BuddhaWeg-Sangha

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Teilhaben

 

Teilhaben ist ein essentieller Bestandteil der Übung. Wir legen auf den Straßen der Bowery in New York City Zeugnis ab. Wir ermutigen unsere Mitglieder dazu, nicht nur in Hospizen, sondern auch in Leichenhallen zu arbeiten, damit sie wissen, wie wir alle nach unserem Tode aussehen, wenn wir auf die Beerdigung oder Feuerbestattung vorbereitet werden. Als mir ein Mann berichtete, er wolle in einem Altersheim als Berater arbeiten, empfahl ich ihm, er solle sich doch einmal in solch einem Heim als Bewohner anmelden, wenn er wirklich teilhaben wolle.

Dies ist ein wichtiger Unterschied. Viele Friedensstifter haben sehr viel Erfahrung im Bereich sozialer Arbeit. Aber das bedeutet nicht, dass sie teilgehabt haben. Sie haben oft keine Vorstellung davon, wie es ist, wenn auf physische Bedürfnisse nicht hinreichend Rücksicht genommen wird oder sogar gänzlich ignoriert werden oder wenn man als Patient nicht wie ein Mensch behandelt wird. Viele von ihnen haben zwar schon auf der Bowery Essen an Hungernde verteilt, aber sie wissen oft nicht, was ein Mensch empfindet, wenn er auf der Straße von jemand anderem Essen bekommt. Und diejenigen, die in Gefängnissen gearbeitet oder Rehabilitationsheime aufgebaut haben, haben dies in den meisten Fällen nicht als Insasse und Leidtragender eines solchen Systems getan.

Auch das Gegenteil des Teilhabens, das Leugnen, möchte ich an dieser Stelle zur Sprache bringen. Die beste mir bekannte Geschichte über das Leugnen ist die über die Kindheit und Jugend von Buddha Shakyamuni. Als er vor ungefähr zweitausendfünfhundert Jahren in Indien geboren wurde, eröffnete ein berühmter Seher seinem Vater, dem König des Shakya-Stammes, dass sein Sohn entweder ein großer König werden und alle indischen Stämme unter seiner Herrschaft vereinen oder ein großer spiritueller Führer werden würde. In der Hoffnung, aus seinem Sohn einen großen Herrrscher zu machen, sorgte der König dafür, dass das Kind vom Zeitpunkt seiner Geburt an den wunderschönen Palast, in dem es lebte, nie verließ. Es gab darin alles, was das Herz des kleinen Prinzen begehrte, jede vorstellbare Annehmlichkeit und jeden Luxus der damaligen Welt. Nur kranke und alte Menschen gab es in diesem Palast nicht. Und man hinderte den Prinzen daran, das Gelände des Palastes zu verlassen.

Der Prinz wuchs heran, heiratete eine wunderschöne Prinzessin und hatte mit ihr einen Sohn. Doch allmählich wurde der junge Prinz immer unruhiger. Ihn interessierte die Welt außerhalb der Palastmauern. Deshalb überredete er seinen Wagenlenker, ihm zu helfen, nachts heimlich den Palast zu verlassen. In der ersten Nacht, die er außerhalb des Palastes verbrachte, traf er auf einen Kranken, der hilflos auf der Straße lag. Der junge Prinz hatte noch nie einen Menschen in einem solchen Zustand gesehen. Er fragte den Wagenlenker, was dies sei, und dieser antwortete: ”Das ist Krankheit.” Nach seiner Rückkehr in den Palast dachte er lange über das Gesehene nach. Auch in der nächsten Nacht überredete er den Wagenlenker, mit ihm heimlich den Palast zu verlassen. Während dieses Ausflugs sah er auf der Straße einen alten Mann. Auch alte Menschen hatte er noch nie gesehen, und er fragte den Wagenlenker, was dies sei. Dieser antwortete: ”Das ist das Alter.” Nach der Rückkehr in den Palast dachte der Buddha wieder lange über das Gesehene nach. Und auch in der nächsten Nacht verließ er mit seinem Wagenlenker den Palast. Diesmal sahen sie auf der Straße einen Toten liegen, und der Wagenlenker antwortete auf die Frage des Buddha, was dies sei: ”Das ist der Tod.”

Der Prinz kehrte in den Palast zurück und war von all den Dingen, die ihm bisher unbekannt gewesen waren, völlig schockiert. Er hatte in seinem Leben noch nie Bekanntschaft mit Krankheit, Alter und Tod gemacht. Er wurde noch rastloser als zuvor. All die Dinge, die ihm einmal Freude gemacht hatten, erschienen ihm nun ohne jeden Sinn. Plötzlich sah er sein Leben als das, was es tatsächlich war: ein Leben hinter Mauern. Das Gesehene hatte ihn zu Fragen angeregt, die er sich noch nie zuvor gestellt hatte und die er auch nicht beantworten konnte.

