Das Kesa ist das Gewand Buddhas. Wir tragen mit
fünf, mit sieben, mit neun Bahnen. Das fünfbahnige Kesa
wird Rakusu genannt. Das sieben- und das neunbahnige Kesa wird
normalerweise von Mönchen und Nonnen getragen, das neunbahnige
bei wichtigen Zeremonien.
Die Art und Weise, wie das Kesa genäht wird, ist seit Buddhas
Zeiten weitergegeben worden. Es heißt, dass Buddha an den
Orten, an denen die Leichen verbrannt wurden, Stoffreste gesammelt
hat. Er hat sie gewaschen, gefärbt, zusammengenäht und
sich auf diese Weise sein Gewand gemacht. Aus den Resten der Leichentücher
aus dem, was die Menschen verachteten, wurde das Gewand Buddhas,
das Gewand des Erwachens.
Vor dem Beginn des Zazen legen wir das Kesa auf den Kopf, auf
die höchste Stelle des Körpers, und rezitieren den Kesa-Vers,
das Takkesa ge.
Dai sai gedap-puku
Gewand der Großen Befreiung,
Musô fuku den e
Kesa des Feldes unbegrenzten Glücks.
Hi bu nyorai kyo
Voller Vertrauen tragen wir die Unterweisung Buddhas
Ko do shoshu jo
und führen alle fühlenden Wesen zur Befreiung.
In das Kesa gehüllt praktizieren wir Zazen, die Große
Befreiung. Aber das Kesa ist keine Hülle. Zazen, das Kesa
und wir selbst sind völlige Einheit. Wenn wir wirklich Shikantaza
praktizieren, wenn wir wirklich restlos sitzen, gibt es niemand
mehr, der Zazen macht. In Zazen gibt es nur noch ‚'dies!’.
Das ist die Große Befreiung.
Diese Große Befreiung ist zugleich völliges, unbegrenztes
Glück.
Diese Praxis, diese Befreiung, dieses Glück, dieses Kesa
ist seit Buddha weitergegeben worden, ist bis zu uns gekommen.
– Schon allein das ist Grund genug, dem Kesa Respekt zu
bezeugen und es auf den Kopf zu legen. Das Kesa geht über
uns hinaus, übersteigt uns. Wenn wir das Kesa respektieren,
wenn wir es sorgfältig nähen, ermöglichen wir es
dieser Praxis, dieser Großen Befreiung, diesem völligen
Glück, weiterzuexistieren.
Die Handlungen der Menschen in den letzten zweieinhalb Jahrtausenden,
haben es ermöglicht, dass wir heute praktizieren. Unsere
Verantwortung ist es, diese Praxis weiterzugeben, damit sie auch
zweieinhalb Jahrtausende nach uns existiert.
Also konzentriert euch gut! Praktiziert wirklich das Zazen, in
dem alles völlige Einheit ist, in dem kein Dualismus existiert,
in dem kein Rest übrig bleibt. Das ist die Große Befreiung,
das Feld des unbegrenzten Glücks.
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Im Buddhismus spricht man von der dreifachen Zuflucht. Man nimmt
Zuflucht zu Buddha, zum Dharma, der Lehre Buddhas, und zur Sangha,
der Gemeinschaft derjenigen, die diese Lehre leben.
In unserer Tradition ist die Zufluchtnahme Teil der Bodhisattva-Zeremonie:
Wir gehen den Weg Buddhas nicht allein, sondern gemeinsam mit
allen Wesen und für alle Wesen verwirklichen. In der Zeremonie
empfängt man ein Rakusu, ein kleines Kesa. Es ist äußeres
Zeichen unserer Zufluchtnahme zu Buddha, Dharma und Sangha. Es
ist Ausdruck unseres Vertrauens in Buddha, seine Lehre und in
die Gemeinschaft derjenigen, die diese Lehre praktizieren.
Voller Vertrauen tragen wir die Unterweisung Buddhas,
das Kesa, das Rakusu.
Die Unterweisung Buddhas, das Dharma, und wir selbst sind nicht
getrennt. Wenn wir Zazen praktizieren, wenn wir das Kesa tragen,
tragen wir die Unterweisung Buddhas, das Dharma.
Dass wir die Lehre Buddhas tragen, sollte aber nicht nur dadurch
deutlich werden, dass wir im Dojo das Kesa tragen, sondern auch
in unserem Verhalten unserer Mitwelt gegenüber. Der letzte
Vers sagt:
und führen alle fühlenden Wesen zur
Befreiung.
Er spricht das erste der Gelübde der Bodhisattvas an:
Shujô muhen sei gan do
Unzählig sind die lebenden Wesen. Ich gelobe, sie alle zur
Befreiung zu führen.
Jedes lebende Wesen muss sich selbst befreien, aber wir können
den Weg der Befreiung selbst gehen und ihn anderen zeigen. Meister
Deshimaru sagte: „Ich kann euch nur zur Weide führen.
Das Gras müsst ihr selber fressen.“
Das Kesa ist Ausdruck des Gelübdes, allen lebenden Wesen
zu helfen, sich zu befreien. Es erinnert uns daran, dass wir diesen
Wunsch in uns tragen, und daran, diesem Wunsch entsprechend zu
handeln. Es erinnert uns an die Verhaltensweisen eines erwachten
Wesens, an die Kai, die wir – wie das Rakusu – während
der Bodhisattva-Zeremonie empfangen.
Es erinnert uns z.B. daran, keinen egoistischen Absichten zu
folgen. Wenn wir mit unserem Handeln keine selbstsüchtigen
Absichten verfolgen, tragen wir die Unterweisung Buddhas.
Wenn wir vor dem Zazen das Kesa auf den Kopf legen und den Kesa-Vers
rezitieren, erinnern wir uns daran, dass wir unser Leben von Gelübden
der Bodhisattvas aus leben wollen, daran, dass wir wirklich das
Dharma Buddhas tragen wollen, daran, dass wir allen Wesen helfen
wollen, sich zu befreien.
Gewand der Großen Befreiung,
Kesa des Feldes unbegrenzten Glücks.
Voller Vertrauen tragen wir die Unterweisung Buddhas
und führen alle fühlenden Wesen zur Befreiung.
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