Buddha
Buddha ging es nicht darum, einen
Glauben zu stiften, sondern darum, die Frage nach dem zu beantworten,
was im Pali dukkha genannt wird. Dukkha wird oft mit 'Leid' übersetzt,
eine Übersetzung die korrekt ist, der viel umfassenderen
Bedeutung des Begriffs aber nicht gerecht wird: Vieles in unserem
Leben empfinden wir als nicht-zufriedenstellend, unbefriedigend,
fustrierend. Wir altern, werden krank, sterben eines Tages. Wir
sind in Situationen, die uns nicht gefallen, und mit Personen
zusammen, die wir nicht mögen. Andererseits sind wir von
Personen getrennt, die wir mögen, und Situationen, die uns
gefallen, stellen sich nicht dann ein, wenn wir das gene hätten.
- All das ist dukkha. Wir leiden an der Unbeständigkeit,
daran, dass alles in ständigem Wandel begriffen ist, und
bemühen uns, eine stabile Situation herzustellen, Unsicherheiten
auszuschließen. Wir streben nach dem, was wir als angenehm
empfinden, und versuchen das zu vermeiden, was wir als unangenehm
empfinden.
Diese beiden Tendenzen bestimmen
unser Handeln. Aber sie bauen auf einer grundlegenden Täuschung
auf: Für unser Überleben ist es notwendig, dass wir
ein Ich entwickeln, dass wir uns von anderen unterscheiden können,
dass wir Subjekt und Objekt trennen. Diese notwendige Trennung
verabsolutieren wir und glauben, als getrennte Individuen zu existieren.
Aber unser Ich hat keine feste Substanz: Unser Körper verändert
sich ständig, ist jetzt nicht mehr der Körper, der er
vor 10 Jahren, vor 10 Monaten, vor 10 Tagen oder vor 10 Minuten
war. Und auch unser Geist ändert sich ständig. Wir klammern
uns an unsere Vorstellung vom Ich wie an einen Balken, der uns
Halt geben soll, und sehen nicht, dass der Balken im Wasser treibt.
- Zugleich gibt uns dieser Balken selbstverständlich Halt
- das Ich-Bewusstsein ist notwendig -, aber es ist ein Halt in
einem sich ständig wandelnden Geflecht von Beziehungen. Wir
existieren nur in der Wechselbeziehung zu allem anderen, was existiert.
Wir sind zugleich getrennt und ungetrennt.
Solange wir uns nur als getrennt
wahrnehmen, entwickeln wir Egoismus in Form von Gier und Hass,
sowohl auf individueller, wie auch auf gesellschaftlicher Ebene.
Auf individueller Ebene äußert sich Gier z.B. in ungebremstem
Besitzstreben, Hass im Kampf um Positionen. Auf gesellschaftlicher
Ebene beruht unser Wirtschaftssystem auf Gier, die Politik gegenüber
Menschen mit anderer ethnischer Herkunft oft auf Hass. Sind wir
uns unserer Ungetrenntheit bewusst, entwickeln wir Großzügigkeit,
Mitgefühl und Anteilnahme.
Bodhidharma
Bodhidharma wird als der Gründer
der Zen-Richtung des Buddhismus im 7. Jhdt. unserer Zeitrechnung
in China angesehen. Ob es ihn wirklich gegeben hat, ist umstritten,
aber nicht wirklich wichtig. Wichtig sind die Vorstellungen, die
mit Bodhidharma verknüpft sind und den Zen-Buddhismus geprägt
haben.
Der Kaiser Wu aus Liang hatte
viele Klöster gebaut, viele buddhistische Texte übersetzen
lassen und viele Mönche unterstützt. Als Bodhidharma
aus Indien nach China kam und der Kaiser von diesem neuen Meister
hörte, lud er ihn zu sich an den Hof ein.
Er fragte Bodhidharma: "Was ist die heilige Wahrheit des
Buddhismus?"
Bodhidharma antwortete: "Offene Weite. Nichts Heiliges."
Den Kaiser überraschte diese Antwort und er fragte: "Wer
ist das mir gegenüber?"
Bodhidharma antwortete: "Nicht-Wissen."
Der Kaiser konnte mit der Antwort nichts anfangen und Bodhidharma
verließ seinen Hof.
