Wenn man wissen will, in wie weit sich Buddhisten
- und Buddhistinnen - in Deutschland mit sozialen, ökonomischen
und politischen Fragestellungen befasst haben, muss man in die
Archive buddhistischer Gemeinschaften gehen. Die Buddhistische
Gesellschaft Hamburg verfügt über ein umfangreiches
Archiv von Mitteilungsblättern und Zeitschriften buddhistischer
Gemeinschaften. Die folgenden Ausführungen beziehen sich
auf das, was ich dort gefunden habe. Da ich mich bei meiner Recherche
vorwiegend daran orientiert habe, ob ich einen Bezug der Artikel-Überschriften
zum Thema dieses Kongress feststellen konnte, mag ich einiges
übersehen haben.
Karl Seidenstücker: Pazifist und Vegetarier
Karl Seidenstücker schafft mit dem Buddhistischen
Missionsverein für Deutschland eine - allerdings sehr
kurzlebige - erste organisatorische Plattform für einen traditionsübergreifenden
Buddhismus:
Der Verein macht für keine spezielle
Richtung, Kirche oder Schule innerhalb des Buddhismus Propaganda;
er repräsentiert den Buddhismus im allgemeinen, nicht aber
einen einzelnen Aspekt desselben; er beobachtet absolute Neutralität
hinsichtlich der von den verschiedenen Schulen vertretenen Lehrmeinungen.
(1)
Aber Seidenstücker beschränkt sich
nicht darauf, einen Verein zu gründen. Er sieht im Buddhismus
nicht mehr ein philosophisches System der Weltverneinung, sondern
eine zukunftsweisende Lebenslehre, die er zu verbreiten sucht.
In einer Auseinandersetzung mit Äußerungen über
den Buddhismus auf einem Evangelisch sozialen Kongress
in Hannover 1905 stellt er den Buddhismus dem Christentum gegenüber:
In sozialer Hinsicht steht das buddhistische
Bhikkhutum keineswegs tiefer als das asketische Christentum;
im Gegenteil, jedem Bhikkhu steht es ohne weiteres jeden Augenblick
frei, in das Weltleben zurückzukehren; überdies hat
der Bhikkhu den Laien gegenüber die Pflicht der Unterweisung
in der Lehre, muss sich also immerhin dadurch sozial betätigen,
dass er zur Verbreitung der humanitären buddhistischen
Sittenlehre beiträgt.
…
Der Buddhismus geht in seinem Metta weiter als das Christentum
in seiner Liebe, weil er das Metta 1. in Glaubenssachen als
Toleranz nachdrücklichst proklamiert, und 2. dasselbe auf
die gesamte empfindende Welt, auf Mensch und Tier, ausgedehnt
wissen will. (2)
Dass sich Metta, das Mitgefühl, auf
die gesamte empfindende Welt, auf Mensch UND Tier bezieht,
ist für Seidenstücker ein wichtiger handlungsleitender
Aspekt:
1903 veröffentlicht er unter dem Pseudonym
Bruno Freydank unter dem Titel Die Greuel der christlichen
Zivilisation die fiktiven Briefe eines buddhistischen
Lama aus Tibet, in denen er u.a. gegen Viehschlächterei
und Vivisektion - heute würden wir Tierversuche sagen - Stellung
bezieht. Er selbst lebt als Vegetarier und hält im Reform-Speisehaus
in Leipzig Vorträge über Buddhismus.
1906 druckt Seidenstücker in Der Buddhist
einen Artikel des Engländers H. Fielding Hall ab,
der am Annexions-Krieg der Jahre 1885 - 1889 in Burma teilgenommen
hat. Dieser schreibt:
Was der Soldat braucht, ist ein persönlicher
Gott, der ihm stets zur Seite steht, der immer seine Meinung
teilt, welcher ihn stets gegen jeden und jedermann unterstützt.
