofür brauche ich meine Zähne?“ Die haftet ja auch nicht mehr an. Aber das ist keine bewusste Entscheidung.

Das ist eine Krankheit.

Das heißt aber, dass man nur in einer bestimmten körperlichen und geistigen Verfassung wirklich praktizieren kann. Irgendwann ist es vorbei.

Deshalb sollte man nicht bis zu dem Punkt warten, dass man so krank ist, um mit der Praxis zu beginnen. Man sollte auch nicht warten, bis man tot ist. Konzentriert euch hier und jetzt.

 

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