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Praxistage auf der Straße (2)

 

Vier Tage lang haben wir zu siebt in Hamburg auf der Straße gelebt. Wir haben gemeinsam Zazen gemacht, an Gottesdiensten verschiedener Religionen teilgenommen, um Nahrung und Geld gebeten, mit Obdachlosen gesprochen, wir haben Pappkartons und Plastikfolien gesucht, um uns vor der Kälte der Nacht zu schützen.

Warum praktizieren wir auf der Straße, warum machen wir Sesshins im ehemaligen KZ Buchenwald?

Das Robashin-Dojo in Solingen ist ein schöner Ort, an dem wir uns mehrmals in der Woche zum Zazen treffen. Aber das Dojo ist ein Schutzraum. Wir gehen in diesen Schutzraum, um in aller Ruhe (oder Stille) zu meditieren. (Und das ist auch gut so!) Nach eineinhalb Stunden verlassen wir ihn wieder und kehren zurück in den Alltag. Aber auch in diesem Alltag schützen wir uns davor, bestimmte Dinge hautnah zu erfahren. Wir sehen z.B. Menschen, die auf der Straße leben, aber wir erfahren nicht, was es heißt, auf der Straße zu leben. Eine mehr oder minder dünne Folie trennt uns von diesem Leben.

Die meisten von uns haben Angst vor Hunger und Kälte, davor, nicht zu wissen, wann es etwas zu essen gibt und wo sie die Nacht verbringen werden. Wir haben Angst davor, andere um etwas zu bitten, Angst davor, abgelehnt zu werden, Angst davor, dass wir nicht mehr wie gewöhnlich behandelt werden, weil sich unser gewöhnliches Aussehen verändert hat. An Praxistagen auf der Straße teilzunehmen heißt, den Schutzraum zu verlassen, die Folie wegzunehmen und einen Teil des Lebens zu berühren, der uns Angst macht.

Es heißt aber auch, spirituelle Praxis in den öffentlichen Raum zu tragen, dorthin, wo Leiden sich sichtbar manifestiert, z.B. an einen Ort, an dem zwischen 100 und 200 Menschen herumlungern und sich Drogen spritzen. – Im Buddhismus spricht man von den sechs Bereichen. Einer von ihnen ist die Hölle. Wer vor dem Drop-In in Hamburg meditiert hat, hat in einer der gegenwärtigen Höllen meditiert.

Lasst uns unsere Praxis ausdehnen auf die sechs Bereiche!

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