Ein Gesetz jedoch, das unabänderlich festsetzt, dass Recht
stets Recht und Unrecht stets Unrecht ist, dass nicht eines
in das andere umgeändert werden kann, welches das Töten
nicht zu etwas Gerechtfertigtem und die Gewalt nicht zu etwas
Ehrenhaftem gestalten kann, - das ist kein Glaube für einen
Krieger. Und der Buddhismus hat das nie getan. … Der Buddhismus
ist das unveränderliche Gesetz der Gerechtigkeit und kann
sich nicht mit dem Übel verbünden, er kann niemals
überredet werden, das Übel unter irgendwelchen Umständen
als gut zu betrachten. (3)
Wolfgang Bohn: Staatserhaltender, arischer
Buddhismus
Ein anderer der frühen deutschen Buddhisten
war Wolfgang Bohn, der auch unter dem Pseudonym Vasettho schrieb.
Bohn schreibt 1910:
Drei grosse Reformgedanken für unsere
Zeit umfasst die buddhistische Ethik:
Den Gedanken der Alkoholenthaltsamkeit, so nötig in unserer
trunkenen Welt,
den Gedanken der Duldsamkeit und Güte, den wir auf allen
Gebieten - religiösen, politischen und sozialen so sehr
brauchen,
den Gedanken der Einheit allen Lebens, die ethische Konsequenz
des Darwinismus, wenn ich so sagen darf, mit ihren Folgerungen:
Tierschutz, Tierliebe, Hilfe für die Tiere. (4)
Im gleichen Jahr veröffentlicht Bohn in
der Buddhistischen Welt den Artikel Buddha und die
soziale Frage. Er schreibt:
Die Stellung Buddhas zur Frage der Kasten
seiner Zeit ist gleichbedeutend mit der Stellung Buddhas zur
Rassenfrage, ja zur sozialen Frage überhaupt. Die Kastenordnung
war ursprünglisch eine Schutzwehr, hinter der das kleine
aus dem Norden gekommene, weisse arische Volk sich gegen das
Eindringen des schwarzen dravidischen Blutes verteidigte. Es
gibt Forscher, welche den Buddha als eine Art sansculotten seiner
Zeit hinstellen und ihn, je nach dem eigenen Standpunkt, beschuldigen
oder preisen, als habe er die Grenzen der Kasten ausgetilgt
und die heilsame Rassenhygiene der Arier zunichte gemacht.
…
Oldenburg bestreitet der Wahrheit zuliebe ganz entschieden,
dass Buddha so etwas wie ein sozialer Reformator gewesen sei,
der die Kastenfesseln gesprengt habe. Buddha lag jeder Gedanke
an eine Reform des Staates und der Gesellschaft durchaus fern.
… Für ihn war die Stellung im gesellschaftlichen
Leben bestimmt durch die Schuld oder das Verdienst früherer
Leben.
…
Buddha predigte, dass man kein lebendes und fühlendes Wesen
verletzen sollte. Der Zug von Güte war es, dem die Bedrückten
nachgingen. Die Härten, die er für unmenschlich und
willkürlich hielt, wollte er ausgeschaltet wissen. Aber
nie und nirgends finden wir den semitisch-demokratischen Satz
"jedem das gleiche". Vielmehr lehrte der Buddha sehr
bestimmt: "jedem das Seine".
"Jedem das Seine" ist übrigens
der Satz, den von 1936 bis 1945 die Insassen des KZ Weimar-Buchenwald
lesen mussten, wenn sie aus dem Lager zu den - oft tödlichen
- Arbeitseinsätzen in der Waffenfabrik Gustloff-Werke
oder in den Steinbruch ausrückten.
Der Buddhismus hat sich … überall,
wo er hinkam. durchaus als staatserhaltend bewährt, als
konservativ im besten arischen Sinne des Wortes.
