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Buddhismus und Faschismus -
Ein wenig bearbeites Kapitel der Geschichte des Buddhismus in Deutschland

 

Wie in vielen gesellschaftlichen Bereichen hat in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg auch im Buddhismus eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Faschismus nicht stattgefunden. Während diese dann jedoch in vielen Bereichen in den 70er Jahren begann, fehlen bis heute gründliche wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Buddhismus und Faschismus. Drei Komplexe bedürfen m.E. näherer Untersuchung:
• die Verbreitung rassistischen und faschistischen Gedankengutes durch Buddhisten,
• buddhistischer Widerstand gegen den Faschismus,
• das Schicksal von Buddhistinnen und Buddhisten jüdischer Abstammung.

Interessant wäre es z.B., sich mit dem 1871 in Breslau geborenen Wolfgang Bohn zu beschäftigen. Er veröffentlichte 1910 in der Buddhistischen Welt unter dem Pseudonym Vasettho einen Artikel zu dem Thema Buddha und die soziale Frage. Darin schreibt er:

Die Stellung Buddhas zur Frage der Kasten seiner Zeit ist gleichbedeutend mit der Stellung Buddhas zur Rassenfrage, ja zur sozialen Frage überhaupt. Die Kastenordnung war ursprünglisch eine Schutzwehr, hinter der das kleine aus dem Norden gekommene, weisse arische Volk sich gegen das Eindringen des schwarzen dravidischen Blutes verteidigte. Es gibt Forscher, welche den Buddha als eine Art sansculotten seiner Zeit hinstellen und ihn, je nach dem eigenen Standpunkt, beschuldigen oder preisen, als habe er die Grenzen der Kasten ausgetilgt und die heilsame Rassenhygiene der Arier zunichte gemacht.

Oldenburg bestreitet der Wahrheit zuliebe ganz entschieden, dass Buddha so etwas wie ein sozialer Reformator gewesen sei, der die Kastenfesseln gesprengt habe. Buddha lag jeder Gedanke an eine Reform des Staates und der Gesellschaft durchaus fern. … Für ihn war die Stellung im gesellschaftlichen Leben bestimmt durch die Schuld oder das Verdienst früherer Leben.

Buddha predigte, dass man kein lebendes und fühlendes Wesen verletzen sollte. Der Zug von Güte war es, dem die Bedrückten nachgingen. Die Härten, die er für unmenschlich und willkürlich hielt, wollte er ausgeschaltet wissen. Aber nie und nirgends finden wir den semitisch-demokratischen Satz "jedem das gleiche". Vielmehr lehrte der Buddha sehr bestimmt: "jedem das Seine".

"Jedem das Seine" ist der Satz, den von 1936 bis 1945 die Insassen des KZ Weimar-Buchenwald lesen mussten, wenn sie aus dem Lager zu den - oft tödlichen - Arbeitseinsätzen in der Waffenfabrik Gustloff-Werke oder in den Steinbruch ausrückten. Vasettho fährt fort:

Die Lehre Buddhas entbehrt also durchaus nicht jenes Gefühles für eine ständische Gliederung der Gesellschaft, welche die Grundlage jeglichen arischen Staates bildet.

Der Buddhismus hat sich … überall, wo er hinkam. durchaus als staatserhaltend bewährt, als konservativ im besten arischen Sinne des Wortes.

Gerechtigkeit: d.h. jedem das seine, ist arische und auch buddhistische Auffassung: Gerechtigkeit, d.h. jedem das gleiche ist revolutionäre Auffassung. Erstere bringt den Frieden und die vernünftige Entwicklung mit sich, wenn sie getragen ist vom Geiste buddhistischer Güte und Sanftmut. Die andere Auffassung aber bedeutet die Revolution, den unablässigen Kampf gegen ein Naturgesetz, das auch ein Gesetz der geistigen Welt ist: gegen das Gesetz der Ungleichheit der Individuen, Stände, Völker und Rassen gemäss dem Karma aus früheren Lebensläufen, für das jeder die Verantwortung allein trägt.
(1)


Die Auffassung von Bohn blieb nicht unwidersprochen: Felix Kuth (1867-1925) schreibt:

Im Ganzen … ist in den Vasettho'schen Arbeiten wohl ein bemerkenswerter Ansatz zur Erörterung der sozialpolitischen Bedeutung des Buddhismus gemacht, aber der Schwerpunkt der ganzen Angelegenheit scheint hier doch noch nicht mit voller Schärfe hervorgehoben zu sein. Es kommt hinzu, dass sich Vasettho als ausgesprochener Rassentheoretiker bekennt, eine Stellungnahme, durch die er sich vielleicht selbst den Weg zur fruchtbarsten Betrachtung der Dinge etwas versperrt hat. (2)

