Was machen wir, wenn wir Zazen
machen? Natürlich kann man darauf antworten: Wir konzentrieren
uns auf die Haltung des Rückens, darauf, dass sie gut senkrecht
ist. Wir drücken mit der Schädeldecke in den Himmel,
mit den Knien in den Boden. Wir sind aufmerksam auf die Atmung,
und lassen die Gedanken vorüberziehen.
Selbst diese einfachen Erklärungen
drücken nicht die Ganzheit von Zazen aus. Nichts ersetzt
die Erfahrung, Zazen zu machen. Diese Erfahrung lässt sich
in keiner Definition fassen. Wenn man wirklich Zazen macht, lässt
man sich von der Konzentration auf die Haltung absorbieren. Unser
dualistischer Geist, der Geist, der Unterscheidungen trifft, ist
aufgegeben. Wir werden nicht mehr von seiner Funktionsweise dominiert.
In Zazen ergreift der Geist nichts mehr. So harmonisiert man sich
unbewusst und natürlich mit dem nichtfassbaren Charakter
von Allem. Man macht, ohne zu machen. Man handelt, ohne zu handeln,
d.h. ohne Gegenstand, ohne sein persönliches Bewusstsein
zu benutzen. Letztlich lässt man Zazen machen.
Was ist Leben? Man kann verschiedene
Prozesse beschreiben, die charakterisieren, was Leben ist. Aber
letztlich lässt sich das Leben nicht in einer Definition
fassen. In Wirklichkeit leben wir nicht aus uns selbst heraus.
Wir werden von der kosmischen Ordnung gelebt. Zazen bringt uns
damit in Einklang. Wenn das Bewusstsein im Hishiryo-Modus funktioniert,
wenn man denkt, ohne zu denken, ohne sich an Gedanken zu klammern,
ohne sich mit Gedanken zu identifizieren, wird unser Denken wird
weit. Man ist sogar manchmal von Gedanken überrascht, die
auftauchen, die man nicht willentlich gedacht hat.
Auf die gleiche Weise kann man
fragen: Was macht der Bodhisattva Kannon mit seinen vielen Armen
und Händen? Natürlich kann man antworten, dass er allen
Wesen hilft. Aber was hilft wirklich? Das kann man nicht wirklich
erfassen. Es ist wie in der Nacht nach seinem Kopfkissen zu tasten.
Es ist handeln, ohne zu handeln, ohne sich an den Gegenstand der
Handlung zu klammern, ohne bewusst daran zu denken. Es ist wie
Zazen machen. Es ist etwas, was jenseits von einem selbst geschieht.
Es ist, als würde die kosmische Ordnung durch uns hindurch
handeln, durch die Arme von Kannon hindurch.
Aber selbst diese Antwort drückt
nicht die Ganzheit der Wahrheit aus, nur ungefähr achtzig
Prozent. Das heißt, dass etwas Nicht-Ausgedrücktes,
etwas Nicht-Erklärtes bleibt. Dann kann man natürlich
sagen, dass diese Antwort ungenügend ist, dass man die Wahrheit
zu hundert Prozent ausdrücken muss. Aber in Wirklichkeit
sind achtzig Prozent bereits viel. Selbst Buddha hat nicht hundert
Prozent zum Ausdruck gebracht. Am Ende nahm er einfach eine Blume
und drehte sie schweigend zwischen seinen Fingern. Das war seine
tiefste Weise, das Dharma auszudrücken.
Im Schweigen Buddhas scheint
etwas Unausgedrücktes zu liegen. Aber es ist nicht so wichtig,
alles zu sagen. Denn man würde nie aufhören, alles sagen
zu wollen, da das Dharma unbegrenzt ist. Die Wirklichkeit ist
letztlich nicht fassbar. Unmöglich, sie in Definitionen und
Worte einzufassen. Sie ist wie Kannon.
Man hat Kannon auf verschiedene
Weise dargestellt: mal als Mann, mal als Frau. Kannon mit vier
Armen, mit sechs Armen, mit zehn Armen, tausend Armen. Man muss
sich weigern, sich eine Vorstellungen von Kannon zu machen, und
selbst Kannon werden. Aus uns selbst heraus können wir den
anderen nicht so sehr helfen. Unser Ego, unser persönliches
Bewusstsein ist begrenzt. Es funktioniert immer in der Getrenntheit.
Aber wenn man sich der Praxis von Zazen hingibt, wenn man diese
Praxis mit anderen teilt, dann trägt diese Praxis uns alle
über uns selbst hinaus, über alle Trennungen hinaus,
und bringt uns mit der Buddhanatur in Einklang, der Natur, der
Existenz ohne Trennungen. Diese Natur hilft, wenn sie realisiert
wird, jeder Person am meisten. Letztlich wird durch unsere eigene
Buddhanatur geholfen.
Das Dharma weiterzugeben besteht
darin, das Vertrauen in die Buddhanatur jedes einzelnen weiterzugeben
und vor allem die Weise weiterzugeben, wie man sich mit dieser
Buddhanatur harmonisiert, wie man sie entdeckt, wie man sich von
ihr im Handeln leiten lässt, wie Kannon, die unbewusst ihr
Kopfkissen in der Nacht sucht, in der Nacht des Geistes, in der
Nacht des bewussten, des willentlichen Denkens. Dann macht bricht
Licht inmitten der Dunkelheit hervor. Das ist der Sinn unserer
Praxis.
Aber wir begrenzen unsere Praxis
nicht auf diesen Sinn. Sie ist jenseits jeden Ausdrucks. Wenn
man praktiziert, kann man das wirklich spüren, und die Funktionsweise
des Geistes aufgeben, der immer ergreifen und begrenzen möchte.
Das nennt man Hishiriyo, die Essenz des Zen, das Denken jenseits
allen Denkens, das uns über das Darüberhinaus dieser
begrenzten Welt hinausträgt. Es ist Kannon, die uns diesen
Weg zeigt.
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