…
Gerechtigkeit: d.h. jedem das seine, ist arische und auch buddhistische
Auffassung: Gerechtigkeit, d.h. jedem das gleiche ist revolutionäre
Auffassung. Erstere bringt den Frieden und die vernünftige
Entwicklung mit sich, wenn sie getragen ist vom Geiste buddhistischer
Güte und Sanftmut. Die andere Auffassung aber bedeutet
die Revolution, den unablässigen Kampf gegen ein Naturgesetz,
das auch ein Gesetz der geistigen Welt ist: gegen das Gesetz
der Ungleichheit der Individuen, Stände, Völker und
Rassen gemäss dem Karma aus früheren Lebensläufen,
für das jeder die Verantwortung allein trägt. (5)
Felix Kuth: Aus quälender Ungleichheit
zu wohltuender Gleichheit
Aber bereits zu seiner Zeit blieb die Auffassung
von Bohn nicht unwidersprochen: Felix Kuth setzt sich mit Buddhismus
und Sozialismus auseinander und sagt:
Im Ganzen … ist in den Vasettho'schen
Arbeiten wohl ein bemerkenswerter Ansatz zur Erörterung
der sozialpolitischen Bedeutung des Buddhismus gemacht, aber
der Schwerpunkt der ganzen Angelegenheit scheint hier doch noch
nicht mit voller Schärfe hervorgehoben zu sein. Es kommt
hinzu, dass sich Vasettho als ausgesprochener Rassentheoretiker
bekennt, eine Stellungnahme, durch die er sich vielleicht selbst
den Weg zur fruchtbarsten Betrachtung der Dinge etwas versperrt
hat. (6)
Kuth selbst vertritt folgende Ansicht:
In einer Welt, in der kein Ding sich selber
auch nur die Spanne eines Augenblicks hindurch gleicht, in der
mit betäubender und ermüdender Hast eine Erscheinung
die andere ablöst, in der im eigentlichsten Sinne des Wortes
nichts beständig ist als der Wechsel - wie ist da Raum
für irgend welche apriori gegebene Gleichheit? …
Freilich es ist ebenso wenig Raum vorhanden für eine starre
unveränderliche Ungleichheit, wie sie etwa der Brahmanismus
in der Urverschiedenheit der Kasten angenommen hat. …
Weder gibt es eine angeborene absolute Gleichheit, noch eine
angeborene absolute Ungleichheit. Um sozialpolitisch zu sprechen:
vor dem buddhistischen Forum haben weder die reaktionören
Ansichten derjenigen Bestand, die sich noch gern in den Träumen
ererbter Standesvorrechte wiegen, noch die phantastischen Utopien
gewisser Sozialisten, die mit dem Begriff angeborener, naturrechtlicher
Gleichheit ihr leichtfertiges Spiel treiben. Auch hier hat die
Weisheit Buddhas "den mittleren Weg" gefunden.
…
Dem Zustand allgemeiner menschlicher Gleichheit, der als Ideal
dem Sozialismus vorschwebt und wohl auch ein wirkliches Idal
sein mag, einer glücklichen, menschenwürdigen Gleichheit
nähert sich nur derjenige, der mehr oder minder "die
edle Wahrheit von der Aufhebung des Leidens" begriffen
hat.
…
Den Zustand der Gleichheit also wird die Menschheit keinesfalls
erreichen durch gewaltsame, politische Massnahmen, nicht durch
Gesetze und Verordnungen, überhaupt nicht durch Ereignisse
von außen her! In sich selbst muss jeder Einzelne die
Kraft suchen, um sich aus der Unruhe in die Ruhe, aus quälender
Ungleichheit in wohltuende Gleichheit zu retten. (7)
Fast prophetisch wirkt, was Kuth zwei Jahre vor
Beginn des 1. Weltkrieges sagt:
Die moderne Diplomatie hält es mit
Recht für ihr wichtigstes Amt, den Völkerfrieden zu
bewahren; um dieses Ziel aber zu erreichen, umgibt sich jeder
Staat mit einer möglichst starken Waffenrüstung. Man
versucht ferner den Frieden zu schützen durch Bündnisse,
die jede Partei in der Absicht schliesst, sie bei nächster
Gelegenheit zu brechen. Mit der Diplomatie parallel versuchen
einige Friedensgesellschaften durch glänzende Kongresse
und langatmige Reden der Kriegsgefahr entgegenzutreten, und
endlich glaubt der moderne Sozialismus durch internationale
Verbrüderung der Arbeitermassen eine Bürgschaft für
den ewigen Frieden gewinnen zu können. Wie die Erfahrung
zeigt, sind das alles Kartenhäuser, die bei der ersten
chauvinistischen Erregung irgendeiner Nation, bei jedem beliebigen
wirtschaftlichen Gegensatz oder sonst infolge von tausend Zufälligkeiten
zusammenbrechen. Erst wenn die Staaten selbst von friedlich-philosophischem,
religiösen Geist beseelt sein werden, wenn sie es verstehen
lernen, ihre Völker mit dem gleichen Geist zu erfüllen,
wird der Boden geschaffen sein, auf dem - vielleicht! - die
Blüte eines wahren Völkerfriedens gedeihen kann. (8)
Paul Dahlke: Selbstverantwortlichkeit und Mitverantwortlichkeit
Dahlke ist der Auffassung, "daß
wirklicher Buddhismus stets auch angewandter Buddhismus ist, aus
innerer Notwendigkeit heraus es sein muß; daß der
Buddhist zu allen Fragen und Problemen der Zeit Stellung nehmen
muß," und er fügt hinzu, "daß
er dieses nicht tut als Parteigänger, um über sie und
um sie zu streiten, sondern als stiller aber entschlossener Denker."
