Immer mehr Menschen wenden sich
dem Buddhismus zu, dem Zen, kommen in die Dojos, beginnen zu praktizieren,
an Sesshin teilzunehmen und hören dann auf. Wenn das
passiert, stellen wir, die wir für die Unterweisung verantwortlich
sind, uns oft die Frage: Gibt es nicht etwas, das ich hätte
lehren, weitergeben können, das es dieser Person möglich
gemacht hätte, ihre Motivation zu vertiefen, über die
Schwierigkeiten, denen sie in ihrer Praxis begegnet ist, hinauszugehen,
und es ihr so ermöglicht hätte, weiterzumachen und die
Frucht des Weges verwirklichen zu können?"
Es handelt sich um ein wesentliches und sehr altes Problem. Es
geht um den wirklichen Buddha-Geist, den wirklichen Geist des
Erwachens. Shakyamuni selbst hat uns das Beispiel gegeben, als
er spürte, dass es nicht zum wirklichen Glück des Menschen
führt, wenn man sich einzig den materiellen Freuden des Lebens
hingibt. Die Freuden sind unbeständig. Früher oder später
begegnet man Krankheit, Alter, Tod, verliert das, an dem man hängt.
Aufgrund dessen hat Shakyamuni begonnen, den Weg zu praktizieren.
Er hat bei großen Yogis seiner Zeit studiert, schnell hat
er einen geistigen Zustand großer gedankenloser Konzentration
erreicht und sein Meister hat ihm gesagt: Du hast meine
Lehre verstanden und kannst nun deinerseits unterrichten."
Shakyamuni hat sich geweigert, denn er war nicht zufrieden. Für
ihn reichte das nicht aus. Das war nicht die wirkliche Bedeutung
des Weges.
Er hat seine Suche fortgesetzt und sich Kasteiungen auferlegt.
Auch hier war er nach sechs Jahren immer noch unzufrieden, denn
trotz all seiner Bemühungen hatte er sich nicht wirklich
von seinen Anhaftungen, den tiefen Unrsachen des Leidens, befreit.
Zu diesem Zeitpunkt entschloss er sich, die Kasteiungen aufzugeben
und sich in Zazen hinzusetzen.
Diese Zazen-Praxis ermöglichte es ihm schnell, in einen Zustand
guter Konzentration zu kommen, und es gelang ihm, all seine Sorgen
zu vergessen. Aber noch immer war er nicht zufrieden. Er setzte
seine Praxis fort und gab alle Formen bewussten Denkens, alles
Nachdenken auf. Jetzt verspürte er großes Glück,
große Freude, war aber immer noch nicht zufrieden. Er gab
alle Formen der Anhaftung an Glück, sogar an spirituelles
Glück, auf und verwirklichte einen Zustand großer Gleichmut.
Er hätte sich damit zufrieden geben können. Aber er
war immer noch unzufrieden. Viele Leute geben sich damit zufrieden:
keine Gefühle mehr, einen friedlichen Geist. Aber das ist
noch immer nicht die Wurzel. Shakyamuni setzte seine Praxis fort.
Jetzt sah er all seine vergangenen Leben vorüberziehen. Dann
sah er alle menschlichen Leben vorbeiziehen. Er verstand, dass
alle Wesen aufgrund ihres Karmas immer weiter transmigrierten.
Er setzte seine Praxis fort. All das geschah im Verlauf
einer einzigen Nacht. Er verstand, dass alle Wesen, die
geboren werden, wegen ihrer Anhaftungen, ihrer Wünsche und
ihrer Ignoranz leiden. Indem man die Wurzel dieser Ignoranz, dieser
Gier ausriss, war es möglich, sich von dem Leiden zu heilen.
Klar sah er den Weg, der es ermöglichte, dies zu verwirklichen.
Er nannte ihn den Achtfachen Pfad. Er umfasst die Praxis der Meditation,
die Praxis der rechten Einstellung, des rechten Verhaltens und
der Weisheit. Er hätte hier halt machen können. Aber
noch immer war er nicht zufrieden. Er sah alle leidenden Wesen.
Der Geist des Mitgefühls ließ ihn die Entscheidung
treffen, allen leidenden Wesen zur Hilfe zu kommen. Er hätte
seine Praxis bei dem persönlichen Erwachen beenden können.
Aber sein Erwachen umfasstedie Empfindung seiner völligen
Einheit mit allen Wesen. Und so begann er zu lehren. Er bekam
immer mehr Schüler. Unter ihnen waren Personen, die sich
seiner Sangha aus Motiven anschlossen, die nicht dem Geist des
Weges entsprachen. Manche versuchten, dem Fiskus zu entkommen,
andere wollten den Militärdienst vermeiden, wieder andere
wollten sichergehen, täglich zumindest eine Schüssel
Reis zu haben.
Nach den Regeln, die Buddha für die Sangha aufgestellt hatte,
war es nicht möglich, die Schüler, die keinen Geist
des Erwachens, keinen Bodaishin hatten, aus der Sangha zu entfernen,
selbst dann nicht, wenn sie störten. Alles, was man tun konnte,
war, sie das Dharma tiefer zu lehren, ihnen Anregungen zu geben.