Er überredete den Wagenlenker noch ein letztes Mal, ihn aus dem Palast zu bringen. Diesmal traf er auf der Straße einen Bettelmönch. Auf die Frage, was dies sei, antwortete der Wagenlenker, dies sei ein Suchender, jemand, der sich aus der Welt zurückgezogen habe, um den Sinn des Lebens zu erforschen. Danach kehrte der Prinz in den Palast zurück. Nun wusste er endlich, was er tun musste.

Als eines Nachts alle anderen schliefen, verließ er den Palast. Er begab sich in einen nahen Wald und legte dort seine königlichen Gewänder, seinen kostbaren Schmuck und sein Schwert ab. Weil er alle Spuren seiner bisherigen Identität beseitigen wollte, zog er die Lumpen eines Bettlers an.

Dies ist eine Geschichte über das Leugnen. Sie handelt nicht nur vom Vater des Buddha, sondern es geht darin um alle Väter und Mütter, die ihren Kindern den Kontakt zur Not und zum Schmerz zu ersparen versuchen. Werden solche Kinder später als Erwachsene im eigenen Leben und im Leben anderer mit Not und Schmerz konfrontiert, wissen sie nicht, was sie tun sollen. Meist schauen sie einfach weg.

Auch die Gesellschaft versucht zu leugnen, was der Vater des Buddha vor seinem Sohn verbergen wollte. Deshalb bemühen wir uns, die Obdachlosen, Alkoholiker, Armen, Kranken, Sterbenden und Bettler auf den Straßen zu ignorieren. Wie Prinz Siddharta leben auch wir hinter Mauern, die das verbergen, was wir nicht sehen wollen. Wenn wir diese Dinge sehen wollen, müssen wir uns aus dem Bannkreis der Mauern lösen.

Wir üben uns also nicht im Leugnen, sondern in der Erweiterung unserer Perspektive, nicht darin zu lehren, sondern darin zuzuhören. Da diese Übung immer tiefere Dimensionen erreicht, kommt sie nie zum Abschluss. Und alles beginnt und endet mit Nichtwissen. Unser Zeugnisablegen zielt nicht darauf, andere Menschen darüber zu belehren, wie sie sich in ihrem Leben verhalten sollen. Nach langen Jahren des Studiums, des Lehrens und der Arbeit für den Frieden ist mir klar geworden, dass ich verblendet war, dass ich immer verblendet sein werde und dass ich nie einen Ort endgültigen Wissens erreichen, werde. Mir ist heute klar, dass das Bemühen, das Unbekannte zu durchdringen und teilzuhaben, für mich nie ein Ende finden wird. Immer wieder muss ich teilhaben, loslassen, teilhaben, loslassen, teilhaben und loslassen.

Der Buddha suchte viele Jahre nach der Wahrheit, der Erleuchtung, bis er sich schließlich unter einen Baum setzte und gelobte, erst nach Abschluss seiner Suche wieder aufzustehen. Beim Aufgehen des Morgensterns hatte seine Suche ein Ende gefunden. Über seine Erlebnisse in jener Nacht gibt es zahlreiche Geschichten, unter denen mir diejenige am besten gefällt, die beschreibt, wie Mara, der Herr der Täuschung, den Buddha durch Illusionen verschiedenster Art in Versuchung führen wollte. Als Erstes beschwor er Ungeheuer und Dämonen. Beim Näherkommen dieser Erscheinungen sagte der Buddha: ”Das bin ich.” Anschließend schickte Mara Hungersnöte, Flutkatastrophen, Feuersbrünste und Erdbeben, und auch darauf reagierte der Buddha mit der Äußerung: ”Das bin ich.” Dann versuchte Mara, den Buddha durch seine wunderschönen Töchter in Versuchung zu führen. Auch beim Anblick dieser Schönheiten blieb der Buddha völlig reglos sitzen und sagte: ”Das bin ich.” Daraufhin gab Mara sich geschlagen. Er hatte den Buddha mit allem konfrontiert, was im Leben geschehen kann, doch dieser war nicht zum Palast seines Vaters zurückgekehrt, sondern er hatte immer nur gesagt: ”Das bin ich.”

Wir alle sind in einem ummauerten Palast aufgewachsen. Und auch für uns enthalten die Dinge, die wir am heftigsten leugnen, die stärkste Heilungsenergie. Um diese Energie jedoch nutzen zu können, müssen wir zunächst Zeugnis ablegen: von Aids, Armut und Hunger; von Flüssen, Bergen und lachenden Kindern; vom Krieg, von Auschwitz und vom Morgenstern. Wir haben Teil, indem wir zu all dem sagen: ”Das bin ich.”

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