(9)
Im Frühjahr 1918 schreibt Dahlke:
Kennzeichen und Blüte aller wahren
Kultur ist die Toleranz, die Duldung. Und diese wieder ist die
Fähigkeit, sich in den Standpunkt des Anderen zu versetzen,
wobei dann ein jeder unschwer erkennen wird, daß auch
den Anderen das treibt, was ihn selber treibt: die Selbstsucht.
Kehrt das "Liebet eure Feinde" um in "Lernt eure
Feinde verstehen", und ihr werdet dem Weltfrieden mehr
dienen als mit dem energischsten Pazifismus. (10)
Kurz vor dem Ende des 1. Weltkrieges formuliert
Dahlke in dem Artikel Weltfriede und Buddhismus:
Friede ist nur ein Symptom. Jedes Symptom
ist vieldeutig. Friede kann Ausdruck kriegrischer Gesinnung
sein, wie die Stille des Taifunzentrums Ausdruck der wütenden
Sturmgewalt, Friede muß friedlich sein, soll er Wert haben.
(11)
Soll mehr Beruhigung, Befriedigung, Friedlichkeit
in die Welt einziehen, so muß der Wirklichkeitsgehalt
des inneren Lebens erhöht werden. (…) Notwendigstes
für den künftigen Weltfrieden sind nicht neue Formen,
sondern neues Denken; nicht internationale Verträge, sondern
Wirklichkeitssinn. Der verlangt Belehrung, Wirklichkeitslehre.
(…)
Damit treten wir entschlossen auf den Buddhismus zu,
nicht auf jene exotische Kuriosität, wie er in der Literatur
meist dasteht, (…), sondern auf den Kern, auf jene nüchtern
großartige Wirklichkeitslehre, die aus einem einzigen
unerhörten Gedanken hervorkeimt und aufblüht. (12)
Selbstverantwortlichkeit und Mitverantwortlichkeit
sind das humanitäre Rüstzeug des Buddhisten. Erstere
zwingt ihn, an sich selber zu arbeiten, mit jenem stillen, aber
unablässigen, magnetischen Zwang wie ihn eben nur eine
Selbsterkenntnis ausüben kann. Und letztere zwingt ihn
zu zeigen, geduldig immer wieder zu zeigen, was er selber erkannt
und im Erkennen gewonnen hat: Mitleid mit der Welt ist hier
keine bloße Gefühlsregung, sondern das Bewußtsein
der Mitverantwortlichkeit und des Mit-Leidens. (13)
Aus diesem Bewußtsein heraus äußert
sich Dahlke auch zu ökonomischen Fragen:
Der Regel nach ist der Reiche der größte
Egoist. Niemand hat eine größere Ehrfurcht vor dem
Reichtum als er selber. Zweck des Staates ist für ihn letzten
Grundes der, daß er Nährboden für eine möglichst
ungestörte Kapitalbildung ist. Und die Heiligkeit des Staates
beruht für ihn darauf, daß er der Wächter in
diesem seinem Heiligtum ist und alle geistigen Bestrebungen
so leitet, daß sie das Ansetzen des Kapitals unterstützen
oder zum mindesten doch möglichst wenig stören. (14)
1925 schreibt er:
Die äußere Form des Imperialismus
ist die Besitzergreifung fremder Länder, entweder politisch
als Kolonie oder wirtschaftlich als Interessensphäre und
Rohstoffquelle oder als Absatzgebiet, oder wie man es sonst
nennen mag. Der Imperialismus hat die Erdkugel in ein großes
Netz gegenseitiger Beziehungen verwebt.