Man konnte die, die gegen die Regeln verstießen, nicht ausschließen.
Was den Geist anbetraf, so konnte man nur versuchen, ihn zu heilen.
Eines Tages schuf ein vertrauter Schüler Buddhas namens Devadatta,
der vor allem wegen seiner magischen Kräfte ein gewisses
Ansehen genoss, ein Schisma.Am Tag nach seinem Weggang hielt Buddha
eine Predigt, die er Das Herz des großen Baumes"
nannte. Er nahm das Bild einer Person, die aufbrach, um das Herz
eines großen Baumes zu finden und die, da sie dieses Herz
nicht kannte, sich damit zufrieden gab, Blätter und Ästchen
zusammenzutragen, und somit völlig das verfehlte, was das
Herz ihr hätte geben können. Er führte das Thema
am Beispiel eines Schülers aus, der seine Familie verließ,
den Weg zu pratizieren begann, sich eine Zeit lang konzentrierte,
aufgrund seiner Praxis respektiert wurde, eine gewisse Popularität
erlangte, jemand der Kyosakumann, Tanto oder Shusso wurde und
davon befriedigt, diese Position erlangt zu haben, in seiner Praxis
stagnierte oder sie aufgab. Ein anderer Schüler hatte ebenfalls
diesen Respekt und diese Popularität erlangt. Er gab sich
nicht zufrieden, setzte seine Praxis fort, war diszipliniert,
respektierte die Gebote, hatte ein gutes Betragen, war völlig
Meister seiner selbst. Er begann stolz zu werden, die anderen
zu kritisieren, stagnierte schließlich und hörte auf
zu praktizieren, weil er glaubte, den Gipfel der Praxis erlangt
zu haben. Wieder ein anderer Schüler erlangte das gleiche
moralische Niveau, die gleiche Meisterschaft über sich selbst,
wurde sich darüber klar, dass dies nicht reichte und fuhr
fort zu praktizieren und erlangte eine große geistige Konzentration.
Im Namen dieser Konzentration kritisierte er die anderen: Sie
sind nicht konzentriert. Ich bin der einzige, der wirklich konzentriert
ist." Er vernachlässigte seine Praxis und hörte
schließlich mit ihr auf. Noch ein anderer Schüler erlangte
den gleichen Grad an Konzentration, wurde sich aber bewusst, dass
das nicht ausreicht. Er praktizierte weiter, entwickelte sein
Verständnis, seine Intuition, seine Analysefähigkeit,
eine große Weisheit. Aber er prahlte nicht mit seiner Weisheit,
war mit seinem Verständnis nicht zufrieden. Er setzte seine
Praxis fort und erlangte schließlich die große Freiheit,
die nicht durch die Zeit begrenzt wird. Damit, so sagt Shakyamuni,
hat er das Herz der Praxis verwirklicht.
Nachdem sie diese Belehrung gehört hatten, sagten sich einige,
dass sie nun verstanden hatten, was das Herz der Praxis ist: Buddha
Shakyamuni erklärt es so und so." Sie haben sich in
diese Richtung konzentriert und sind Arhats geworden, Menschen,
die alle Praktiken perfektioniert haben und sich mit ihrem Erwachen
zufrieden gaben. Sie begnügten sich damit, sich dessen zu
erfreuen.
Andere verstanden, dass das noch nicht dieEssenz des Budda-Weges
war. Selbst wenn man das Herz erfasst hat, muss man noch verstehen,
dass dieses Herz leer ist und dass es dies ist, was es ihm ermöglicht
zu schlagen. In Wirklichkeit hat man nichts erfasst, kann man
nichts mitnehmen. Der Weg, den man verwirklicht hat, ist unbegrenzt.
Man darf nicht bei seiner eigenen Verwirklichung stehenbleiben.
Und so wenden sich seine Schüler, genau wie Buddha, den anderen
zu, um ihnen zu helfen, sich zu befreien. Sie verzichten auf ihr
eigenes Wohlbefinden, auf ihre eigene Ruhe. Dies sind die Bodhisattvas.
Für sie ist die Verwirklichung, die sie erreicht zu haben
glauben, nicht ausreichend, solange es noch irgendwo Wesen gibt,
die leiden. Für sie ist es nicht mehr möglich aufzuhören,
selbst wenn sie es wollten, egal welche Hindernisse sich auftürmen.
Dies ist der Geist des Bodhisattva-Weges. Aber es handelt sich
nicht um einen Geist des Opfers, denn der Bodhisattva verwirklicht
hier und jetzt das wirkliche lebendige Nirvana, da er seine eigene
Praxis und seinen eigenen Geist nicht begrenzt, indem er an nichts
hängt, nicht einmal am Nirvana. Das einzige, was erwünscht,
ist es, das Nirvana mit allen zu teilen, und dieser Wunsch kennt
keine Grenzen.
|