Die Tatsache, dass mit Bohn ein "ausgesprochener Rassentheoretiker" in der Buddhistischen Welt veröffentlichen konnte, wirft die Frage auf, ob buddhistisches Gedankengut, ob Buddhisten gewollt oder ungewollt dazu beigetragen haben, faschistische Auffassungen vorzubereiten und zu verbreiten. Dass Bohn kein Einzelfall war, wird deutlich, wenn man liest, was Max Hoppe, später Mitbegründer DBU, 1937 in einem Brief schrieb:

Mir ist es gewiß, daß der arische Riesengeist des Buddha in unseren Tagen wieder durch einen Arier klar erfaßt worden ist. (3)

Interessant wäre es auch, sich näher mit der Einstellung des ersten deutschen buddhistischen Mönchs, mit dem vor 100 Jahren ordinierten Nyanatiloka zu befassen. Da er vom deutschen Konsulat in Colombo gerügt worden war, daß er deutsche Juden in den Orden aufnehme, verzichtete er darauf, seinen Schüler Nyanaponika zum Bhikkhu zu ordinieren. Die Ordination wurde von einheimischen Mönchen vorgenommen. (4)

Während des 2. Weltkrieges wurden von den Briten auch deutsche Buddhisten als feindliche Ausländer in Indinien interniert.

Das Barackenlager war eine kleine Stadt für sich. Von einem doppelten Stacheldrahtzaun nach außen umgeben, bestanden innerhalb dieses Areals acht 'Wings' (Flügel), jeder wieder von doppeltem Stacheldrahtzaun eingeschlossen. … Vier von ihnen waren für Deutsche bestimmt. Zuerst kamen die Internierten aus Ceylon in den Nationalisten-Wing für Indien-Deutsche. Dann aber trennten sie sich. Nyanatiloka und sein ältester Schüler Vappo blieben dort, die anderen Mönche wählten den Antifaschisten-Wing, darunter auch Nyanaponika. (5)

Erforscht werden müsste auch die Haltung von Buddhistinnen und Buddhisten, die klar Position gegen den Faschismus bezogen, denn auch diese gab es. Nur zwei Beispiele:

Hedwig Boll (1904-1988) kam 1935 mit dem Buddhismus in Berührung, trat 1936 aus dem NS-Lehrerbund, dem sie seit 1933 angehört hatte, aus und ließ sich ohne Gehalt beurlauben. Als 1939 ihre Beurlaubung nicht verlängert wurde, verweigerte sie die Rückkehr in den Schuldienst aus Gewissensgründen. Sie wurde von der Gestapo verhört und drei Wochen im Polizeipräsidium Berlin inhaftiert. (6)

Rudolf Petri (1915-1980) floh im März 1944 als Leutnant zur See mit seinem Schiff nach Schweden, wo er interniert wurde. Er wurde in Deutschland in Abwesenheit zum Tode verurteilt, die Staatsangehörigkeit wurde ihm aberkannt. Nach Kriegsende blieb er (zunächst) in Schweden.

Nicht vergessen werden sollte aber auch die Befassung mit Buddhistinnen und Buddhisten, die vor ihrem Bekenntnis zum Buddhismus Juden waren. Viele von ihnen fielen dem Faschismus zum Opfer, so z.B. Walter Tausk (1890-1941), dessen Breslauer Tagebuch (7) ein eindrucksvolles Dokument des Leidensweges eines Buddhisten jüdischer Herkunft ist.

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(1) Vasettho: Buddha und die soziale Frage, in: Die Buddhistische Welt, IV. Jhrg. Nr. 1, 1910, S. 9-13
(2) Dr. Felix Kuth: Buddhismus und Sozialismus, in: Die Buddhistische Welt, IV. Jhrg. Nr. 5/6, 1910, S. 104 - 113, Zitat S. 107
(3) Hellmuth Hecker: Lebensbilder deutscher Buddhisten, Bd II, 2., vollständig neubearbeitete Auflage, Konstanz, 1997, S. 113
(4) Hecker, a.a.O., S. 62
(5) Hecker, a.a.O., S. 64

(6) Hellmuth Hecker, a.a.O, S. 322
(7) Hecker, a.a.O., S. 242
(8) Tausk, Walter: Breslauer Tagebuch, Berlin, Siedler, 1988

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