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Spirituelle Praxis ist politische Praxis

 

Ob wir es wollen oder nicht, wir werden von der Gesellschaft geprägt, in der wir leben, und prägen umgekehrt unserseits auch diese Gesellschaft. Ob wir es wollen oder nicht, selbst wenn wir uns aus der Gesellschaft zurückziehen, sie ablehnen oder nicht handeln, trägt auch dieses Verhalten zur gesellschaftlichen Situation bei.

Der Buddhismus spricht von drei Giften, deren Wirkung man sich bewusst werden soll und gegen die es anzugehen gilt - Gier, Hass und Verblendung. Diese drei Gifte wirken nicht allein auf individueller, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene:

Unser Wirtschaftssystem basiert auf Gier, darauf dass der Mensch immer mehr haben will, nie genug bekommt. Ohne das ständige Wecken neuer Bedürfnisse und deren Befriedigung kommt das Wirtschaftswachstum ins Stocken, steht weniger Geld zur (Um-)Verteilung zur Verfügung, wächst die Kluft zwischen Arm und Reich.

Untrennbar mit Gier verbunden ist Hass, Ablehnung: Wenn die Unterschiede zwischen einzelnen Menschen oder Staaten zu groß werden, wenn die Resourcen zu knapp werden, um eine in etwa gleich hohe Bedürfnisbefriedigung zu gewährleisten, entsteht Neid und dieser führt zu Gewalt und Krieg. - Das ist übrigens keine neue Erkenntnis: Im Cakkavatti-Sutra sagt Buddha: "So ist denn, ihr Mönche, weil man den Unbemittelten keine Mittel dargereicht hatte, die Not immer größer geworden, weil die Not immer größer geworden war, hat das Nehmen des nicht Gegebenen sich mehr und mehr verbreitet, weil das Nehmen des nicht Gegebenen sich mehr und mehr verbreitet hatte, hat die Waffengewalt überhandgenommen, weil die Waffengewalt überhandgenommen hatte, ist der Totschlag weiter fortgeschritten."

Verblendung ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil unserer gesellschaftlichen und ökonomischen Ordung: Milliarden fließen in die Werbung, um uns dazu zu ermutigen, Dinge zu kaufen, die wir - in den allermeisten Fällen - nicht brauchen. Weitere Milliarden werden aufgebracht, um uns an eine bestimmte Sicht der Wirklichkeit zu gewöhnen. Wahrheit und andere ethische Werte bleiben dabei - oft - auf der Strecke.

Aber die Schuld allein bei anderen zu suchen, greift zu kurz: Wir vergiften uns selbst und tragen auch dazu bei, andere Menschen zu vergiften. Auch die vielen Bücher über Spiritualität, Buddhismus und Erwachen tragen mit bei zum Resourcen-Verbrauch auf diesem Planeten, und die Abgase eines Flugzeugs sind nicht weniger schädlich, weil es den Dalai Lama - oder den Papst - von A nach B befördert, der Schadstoff-Austoß unseres PKW ist nicht geringer, weil wir zu einem Meditationsseminar fahren.

Wir profitieren von einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung, die in Form der Festung Europa zementiert und andernorts mit Waffengewalt verteidigt wird. - Dass davon andere noch stärker profitieren als die Leserinnen und Leser von Siddharta, macht die Sache nicht besser.

Dass seit dem Niedergang des real-existierenden Sozialismus dieses Thema fast nur noch dann die Öffentlichkeit erreicht, wenn sich anlässlich eines sogenannten "Welt" - Wirtschaftsgipfels gewaltbereite Demonstrantinnen und Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei liefern, zeigt, wie wenig wir uns darum kümmern, dass wir auch über die Schattenseiten unserer Lebensweise informiert werden.

Angesichts dieser offensichtlichen Auswirkungen von Gier, Hass und Verblendung darf man aber nicht die Geisteshaltung aus dem Blick verlieren, die deren Ursache ist. Und das ist der Bereich, in dem eine spirituelle Praxis wirksam werden kann: Wenn wir achtsam auf das sind, was in unserem Geist auftaucht, können wir Gier, Hass und Verblendung erkennen, brauchen nicht mehr blind unseren Impulsen zu folgen, sind in der Lage, bewusste Entscheidungen zu treffen. Achtsamkeit kann dazu führen, dass wir die Auswirkungen unseres Handelns (oder Nicht-Handelns) in einem weiteren Kontext sehen, uns unserer Verantwortung für alles, was geschieht, bewusst werden und unser Handeln von dieser Verantwortung leiten lassen.

Mit diesem geänderten Bewusstsein können wir dann Gier in Großzügigkeit, Ablehnung in Anteilnahme, Verblendung in Weisheit wandeln. Dieser Wandlungsprozess ist politisch, weil er zum einen deutlich macht, dass es möglich ist, Werte zu leben, die den gegenwärtig herrschenden Werten diametral entgegengesetzt sind, zum anderen, weil er zeigt, dass es möglich ist, Werten einen tieferen Sinn zu geben: Freiheit können wir nicht verwirklichen, indem wir uns bemühen, immer mehr zu besitzen und unsere Gier zu befriedigen, sondern nur, indem wir uns selbst beschränken. Friede resultiert nicht aus militärischer Macht, sondern aus einem Geist von Großzügigkeit, Gerechtigkeit, Offenheit und Toleranz. Weisheit besteht nicht darin, möglichst viel zu wissen, sondern darin, im Bewusstsein der wechselseitigen Abhängigkeiten angemessen zu handeln.

Um dauerhaft großzügig, anteilnehmend und weise handeln zu können, ist es wichtig, immer wieder zur Betrachtung des eigenen Geistes zurückzukehren. Denn die leidschaffenden Täuschungen sind zahllos. In der Meditation können wir sie wahrnehmen und vorüberziehen lassen. Mit dem in der Meditation gereinigten Geist können wir das tun, was uns die drei reinen Gebote empfehlen:

Tue nichtsUnheilsames.
Tue das Heilsame.
Tue das Heilsame für andere.

Eine Gesellschaft, in der die einzelnen UND die Gesellschaft als Ganze sich bemühen, auf dieser Basis zu handeln, kann dazu beitragen, dass wir und unsere Miltwelt nicht mehr von Hass, Gier und Verblendung geprägt werden und unser Planet wieder etwas lebens- und liebenswerter wird.

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