…
Das wichtigste Ergebnis des Imperialismus ist (…) die
(…) ständig steigende Verungleichung der Besitzverhältnisse.
(15)
Kurt Fischer: Die wirkliche Lösung der sozialen Frage
Doch wie geht ein Buddhist mit der ungleichen
Einkommensverteilung um? Kurt Fischer, ein Schüler von Dahlke,
schreibt 1933:
Die soziale Frage, das heißt praktisch:
die Frage der Verteilung der materielllen Lebensgüter unter
die Menschen besteht nicht erst seit heute und gestern. Sie
hat immer bestanden.
…
Wenn der Buddhismus, wie er behauptet, Wirklichkeitslehre ist,
so muß er auch eine wirkliche Lösung des sozialen
Problems geben. Und er gibt sie.
…
Das erste und wichtigste ist, daß der Mensch lernt, sich
mit seinem Los abzufinden, daß er nicht nach dem Besitz
und nach Genüssen strebt, die er bei anderen sieht, und
daß er keinesfalls dem anderen den Besitz zu rauben trachtet.
(…)
Auf der anderen Seite verpflichtet aber Besitz. Wer nur danach
trachtet, seinen Besitz zu größern und zu sichern,
statt auch andere, die wenig oder nichts besitzen, daran in
geeigneter Weise teilnehmen zu lassen, der ist ebenso schuldig,
wenn nicht schuldiger als der, welcher ihm sein Besitz zu rauben
trachtet. (16)
Gewiß gibt es viel Elend in der Welt.
Deshalb sagt der Buddha: (…) das Leiden überwiegt.
Eben deshalb zeigt er uns den Weg, der uns herausführt
aus der Welt, aus dem Leben und somit aus dem Leiden, und an
jedem einzelnen allein liegt es, ob er dem Buddha folgen will,
um auf diese Weise das soziale Problem ein für allemal
zu lösen. (17)
Buddhisten und Buddhistinnen während dem Faschismus:
Zu Beginn dieses Jahres 1933 war Adolf Hitler
zum Reichskanzler ernannt worden. Das Verhalten von Buddhisten
und Buddhistinnen während des Faschismus war - und ist noch
immer - ein Tabuthema. Wenn ich es nur kurz streife, dann nicht,
um das Tabu zu wahren, sondern weil eine gründliche Befassung
mit dem Thema den Rahmen dieses Textes sprengen würde.
Max Hoppe, später Mitbegründer DBU,
schrieb im Oktober 1937 in einem Brief:
Mir ist es gewiß, daß der arische
Riesengeist des Buddha in unseren Tagen wieder durch einen Arier
klar erfaßt worden ist. (18)
Adolf Hitler als Buddha des 20. Jahrhunderts?
- Wie interpretationsfähig ist die Buddha-Lehre eigentlich?
Volker Zotz geht als erster Autor ausführlicher
auf das Thema Deutscher Buddhismus und NS-Bewegung ein. Er kommt
zu der Feststellung:
Zöge man eine Trennungslinie zwischen
Nazis, ihren Sympathisanten oder Duldern einerseits und Menschen
im aktiven Widerstand oder innerer Verweigerung anderseits,
scheint die Mehrzahl deutscher Buddhisten zur ersten Gruppe
gehört zu haben. (19)
Ich habe leider keinen Anhaltspunkt dafür
gefunden, dass die Bewertung, die Zotz vornimmt, falsch ist. Er
schreibt aber "die Mehrzahl" und macht damit deutlich,
dass es auch Buddhistinnen und Buddhisten gab, die keine Sympathie
für die Nazis aufbrachten. Leider erwähnt Zotz diese
nicht. Deshalb sei hier an zwei Personen erinnert, die sich dem
Faschismus verweigerten:
Hedwig Boll kam 1935 mit dem Buddhismus in Berührung,
trat 1936 aus dem NS-Lehrerbund, dem sie seit 1933 angehört
hatte, aus und ließ sich ohne Gehalt beurlauben. Als 1939
ihre Beurlaubung nicht verlängert wurde, verweigerte sie
die Rückkehr in den Schuldienst aus Gewissensgründen.