Im Zen ralisieren wir diese offene
Weite: Wenn wir Zazen praktizieren, lassen wir alle Gedanken vorüberziehen,
völlig unabhängig von ihrem Inhalt. Weder bemühen
wir uns, Unangenehmes loszuwerden, noch Angenehmes festzuhalten.
Indem wir nicht nach-denken, sondern alles, was auftaucht, vorüberziehen
lassen, wird der Geist ruhig, offen und weit. Alle Unterscheidungen
und Trennungen, Subjekt und Objekt und auch das Ich-Bewusstsein
verschwinden. Zugleich können wir die Unbeständigkeit
all unserer gedanklichen Konstrukte wahrnehmen. - Das ist natürlich
kein Zustand von Dauer: Schon bald setzen wieder Denk-Prozesse
ein. Sobald wir sie wahrnehmen, lenken wir unsere Aufmerksamkeit
auf die Körperhaltung oder die Atmung. Wir wechseln also
ständig vom Denken zum Nicht-Denken und vom Nicht-Denken
zum Denken. Es gibt nichts Heiliges, an dem wir festhalten.
Wenn wir einfach nur sitzen,
verwirklicht sich der Bereich des Nicht-Wissens. Dieses Nicht-Wissen
ist unsere wirkliche Heimat, unser wirkliches Zuhause: Wissen
bezieht sich immer auf die Vergangenheit, aber wir leben immer
nur im gegenwärtigen Augenblick, im Jetzt. Das heißt
nicht, dass Wissen schlecht ist. Es ist gut, viele Kenntnisse
und viel Wissen zu haben. Aber sie verstellen uns oft den Blick
für die jetzige Situation und für die Menschen, wie
sie jetzt sind. Aus dem Nicht-Wissen heraus entsteht Kreativität
und Spontanität. Um einer Situation gerecht zu werden, brauchen
wir beides, Nicht-Wissen und Wissen. Der Zen-Meister Bernie Glassman
verwendet gerne das Beispiel eines Handwerkers: Ein guter Handwerker
, der zu einer Reparatur gerufen wird, sucht zunächst mit
völlig offenem Geist - Nicht-Wissen - nach dem Fehler. Erst
wenn er ihn gefunden hat, nimmt er das Werkzeug aus seiner Tasche
- Wissen - und repariert den Fehler.
Der Clown
Der Clown weiß, dass er
vom Publikum zugleich getrennt und ungetrennt ist: ER ist der
Clown, aber er spielt sein Spiel in der Wechselbeziehung mit dem
Publikum. Sein offener Geist akzeptiert die Unbeständigkeit:
Was gestern einem Publikum an einem Ort gefallen hat, gefällt
nicht unbedingt einem anderen Publikum an einem anderen Ort. Nimmt
er wahr, dass sein Spiel beim Publikum Resonanz findet, spielt
er die Spielidee weiter aus. Nimmt er wahr, dass sein Spiel beim
Publikum keine Resonanz findet, lässt er seine Spielidee
fallen und spielt ein neues Spiel. Er ist nicht auf EIN Spiel
festgelegt. Der Clown hat einen offen Geist und handelt aus dem
Nicht-Wissen heraus. Sein Nicht-Wissen ist gepaart mit dem Wissen
um seine spielerischen Werkzeuge und mit seiner Beherrschung dieser
Werkzeuge.
Der Clown weiß um die Grundsituation
des Menschen, weiß um dukkha und das durch das Festhalten
an einer Ich-Vorstellung ausgelöste Leid. Als Mensch teilt
er die Grundsituation, als Clown ist er in der Lage, diese Situation
mit einer Distanz zu spielen und zu spiegeln, die es dem Publikum
ermöglicht, sich in dem Gespielten wiederzuerkennen und zu
lachen, ohne sich lächerlich gemacht zu fühlen. Grundlage
des Spiels des Clowns ist seine Liebe für die Menschen, die
Gier und Hass überwindet. Aus dieser Liebe heraus ist er
ein Gebender: Der Clown gibt sein Spiel. Gelingt es ihm, mit dem
Publikum verbunden zu sein, löst die Liebe des Clowns beim
Publikum Freude und Leichtigkeit aus.
Diese Freude und Leichtigkeit
sind zugleich der Dank des Publikums für das Spiel des Clowns.
Sie ermutigt ihn, wieder und tiefer in das Nicht-Wissen einzutauchen
- und mit einem neuen Spiel wieder aus ihm aufzutauchen.
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