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Das ganze Universum ist ein Kloster

 

„Ein Kloster ist der Weg der Vögel und ein Kloster ist das ganze Universum.“
Eihei Dogen Zenji (Shobogenzo Gyoji)


Das ganze Universum ist ein Kloster: kein Ort und keine Zeit, an dem und zu der nicht der Weg praktiziert werden kann. Aber wir neigen dazu, uns Zeit und Ort auszusuchen: Wir praktizieren montags oder mittwochs (oder an einem anderen Tag) in einem Dojo, einem ‚Ort des Weges’.

Praxistage auf der Straße sind eine Form buddhistischer Praxis, die von dem amerikanischen Zen-Meister Bernie Glassman entwickelt wurde. Sie machen die Straße zum Ort des Weges. Wir sitzen auf der Straße, wir essen und trinken auf der Straße, wir schlafen auf der Straße. Praxistage auf der Straße konfrontieren uns damit, nichts zu haben. Um alles, was wir brauchen, müssen wir bitten, alles, was wir brauchen, müssen wir suchen. Und wir können wenig vorausplanen: Eine kalte Nacht kann uns am Schlafen hindern und wir müssen tagsüber schlafen. Ein Gewitter kann unseren Schlafplatz unter Wasser setzen und uns zwingen, einen neuen zu suchen.

Während der Praxistage auf der Straße schützen uns keine Klostermauern: Wir praktizieren im Schmutz und Lärm der Stadt. Die Stadt nimmt uns in sich auf und wir nehmen die Stadt in uns auf. Wir sind Teil ihres Pulses und sie ist Teil unseres Pulses. Wir sind Augenblick für Augenblick: Haben wir Hunger, bitten wir um etwas zu essen. Haben wir Durst, bitten wir um etwas zu trinken. Wollen wir schlafen, suchen wir uns einen Platz zum Schlafen. Nicht mehr. Nicht weniger.

Die Praxistage auf der Straße konfrontieren uns mit unserer Angst, ein Nichts zu sein: Wir haben nichts von dem, über das wir uns üblicherweise definieren: keine Arbeit, keine Wohnung, kein Auto, … Wir haben nichts zu tun. Langweile stellt sich ein und unser Ich in Frage. Wir sind nutzlos. Sinnlos?

Während der Praxistage auf der Straße lernen wir, die kleinen Dinge des Lebens zu schätzen: den heißen Tee, den einem die Bäckerei-Verkäuferin am frühen Morgen schenkt, die Schale weißen Reis, die man am Thai-Imbiss abends umsonst bekommt, eine Parkbank mit einer bequemen Lehne. Nicht mehr. Nicht weniger.

(Vom 24.-28. Juni 2009 fanden Praxistage auf der Straße in Saarbrücken statt. Der Text ist dort entstanden.)

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