Sie wurde von der Gestapo verhört und drei Wochen im Polizeipräsidium
Berlin inhaftiert. (20)
Rudolf Petri floh im März 1944 als Leutnant
zur See mit seinem Schiff nach Schweden, wo er interniert wurde.
Er wurde in Deutschland in Abwesenheit zum Tode verurteilt, die
Staatsangehörigkeit wurde ihm aberkannt. Nach Kriegsende
blieb er (zunächst) in Schweden. (21)
Nicht vergessen werden sollen auch die Buddhistinnen
und Buddhisten, die vor ihrem Bekenntnis zum Buddhismus Juden
waren. Viele von ihnen vielen dem Faschismus zum Opfer.
---
(1) Die buddhistische Welt. -- 1 (1905), No 1 u. 2. -- S. 8-9
(2) Karl Seidenstücker: Soziale Kräfte im Buddhismus
und Christentum, in: Der Buddhist, No. 5, 1905/06, S. 149 - 159
(3) H. Fielding Hall: Eines Volkes Seele, in: Der Buddhist, No.
53 1906, S. 347ff, Zitat S. 353f
(4) Vasettho: Der Buddhismus als Reformgedanke für unsere
Zeit, in: Die Buddhistische Welt, III. Jahrg. 1910, S. 86-88,
Zitat S. 87
(5) Vasettho: Buddha und die soziale Frage, in: Die Buddhistische
Welt, IV. Jhrg. Nr. 1, 1910, S. 9-13
(6) Dr. Felix Kuth: Buddhismus und Sozialismus, in: Die Buddhistische
Welt, IV. Jhrg. Nr. 5/6, 1910, S. 104 - 113, Zitat S. 107
(7) Dr. Felix Kuth: Buddhismus und Sozialismus, in: Die Buddhistische
Welt, IV. Jhrg. Nr. 7/8, 1910, S. 130 - 140, Zitat S. 138f
(8) Dr. Felix Kuth: Staat und Religion, in: Die Buddhistische
Welt, VI. Jhrg. Nr. 1/2, 1912/1913, S. 24-39, Zitat S. 36f
(9) Paul Dahlke: Angewandter Buddhismus, in: Neu-buddhistische
Zeitschrift, Winter 1918, S. 3-13, Zitat S. 11
(10) Paul Dahlke: Einiges über Zeitungen und Zeitungslesen,
in: Neu-buddhistische Zeitschrift, Frühjahr 1918, S. 38-42,
Zitat S. 42
(11) Paul Dahlke: Weltfriede und Buddhismus , in: Neu-buddhistische
Zeitschrift, Winter 1918, S. 14-53, Zitat S. 14
(12) a.a.O., S. 28f
(13) a.a.O., S. 42
(14) Paul Dahlke: Gedanken und Meinungen über zeitgemäße
Themen, in: Neu-buddhistische Zeitschrift, Sommer 1918, S. 50-59,
Zitat S. 52
(15) Paul Dahlke: Der Staat und wir, in: Brockensammlung 1925,
S. 15-27, Zitat S. 19
(16) Kurt Fischer: zur sozialen Frage, in: Buddhistisches Leben
und Denken, 1/1933, S. 7-12, Zitate S. 9f
(17) a.a.O, S. 12
(18) Hellmuth Hecker: Lebensbilder deutscher Buddhisten, Bd II,
2., vollständig neubearbeitete Auflage, Konstanz, 1997, S.
113
(19) Zotz, a.a.O., S.210
(20) Hellmuth Hecker: a.a.O., S. 322
(21) Hecker, a.a.O., S. 242
---
Ein ausführlicher Vortrag zu diesem Thema
findet sich hier.
|